Krebskranke erschoss sich: Witwer der Mitwirkung am Suizid schuldig

(Symbolbild)
73-Jähriger am Landesgericht Wiener Neustadt zu zehn Monaten bedingt verurteilt. Urteil nicht rechtskräftig.

Wegen Mitwirkung am Selbstmord seiner Frau ist ein 73-Jähriger am Montag am Landesgericht Wiener Neustadt zu zehn Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt worden. Laut Anklage hatte er der Krebskranken einen Revolver zur Verfügung gestellt, ein Stanley-Messer bereitgelegt und ihr versichert, ihr einen "Gnadenschuss" zu geben, falls ihr Vorhaben misslingen sollte - was nicht der Fall war.

Mehr als 40 Jahre hatte das Paar eine "problemlose" Ehe ohne jegliche Differenzen geführt, sagte der Angeklagte. 2016 erkrankte die Frau: Bauchspeicheldrüsenkarzinom, Chemotherapie - und dann wurde auch ein Bauchfellkarzinom diagnostiziert. Seine Frau hatte "jede Menge Leiden", fürchterliche Schmerzen, die Heilungschancen waren gleich null, im Herbst 2017 gaben ihr die Ärzte nur noch wenige Monate. Nach 14 Tagen auf der Palliativstation kam sie nach Hause - ihr Zustand war "unvorstellbar schlecht", meinte der Mann. Weil sie aus dem Leben scheiden wollte, recherchierte das Ehepaar im Internet Möglichkeiten der Sterbehilfe in Deutschland oder der Schweiz. Es schien beiden jedoch nicht realistisch, "belastungsfrei" ins Ausland zu kommen. Sich einfach in einen Flieger zu setzen, "hätte nicht funktioniert", sagte der 73-Jährige.

Seine Frau habe sich definitiv für einen Suizid entschieden, ihr diese Absicht auszureden wäre "verantwortungslos" gewesen, meinte der Angeklagte. Wieder wurde im Internet recherchiert - diesmal die sicherste Erschießungsmethode. An jenem Tag im Jänner teilte sie ihm kurz vorher mit, dass sie nun zur Waffe greifen wolle. Wie vereinbart, rief sie bei der Polizei an und kündigte ihre Tat an, mit dem Hinweis auf einen etwaigen "Gnadenschuss" ihres Mannes. Er blieb im Erdgeschoß des gemeinsamen Hauses, hörte den Schuss - und fand sie tot in der Badewanne. Weil dann seinem Gefühl nach "ewig" keiner kam, rief er selbst auch noch bei der Polizei an. Die Beamten befragten ihn anschließend auf der Inspektion zum Geschehen. Wann er erfuhr, dass er beschuldigt werden könnte, wusste er heute nicht zu sagen.

Bei einem Strafrahmen von sechs Monaten bis fünf Jahre genügte in diesem Fall auch aus Sicht des Staatsanwalts eine bedingte Strafe. Der Anwalt des Beschuldigten verwies darauf, dass beide unter einem "nicht mehr auszuhaltenden Druck" gestanden seien. Der Sachverhalt, aufgeladen von Emotionen über Monate hinweg, sei menschlich verständlich, auch wenn ein strafbarer Tatbestand verwirklicht wurde. Das sah auch der Schöffensenat so, begründete die Richterin das Urteil. Aufgrund des Geständnisses blieb man bei der Strafbemessung im unteren Bereich, erschwerend war eine Vorstrafe wegen versuchter Körperverletzung. Der Beschuldigte nahm das Urteil an. Es ist noch nicht rechtskräftig, weil der Staatsanwalt keine Erklärung abgab.

Wer Selbstmordgedanken hat, sollte sich an vertraute Menschen wenden. Oft hilft bereits das Sprechen über die Gedanken dabei, sie zumindest vorübergehend auszuräumen. Wer für weitere Hilfsangebote offen ist, kann sich an die Telefonseelsorge wenden: Sie bietet schnelle erste Hilfe an und vermittelt Ärzte, Beratungsstellen oder Kliniken. Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person von Depressionen betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge in Österreich kostenlos unter der Rufnummer 142.

www.suizid-praevention.gv.at

Das neue österreichische Suizidpräventionsportal www.suizid-praevention.gv.at bietet Informationen zu Hilfsangeboten für drei Zielgruppen: Personen mit Suizidgedanken, Personen, die sich diesbezüglich Sorgen um andere machen, und Personen, die nahestehende Menschen durch Suizid verloren haben. Das Portal ist Teil des österreichischen Suizidpräventionsprogramms SUPRA des Gesundheitsministeriums.

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