Kampf um die Stützpunkte der Retter
Dass die Notarztversorgung völlig umgekrempelt wird, hat unter Niederösterreichs Rettern Unruhe ausgelöst. Der Kampf um die insgesamt 32 Stützpunkte hat begonnen. Die ersten Bürgermeister sind ausgerückt, um "ihre" Notärzte zu verteidigen.
Ab 2017 ist das Land in acht Notarzt-Regionen aufgeteilt. Um den Betrieb jeder dieser Regionen können sich Organisationen bewerben. Wie sie ihr Gebiet dann versorgen und ob sie Stützpunkte schließen, ist den zuständigen Rettern selbst überlassen. Dem KURIER liegt die 46 Seiten umfassende Ausschreibung im Detail vor.
Darin enthalten ist die "Mindestanzahl" von 22 Notarzt-Stützpunkten (siehe Faksimile). Entscheiden sich die Rettungsorganisationen dafür, tatsächlich nur diese Anzahl zu betreiben, trifft das einige Regionen härter als andere.
Statistik
Klar ist aber, dass nicht jeder der 32 Stützpunkte – von denen bis auf vier alle eine 24-Stunden-Bereitschaft haben – gleich ausgelastet war. Vermutlich wird die Alarm-Statistik 2015 (siehe Grafik) in den Überlegungen der künftigen Notarzt-Betreiber eine gewichtige Rolle spielen.
"Die 32 Stützpunkte sind historisch gewachsen", sagt ein hochrangiger Vertreter des Systems, der aber ("um nicht noch Öl ins Feuer zu gießen") anonym bleiben möchte. "Oft wurde ein Stützpunkt nicht deswegen eröffnet, weil er zwingend notwendig war. Sondern weil mancherorts eine Person – vielleicht selbst Notarzt – für sich den Ehrgeiz hatte, einen Stützpunkt zu schaffen." Solche Fälle seien mitunter anhand der Einsatzzahlen festzumachen. "Manche Regionen waren überversorgt."
Verwirrung gab es zuletzt um die Anfahrtszeit zum Einsatzort. "Innerhalb von 15 bis 20 Minuten" hätte in der Ausschreibung stehen sollen. Im Vorjahr lag die durchschnittliche Zeit bis zum Eintreffen eines Notarztes mit 12:40 Minuten deutlich unter diesen Vorgaben. Daher ist in den Unterlagen jetzt von "höchstens 20 Minuten" die Rede (siehe Faksimile). Schnelle Retter kommen so nicht in die Verlegenheit, dass sie beim Patienten warten müssen, bis die 15-Minuten-Untergrenze erreicht ist.
Debatten um die Finanzierung des Rettungswesens waren in der Vergangenheit stets Zitterpartien. Am Notarztsektor zieht Niederösterreich jetzt einen Schlussstrich. Nicht weniger als die größte Reform der zweiten Republik stellt die Notfallversorgung des Landes auf völlig neue Beine.
Aktuell betreibt das Land 32 Notarzt-Stützpunkte quer durch Niederösterreich. Für jeden davon gibt es einen Vertrag entweder mit dem Roten Kreuz oder Samariterbund. Diese Struktur gewährleistete bisher, dass rund 95 Prozent der Haushalte innerhalb von 20 Minuten von einem Notarzt zu erreichen waren. Zuletzt finanzierte Niederösterreich diese Notfall-Versorgung mit 13 Millionen Euro pro Jahr. Die Verträge mit den Rettungsdiensten laufen Ende 2016 aus.
Eigenverantwortung
Egal, wer am Schluss den Zuschlag für den jeweiligen Landesteil erhält – "eine Organisation hat künftig die Verantwortung für die ganze Region", sagt der für die Finanzen zuständige Landesvize Wolfgang Sobotka. Die Retter können selbst entscheiden, ob sie bestehende Strukturen nutzen oder eigene aufbauen wollen. "Die hohen Qualitätskriterien bleiben gewahrt, die Kooperation untereinander wird abgestimmter werden."
In den Landeskliniken arbeiten 332 Notärzte. Seit Jahresbeginn zählt die Nebentätigkeit als Notarzt bei einer Rettungsorganisation nicht mehr als Spitals-Arbeitszeit, sondern wird freiberuflich ausgeübt. "Die Kliniken stellen daher auch in Zukunft Notärzte zur Verfügung, wenn das von den Bietern im Rahmen der Ausschreibung gewünscht ist", sagt Spitalslandesrat Karl Wilfing.
Teil der Ausschreibung, die Anfang März startet, wird auch die überregionale Versorgung über Landesgrenzen hinaus sein. Aktuell helfen nö. Notärzte rund 400 Mal pro Jahr in anderen Bundesländern aus.
Obwohl die Ausschreibung europaweit laufen wird, rechnen Rettungsinsider nach derzeitigem Stand übrigens nicht damit, dass Organisationen aus anderen Staaten zum Einsatz kommen werden. Der Mittelaufwand für Mannschaft und Gerät, die dann ja neu aufgestellt werden müssten, sei vermutlich zu groß.
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