Amtsübergabe in Bruck: "Aufhören, wenn es am Schönsten ist"

Amtsübergabe in Bruck: "Aufhören, wenn es am Schönsten ist"
Abtritt eines Politurgesteins: Brucker Langzeit-Bürgermeister Richard Hemmer (SPÖ) übergibt sein Amt an Gerhard Weil.

Sie waren 18 Jahre und 7 Monate lang Bürgermeister.  Was werden Sie als erstes machen?

Hemmer: Ich bereite mich auf meine Urlaubswoche in Griechenland vor. Und freue mich schon, in der Früh ohne Wecker aufzustehen. Ansonsten besuche ich am 13. September die Gemeinderatssitzung, bei der mein Nachfolger gewählt wird.

Wie leicht fällt Ihnen der Abschied von der Politik?

Hemmer: Leicht und schwer. Leicht deswegen, weil ich mich mit Gerhard – meinem Nachfolger – in den letzten dreieinhalb Jahren intensiv drauf vorbereitet habe, dass es zu diesem Termin zu Ende sein wird. Auch, weil ich gutes Gefühl habe, dass es in Bruck gut weiter läuft. Andererseits schwer, weil ich es gerne getan habe. Aber die Leichtigkeit überwiegt.

In Ihre Amtszeit fallen Projekte, wie die Rathaus-Sanierung, die Eishalle oder das Generationenhaus. Welches bedauern Sie, nicht umgesetzt zu haben ?

Hemmer: Es gibt keines mehr. Ich habe in der letzten Gemeinderatssitzung einige Weichenstellungen vorgenommen, wie etwa die Umsiedelung des Tennisvereins ins Freizeitzentrum, der Neubau des Sportplatzes Wilfleinsdorf. Den Radweg von Wilfleinsdorf nach Bruck oder die Gestaltung des Kirchenplatzes in Wilfleinsdorf. Fad wird es dem künftigen Bürgermeister nicht.

2015 haben Sie sich klar  für die Aufnahme von Asylwerbern ausgesprochen und Kritik an der Politik wegen eines geplanten Massenquartiers in der Benedek-Kaserne geübt. Würden Sie wieder so handeln?

Hemmer: Jederzeit. Es ist absolut unmenschlich, 400 Menschen, die auf der Flucht sind, auf einem Areal wie dem Truppenübungsplatz einzusperren. Es wäre auch für Bruck oder Bruckneudorf im Sinne der Integration schlecht gewesen. Ich werde jederzeit dafür eintreten, dass Bruck wie im Jahr 2015 Menschen auf der Flucht Schutz und Hilfe bietet. Und wir ziehen das bis heute durch. Derzeit leben zwischen 150 und 160 Migranten in der Stadt. Ich behaupte, dass diese Großteils integriert sind. Wir schaffen das, dank unseres Vereins „Unser Bruck hilft“. Ich stehe dazu aus tiefer Überzeugung eines Sozialdemokraten, der auch zur Verfassung und zu den Menschenrechten steht. Ich halte es nach wie vor für sehr unsolidarisch, dass viele Gemeinden so nicht agiert haben. Und ich halte es für schlimm, dass bei der Bundesregierung mit dem Thema Migration populistisch Politik gemacht wird.

Sie waren bereits von 1990 bis 1999 Bürgermeister, zogen sich aus beruflichen Gründen zurück. 2002 erlitten Sie zwei Herzinfarkte. Was hat Sie dazu bewogen, sich 2010 wieder in den Sattel zu wagen?

Hemmer: Weil mich die SPÖ-Fraktion gefragt hat und ich mich auch wieder in der Lage gefühlt habe, diese verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen.

Was haben Sie in Ihrer zweiten Amtszeit anders gemacht?

Hemmer: Ab 2009 konnte ich das Amt quasi hauptberuflich ausüben. Die Doppelbelastung hatte mich krankgemacht. Ich verstehe nicht, wie ich das geschafft habe. Die letzten neun Jahre waren besser zu handhaben, weil ich selbstgesteuert unterwegs war. Das war beim ersten Mal nicht der Fall. Da gab es nur hin und her Hetzerei zwischen den Terminen. Und das geht nicht mehr. Der Bürgermeister von Bruck ist ein Full-Time-Job. So habe ich es praktiziert und es ist gut gegangen. Ich bin Gott sei Dank, immer noch gesund.

