Gegen kulinarischen Identitätsverlust

Egal ob Wachauer Marille, Waldviertler Graumohn, Mostviertler Birnmost oder Marchfeldspargel – für die geschützten Herkunftsbezeichnungen in Österreich geht es ans Eingemachte. Weil US-amerikanische Lebensmittel-Erzeuger bei den geschützten Produkten in der EU von "unfairen Einschränkungen" und von "Handelsbarrieren" sprechen, sollen diese bei den Verhandlungen über das transatlantische Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) ausgehebelt werden, der KURIER berichtete. Die Hersteller regionaler Produkte in Niederösterreich sind besorgt und wollen gegen den drohenden "Einheitsbrei" kämpfen.
Weitsicht
"Das ist auch Thema bei uns im Vorstand", sagt dazu der Obmann der rund 200 Produzenten der Original Wachauer Marille, Franz Reisinger. Er fürchtet – wie viele andere Marillenbauern der Region –, dass alles auf Interessen von Konzernen zugeschnitten wird. "Wir haben uns das Vertrauen der Konsumenten erarbeitet. Das wollen wir auf keinen Fall gefährden. Ich hoffe, dass die Politik den Schutz regionaler Produkte nicht aus fehlender Weitsicht aufgibt", sagt Reisinger.
Auch für Andreas Greßl, Obmann der Genussregion "Waldviertler Graumohn. g. U." in Ottenschlag, ist der Angriff auf die geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) eine "Katastrophe": "Wir müssen alles tun, dass wir nicht von Dumping-Produkten überschwemmt werden. Kunden schätzen unsere naturnahe Herstellung. Daher ist es wichtig, dass wir uns von der Masse abgrenzen können."
Eines der mit seiner Herkunftsbezeichung innerhalb Europas geschützten Produkte ist auch der Mostviertler Birnmost. Ein möglicher Verlust des mühsam und teuer errungen Schutzes durch TTIP lässt bei den Mostbauern die Alarmglocken schrillen: "Das wäre ein herber Rückschlag, da ist die Politik massiv gefordert, um diesen Verlust abzuwenden", erklärt der Mostviertler Obstverbandsobmann und "Mostbaron" Hans Hiebl aus Haag. Ob in den USA oder anderswo auf der Welt wäre es unmöglich, den Birnenmost in Riesenmengen nachzuahmen, da es die Mostbirnbäume nur im Mostviertel gibt", sagt Hiebl. Doch am Fallbeispiel von Cider-Produkten zeige sich was passieren kann, wenn Marken nicht geschützt werden können. "Man findet auf unserem Markt bereits keinen Cider aus Obst, sondern ein Getränk, das nur aus Aromastoffen produziert wird", erklärt Hiebl. Er warnt davor, sich den Herkunftsschutz wegverhandeln zu lassen.
Bedrohung
Auch die Landwirtschaftskammer stemmt sich gegen die Bedrohung: "Seit Monaten verlange ich, dass der viel zu aufwendige Prozess für den Herkunftsschutz – er läuft über drei Ministerien und das Patentamt – vereinfacht wird. Damit viel mehr Regionalprodukte geschützt werden können. In Österreich haben wir nur 18, in Deutschland und Italien gibt es je 200", kritisiert Kammerpräsident Hermann Schultes. "Die Vereinfachung wäre ein wichtiger Schritt", stimmt Gerhard Zinner, Geschäftsführer der "Waldviertler Waldland GmbH", ein Vorreiter bei regionalen landwirtschaftlichen Nischenprodukte, zu.
Aus dem Bundesministerium heißt es dazu, dass alles getan werde, um die geschützten Herkunftsbezeichnung zu erhalten: Agrarminister Andrä Rupprechter sei gegen eine Aufweichung.
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