Waldviertler in Kanada, Joe Hirnschall

© Jürgen Zahrl

Porträt

Kanadischer Rinderkönig macht Schülern Lust auf Literatur

Ein 70-jähriger Landwirt pendelt zwischen Karibik, Nordamerika und Waldviertel.

03/30/2013, 07:00 AM

Josef „Joe“ Hirnschall aus Lichtenberg, Bezirk Waidhofen an der Thaya, lebt mit seiner Frau Elfriede als Großgrundbesitzer in Kanada – aber nicht das ganze Jahr über. Wenn sie ins Waldviertel zurückkehren, zieht es den 70-jährigen Familienvater als „Aushilfslehrer“ in die regionalen Schulen, um Vorträge zur klassischen Lyrik abhalten zu können. „Eigentlich wollte ich immer Professor für Geschichte und Literatur werden. Jetzt mache ich das halt zum Spaß“, erzählt der Austrokanadier.

Ohne einen Cent zu verlangen, besucht Hirnschall regelmäßig Waldviertler Schüler in ihren Klassen. Obwohl Literatur nicht unbedingt zu den Lieblingsfächern vieler Jugendlicher gehört, weiß Hirnschall, wie er trotzdem die Aufmerksamkeit auf sich lenken kann.

Der 70-jährige Familienvater liest nicht vor, braucht auch keine Manuskripte, sondern hat Stichworte historischer Daten, Zitate und Passagen bekannter Autoren, berühmte Dialoge und die Perlen der Lyrik im Kopf griffbereit. Problemlos könnte Hirnschall, wie er selbst sagt, vier Stunden lang frei rezitieren, ohne aus den Werken von Schiller und Goethe, Grillparzer und Lenau, Nestroy und Raimund sowie von Schnitzler und Rossegger vorzulesen. „Es ist mein Hobby, Menschen mit meiner Vortragskunst Freude zu bereiten“, erklärt Hirnschall, der trotz seiner sechs Farmen im Ausmaß von 1000 Hektar in Kanada und den USA sowie seines Ferienhauses auf der „Isla Margarita“ in der Karibik bescheiden wirkt. Für seine Vorträge will er kein Honorar. Der 70-Jährige kann es sich leisten, seine Dienste kostenlos anzubieten.

Kleinbauer

Wäre es nach Hirnschalls Vater gegangen, dann hätte sein Sohn nach der Volksschule den Bauernhof nahe Windigsteig, Bezirk Waidhofen an der Thaya, übernehmen sollen. Doch bereits in der Schule ist sein großes Interesse an Literatur aufgefallen. „Bertrand Koppensteiner, damaliger Abt in Stift Zwettl, hat mich ermutigt, mich weiterzubilden“, sagt Hirnschall, der mit 17 Jahren nach Wien zog. Tagsüber war er in einem Kaufhaus „Mann für alles“, abends drückte er die Schulbank, um die Matura nachzuholen. Eine lukratives Angebot als Bankangestellter lockte den jungen Familienvater Mitte der 1960-er Jahre ins Waldviertel zurück. 20 Jahre später erwarb er mit seinem Ersparten sein erstes Grundstück in Kanada – der Beginn seiner Rinderfarm.

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