Herr Weil, wie werden Sie das handhaben?

Weil: Ich sehe das genauso. Ich bin selbständig und habe das große Glück, einen Sohn zu haben, der in meine Fußstapfen getreten ist und seit eineinhalb Jahren das Unternehmen führt.

Wann war klar, dass Sie Herrn Weil als  Nachfolger aufbauen?

Hemmer: Das wurde 2015 innerhalb der SPÖ-Parteifraktion beschlossen. Dadurch war es möglich, dass wir die letzten dreieinhalb Jahre täglich im Paarlauf die Gemeindegeschäfte erledigt haben. Damit ist sichergestellt, dass mein Nachfolger voll in die Kommunalpolitik involviert ist. Es wird niemand spüren, dass ich jetzt nicht mehr da bin.

Amtsübergabe in Bruck: "Aufhören, wenn es am Schönsten ist"

Enge Zusammenarbeit in den vergangenen dreieinhalb Jahren

Sie haben Herrn Weil schon in den 90ern in die Kommunalpolitik geholt…

Hemmer: Kurz bevor ich ausgestiegen bin, habe ich Gerhard gefragt, ob er mitarbeiten will. Mir tut es nur leid, dass ich dann relativ bald ausscheiden musste. Er hat sich aber tapfer gehalten.

Weil (lacht): Ich bin gekommen, er ist gegangen….

Hemmer: Er hat sich in diesen 20 Jahren sehr gut profiliert. Ich kann mir keinen besseren als ihn vorstellen.

Was wollen Sie ihm mitgeben?

Hemmer: Er wird das Büro übernehmen und ich werde ihm meine Rathausschlüssel übergeben. Wenn man dreieinhalb Jahre so intensiv zusammenarbeitet, dann überträgt sich vieles von selbst. Ich wünsche ihm viel Ausdauer, Erfolg und Geduld. Dass er der bleibt, der er ist. Davon gehe ich aus.

Herr Weil, war für Sie von Anfang an klar, dass Sie das Bürgermeisteramt anstreben? Weil: Nein gar nicht. Aber irgendwann kommt der Zeitpunkt und man sagt, ja, kann ich mir vorstellen.

Hemmer: Ich würde schon meinen, dass Gerhard einer ist, der sich Herausforderungen gerne stellt. Als Geschäftsführer des Projektes PTS und NMS hat er bewiesen, dass er extrem zielstrebig ist. Biss brauchst du, wenn du Bürgermeister einer Gemeinde mit mehr als 9000 Einwohnern und bis zu 30 Millionen Euro Budget bist. Ich finde, dass er nahezu geboren ist dafür.

Weil: Es wird für die Bevölkerung fast kein Unterschied sein. Wie schon erwähnt, haben wir die letzten Jahre sehr eng zusammengearbeitet. Ich habe ihn manchmal öfter gesehen als meine Frau.

Was braucht Bruck in den nächsten Jahren?

Weil: Ein gemeinsames Streben. Es gibt etliche Projekte, die noch geplant werden müssen: Die Veranstaltungshalle und die Musikschule, das sind Themen, die in mittelbarer Zeit im Raum stehen. Auch die wirtschaftliche Entwicklung von Unternehmen, die im Zentrum sind.

Wie gehen Sie mit dem Erbe der Amtszeit von Bgm. Hemmer um? Welche eigenen Akzente wollen Sie setzen?

Weil: Mein Ziel ist es, die Bezirkshauptstadt Bruck und Wilfleinsdorf zu gestalten anstatt zu verwalten, sie zwischen den Großstädten Bratislava und Wien zu positionieren. Für mich ist es kein schweres Erbe. Mein Spruch lautet, durchs Reden kommen die Leute zusammen.

Gibt es etwas, das Sie anders handhaben wollen?

