Julia Kührer beerdigt
Nichts ist gewisser als der Tod, nichts ungewisser als seine Stunde."
Hunderte Menschen nahmen Samstagvormittag in Pulkau Abschied von Julia Kührer. Bei Eiseskälte begleiteten sie das Mädchen auf seinem letzten Weg. Es sollte eine würdige Feier werden. „Denn Julia ist so viele Jahre unwürdig in einem Keller gelegen“, sagt Pfarrer Jerome Ciceu, der Julia schon bei der Erstkommunion und ihrer Firmung begleitete.
„Heute ist ein Tag der Trauer, aber auch einer der Dankbarkeit. Denn jetzt wissen wir, dass sie in Gottes Armen ruht“, meint Bürgermeister Manfred Marihart.
Fassungslos
Die Kirche war bis auf den letzten Platz gefüllt. Unter den Trauergästen war auch jener Mann, der Julias sterbliche Überreste im Erdkeller entdeckte. „Du fehlst“, „Ruhe in Frieden“, stand auf den vielen Kränzen. Julias Sarg war mit weißen Rosen und Lilien geschmückt. „Wir stehen fassungslos davor“, sagt der Pfarrer. Und er stellt die Frage, die viele bewegt: „Was für ein Mensch bist du, der Julia auf dem Gewissen hat? Bist du überhaupt ein Mensch? Wir wollen nur die Wahrheit.“ Seitdem der Tod der damals 16-Jährigen traurige Gewissheit war, sei in Pulkau nichts mehr so, wie es einmal war. Julia sei nicht weit weg. Sie sei nur auf der anderen Seite des Weges.
Panflötenklänge und ein Chor begleiteten die Trauerfeier. Freundinnen lasen die Fürbitten. Nach mehr als einer Stunde war die Seelenmesse vorbei, Julias Sarg wurde zur Grabesstelle mit dem schlichten Holzkreuz getragen.
Die Wahrheit, die ist auch Julias Eltern, Anton und Brigitte Kührer, wichtig. „Wir sind froh, dass wir Gewissheit haben. Aber wir wollen wissen, was passiert ist.“ Nach fünf Jahren der Ungewissheit und vielen Monaten des Wartens haben sie nun aber zumindest einen Platz zum Trauern und Abschied nehmen. Auch zahlreiche Medienvertreter waren bei Julias letztem Weg vor Ort. Ein eigener Presse-Bereich auf dem Friedhof wurde eingerichtet. Außerhalb herrschte Foto- und Film-Verbot, das von der Polizei überwacht wurde.
Das ungelöste Kriminalrätsel
Für die Eltern von Julia Kührer war es der Tag, an dem sie Abschied nehmen durften: Am Samstag konnten sie ihre Tochter endlich beerdigen. Der Leichnam des Mädchens war im vergangenen Juni, fünf Jahre nach Julias rätselhaftem Verschwinden, endlich gefunden worden. Doch der Fall Julia Kührer ist mit dem Begräbnis ihrer sterblichen Überreste alles andere als abgeschlossen. Viele Fragen sind weiter unbeantwortet. Vor allem eine: Hat jemand Schuld an ihrem Tod und wenn ja, wer?
Todesursache Diese konnte anhand des teils verbrannten Skelettes trotz intensiver Untersuchungen durch Gerichtsmediziner und andere Wissenschafter nicht mehr festgestellt werden. Dass es sich etwa bei einem kleinen Loch in der Schädeldecke um einen Einschuss handelt, ist nicht erwiesen. Laut Friedrich Köhl von der Staatsanwaltschaft Korneuburg wurden keine weiteren Gutachten mehr in Auftrag gegeben. So fehlt ein wichtiger Beweis, ob ein Verbrechen vorliegt.
Tatverdächtige Zwei Männer gelten als tatverdächtig: Julias Ex-Freund sowie Michael K., Besitzer jenes Grundstückes in Dietmannsdorf, wo in einem Erdkeller Julias Leiche entdeckt worden ist. Bis dato konnten aber keine Spuren gefunden werden, die einen der beiden in irgendeiner Form belasten würden. Die Staatsanwaltschaft wartet noch auf die Auswertung eines Teiles der Spuren, die in jenen drei Autos sichergestellt wurden, die Michael K. zum Zeitpunkt von Julias Verschwinden besessen hat. Auf einem am Grundstück (nicht im Keller) gefundenen Zigarettenstummel fand sich die DNA von Julias Ex-Freund: Ein Beweis nur insofern, da schon lange vermutet wurde, dass Jugendliche aus Pulkau und Umgebung im Haus von K. Partys gefeiert haben. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft wird man das Verfahren gegen die beiden Verdächtigen wohl bald einstellen (müssen).
Tatort Ob der Fundort von Julias Überresten im Keller als Tatort infrage kommt, ist offen. Gesichert ist, dass ihr Leichnam zumindest kurz nach ihrem Tod dort abgelegt worden sein muss. Die Leiche wurde jedoch erst einige Zeit später verbrannt. Gefunden wurden im Keller auch Reste von Englisch-Wörterbüchern, die Julia am Tag ihres Verschwindens bei sich hatte. Angenommen wird, dass Julia noch an jenem Tag, dem 27. Juni 2006, gestorben ist. Neue Ansatzpunkte versuchen die „Cold-Case“-Ermittler im Bundeskriminalamt derzeit anhand jener blauen Decke zu finden, in die die Leiche eingewickelt war.
Tag des Verschwindens Ungelöst sind am Tag von Julias Verschwinden immer noch die letzten Minuten, nachdem sie von einem Zeugen in Pulkau gesehen wurde. Wer jene zwei Jugendlichen sowie der Fahrer eines silbergrauen Wagens waren, mit denen Julia damals gesprochen hat, ist bis heute offen. Verschwunden bleiben auch das Handy sowie ein gelber Schlüsselbund des Mädchens.
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