Fall Wastl: Mordanklage auch ohne Leiche?
Auch ohne Leiche wird es für den Mordverdächtigen im Fall Heidrun Wastl eng. Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt könnte nämlich von Paragraf 2 des Strafgesetzbuches Gebrauch machen und "Mord durch Unterlassung" anklagen. Erich W., 41, hat gestanden, die sterbende oder bereits Tote in einem Waldstück bei Ofenbach (Bezirk Wiener Neustadt) alleine zurückgelassen zu haben.
Damit ist das Bundeskriminalamt (BK) mit seinen Ermittlungen in der Causa wesentlich weiter, als man es nach Jahren in dem ähnlich gelagerten Fall um Julia Kührer ist. Das 16-jährige Mädchen aus dem Weinviertel war fünf Jahre lang vermisst, als ihr Skelett im Juni 2011 im Erdkeller eines Grundstücks im Bezirk Hollabrunn gefunden wurde. Der Besitzer des Grundstücks, Michael K., 50, wurde als dringend Tatverdächtiger in U-Haft genommen, jedoch aus Mangel an Beweisen wieder freigelassen. Da die Gerichtsmediziner trotz wochenlanger Untersuchungen keine Todesursache mehr feststellen konnten, haben Staatsanwaltschaft und BK wenig gegen den Hauptverdächtigen in der Hand.
Chefinspektor Kurt Linzer ist jener Mann, der sowohl im Fall Kührer als auch bei der seit 2001 vermissten Wiener Neustädterin Heidi Wastl die Ermittlungen leitet. Er und sein Team haben die Suche nach der vermissten Mutter erst zu Jahresbeginn neu aufgerollt, nachdem die früheren Ermittlungen von vielen Pannen geprägt waren (siehe unten).
Rascher Erfolg
Dass man im Fall Wastl nach wenigen Monaten mit dem Tischler Erich W. einen Hauptverdächtigen hat, der auch geständig ist (wenngleich dieser von einem Unglücksfall spricht, Anm.) , führt Kurt Linzer auf den Schulterschluss aller Beteiligten zurück. "Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft. Hier haben alle großartige Arbeit geleistet", sagt der Chefinspektor, der zuversichtlich ist, den Fall Wastl in Kürze völlig geklärt zu haben. "Hätte ich diesen Optimismus nicht, könnte ich diese Arbeit nicht machen. Ich kenne den Akt und wir werden unsere Arbeit mit weiteren intensiven Zeugenvernehmungen fortsetzen. Wir werden diese Aussagen auch einander gegenüberstellen und schauen, welche plausiblen Schlüsse sich daraus ziehen lassen", sagt Linzer.
Viele Versionen
Der mordverdächtige Tischler Erich W. hat, wie berichtet, mehrere Versionen zum Ableben von Heidi Wastl aufgetischt. Zuletzt ließ er damit aufhorchen, dass die Kindergartenhelferin bei einem Waldspaziergang hinter ihm gegangen sei und er beim Abrutschen Wastl am Oberkörper getroffen habe. Sie sei abgestürzt und gepfählt worden. "Er ist dann aus Panik davongelaufen. Er weiß, dass er sofort Hilfe hätte holen müssen", erklärt W.s Anwalt Ernst Schillhammer. Die beiden hätten entgegen anderslautenden Meldungen auch keine Liaison gehabt, sagt der Rechtsanwalt.
W. spricht also von einem Unfall und nicht von Mord. Letzterer könnte aber dennoch angeklagt werden. Paragraf 2 des Strafgesetzbuches geht auf die Begehung einer Tat durch Unterlassung ein.
Pannen und ein Geständnis nach zehn Jahren
Heidi Wastl verschwand am 28. September 2001 spurlos. Ihr Fall war von Anfang an von vielen kriminalpolizeilichen Pannen gekennzeichnet. So hing man lange der These nach, die Kindergartenhelferin sei mit einem Mann durchgebrannt, ehe man doch von einem Gewaltverbrechen ausging. Erst ein Jahr nach ihrem Verschwinden fragte man ihren Ehemann Paul nach einem Haar der Gattin zwecks DNA-Abgleich. Die damalige Lebensgefährtin des jetzt Tatverdächtigen hatte schon vor Jahren ausgesagt, dass Erich W. am Tag von Wastls Verschwinden seine neuen Turnschuhe, Jeans und ein Leiberl in den Mist geworfen habe.
Außerdem habe er sein Auto penibel gereinigt und sogar die Sitzbezüge gewechselt. Und obwohl der Tischler als Verfasser eines gefälschten Abschiedsbriefes von Wastl enttarnt wurde und zugab, am Tag des Verschwindens in ihrem Haus gewesen zu sein, hieß es damals vom Ermittlungsleiter, dass kein tragfähiger Hinweis auf eine Täterschaft gefunden werden konnte. Das Cold Case Management hat all diese Aussagen neu überprüft und von Erich W. schließlich ein Geständnis bekommen.
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