Die Steinböcke sind los: Alpentiere ziehen durch das Weinviertel

Da stand er, der Alpensteinbock (Capra ibex, lat.) mit seinen beiden wuchtigen Hörnern und hatte offenbar keinen Bock zur Flucht. Jäger Roland H. gelang vor kurzem ein Beweisbild von einem Steinbock im Revier bei Herzogbirbaum im Bezirk Korneuburg. Es machte unter der Jägerschaft schnell die Runde. Dann wurde es gelöscht. Sicher ist sicher. Man will ja keine „Wilderer“ auf die kleine Sensation im Weinviertel aufmerksam machen.
Als vor einigen Wochen eine Sichtung eines Alpensteinbocks, der übrigens streng geschützt und in den Alpen daheim ist, aus dem idyllischen Wullersdorf (Bezirk Hollabrunn) gemeldet wurde, dachten noch viele an ein Hirngespinst. Doch das Gegenteil war der Fall. Das Wildtier äste am helllichten Tag mitten auf dem Kirchenplatz. Mittlerweile häufen sich die Meldungen über Sichtungen bei den Polizei-Inspektionen, Jägern und Behörden. In Füllersdorf südlich des Ernstbrunner Waldes wurde ein Tier entdeckt, tags darauf in Enzersdorf im Thale und in Herzogbirbaum. Sogar aus Stockerau gibt es schon eine Meldung. Auf dem Betriebsgelände eines Transportunternehmers irrte ein Bock umher und entschwand mit einem Riesen-Satz über den hohen Zaun. Sogar in Hollabrunn sahen Spaziergänger ein Alpentier im Siedlungsgebiet hinter dem Gymnasium.
Gerätselt wird nicht nur über die Zahl der Wildböcke, die sich im Herzen des Weinviertels tummeln, sondern auch über deren Herkunft. Dass es sich nur um ein Tier handelt, glaubt mittlerweile als Folge der vielen Sichtungen niemand mehr. Vermutet wird, dass der oder die Böcke aus dem Wildpark Ernstbrunn stammen könnte. „Gibt es nicht. Wir machen ständig Zählungen. Alle unsere fünf Tiere sind noch da“, sagt Tierparkleiter Sebastian Schmid. Noch dazu hätte man nach einem Ausreißversuch eines Tieres vor einigen Jahren den Gehegezaun auf vier Meter erhöht.
Brunftzeit
Glaubt man der örtlichen Jägerschaft, so sollen außerhalb des Tierparks schon mehr Steinböcke leben als innerhalb. Dass gerade Brunftzeit ist, wäre eine logische Erklärung für die hohe Wandertätigkeit der paarungswilligen männlichen Tiere. „Bis jetzt hat man nur Böcke gesehen“, sagt ein Jagdleiter aus der Region.
Tierparkleiter Schmid kann was die Herkunft der Tiere betrifft nur spekulieren. „Aus den Alpen kommen sie nicht und auch die Hohe Tatra und die Hohe Wand sind zu weit weg“, sagt Schmid. Also bleibt nur, dass die Tiere aus einem Gatter, in dem sie illegal gehalten wurden, ausgerissen sind. Außer dem Tierpark Ernstbrunn sollen den Behörden keine anderen Gatter gemeldet sein.
Bei den Behörden werden Überlegungen angestellt, wie man mit der Steinbock-Population umgeht. Denn abseits des alpinen Bereichs sind die Tiere nicht heimisch. „Wir wissen, dass die Tiere in der Gegend sind“, sagt Waltraud Müllner-Toifl, Bezirkshauptmann in Korneuburg. Bevor man über Maßnahmen entscheide, müsse zuerst die Anzahl eruiert werden. Für nächstes Jahr könne man überlegen, so Müllner-Toifl, „die Tiere schonend aus der freien Wildbahn zu entnehmen“. Als störend werden diese von der Jägerschaft nicht gesehen. „Von unserer Seite ist kein Handlungsbedarf gegeben“, sagt Bezirksjägermeister Andreas Arbesser.
Bereits seit mehreren Jahren lebt eine Steinbock-Kolonie auf der Hohen Wand in Niederösterreich (der KURIER berichtete). Um die ausufernde Population in den Griff zu bekommen, wurden, wie bereits in den Jahren 2011 und 2012, auch heuer wieder einige Tiere zum Abschuss freigegeben. 30 an der Zahl.
Bis Anfang der Woche wurden bereits 22 erlegte Steinböcke registriert. Der örtliche Jagdaufseher Walter Baumgartner geht aber davon aus, dass bis Jahresende die volle Zahl erreicht wird. Bis zum 31. Dezember sollte die genehmigte Quote erfüllt sein, denn danach tritt wieder die Schonzeit in Kraft.
Da die Hohe Wand ein beliebtes Ausflugsziel ist, war der Abschuss bisher schwer zu disponieren. „Man kann die Tiere nicht einfach erlegen, wenn sich Wanderer oder Kletterer in der Nähe aufhalten“, erklärt der Jagdleiter einer der Schwierigkeiten.
Ob es auch im kommenden Jahr eine behördliche Abschussfreigabe gibt, wird erst anhand eines begleitenden Monitorings entschieden. Baumgartner ist mit dieser Maßnahme aber zufrieden: „Sie hat sich als effektiv erwiesen.“
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