Weil: Die Sprechstunden werden anders werden. Da sind wir gerade am feilen. Es wird wahrscheinlich einen Behördentag geben, gemeinsam mit der Bezirkshauptmannschaft.

Herr Hemmer, bei den Gemeinderatswahlen 2015 haben Sie zum vierten Mal die Absolute geschafft. Wie erklären Sie das?

Hemmer: Bruck ist die letzte Bezirkshauptstadt mit einer absoluten SPÖ-Mehrheit. Außer St. Pölten als Landeshauptstadt. Erfolgsgeheimnis? Arbeiten, den Menschen zuhören, auf sie zugehen. Und das nicht nur vor der Wahl sondern das ganze Jahr über. Authentisch sein, nicht immer jedem recht geben.

Weil: Wir sind auch jung und dynamisch aufgestellt. Wir haben 2015 viele junge Bürger in den Gemeinderat geholt. Und haben trotzdem die Absolute geschafft, weil wir gemeinsam aufgetreten sind: Jung und erfahren.

Kam da nie der Wunsch, es 2020 doch noch mal zu versuchen?

Hemmer: Nein, das lockt mich nicht. Weil, wenn ich 2020 noch einmal kandidieren würde, wäre ich 67. Ich hätte mich dann schon verpflichtet gefühlt, zwei bis drei Jahre zu bleiben, da wäre ich über 70. Was ich nicht will ist, dass man mir am Hauptplatz nachschreit, ich soll mich doch endlich vertschüssen. Man soll dann aufhören, wenn es am Schönsten ist. Und das ist gerade so.

Herr Weil, mit was für einem Ergebnis rechnen Sie bei der GR-Wahl 2020?

Weil: Ziel ist natürlich, die Absolute zu halten. In der Hinsicht bin ich sehr optimistisch, weil ich auch ein Rädchen dabei war, Bruck in den letzten Jahren positiv zu gestalten.

Amtsübergabe in Bruck: "Aufhören, wenn es am Schönsten ist"

Am 13. September soll Weil offiziell zum Stadtchef gewählt werden

Herr Hemmer, welche Bedeutung hatte für Sie Parteipolitik?

Hemmer: Ich war ja in Verruf innerhalb der Landes-SPÖ, dass ich ein zu guter Freund des Erwin Pröll bin. Was ich immer bestätigt habe und auch im Nachhinein zugebe. Das war eine über Parteigrenzen hinausgehende gegenseitige Sympathie. Wann immer Bruck ein Anliegen an die Landesspitze hatte, war der Landeshauptmann Pröll mit einem offenen Ohr und einer offenen Geldbörse da und hat Bruck unterstützt. Das habe ich immer sehr geschätzt und ich glaube, er hat auch meine Arbeit geschätzt. Das gleiche gilt für Johanna Mikl-Leitner, von der ich auch voraussetze, dass sie dies im Sinne von Erwin Pröll weiter pflegt. Solange man sich auf der menschlichen Ebene gegenseitig positiv begegnet, sind Parteizugehörigkeiten eher im Hintergrund zu sehen. Das wird der Gerhard sicher weiter so handhaben.

Áls Bald-Privatier: Wie sehen Sie die SPÖ NÖ? Was erwarten Sie sich von Franz Schnabl?

Nach vorsichtiger Skepsis, muss ich sagen, dass ich nach einigen vier bzw. sechs Augengesprächen mit Franz Schnabl optimistisch bin. Ich halte ihn für den richtigen Mann am richtigen Platz. Ich bin überzeugt davon, dass er mittelfristig auch seine ursprünglichen personellen Pläne umsetzen wird. Es ist natürlich durchaus schwierig in Niederösterreich bei einer starken Landeshauptfrau kurzfristig zu reüssieren. Aber mittel- bis langfristig ist er am richtigen Weg. Er ist pakt- und kompromissfähig, aber wenn es sein muss, durchaus kantig und präsentiert seine Anliegen richtig.

Wie stehen Sie zur derzeitigen Bundespolitik?

Da schlägt mein sozialdemokratisches Herz derzeit sehr heftig. Ich bin zutiefst traurig und enttäuscht über die Art der Politik, wie sie derzeit praktiziert wird. Dass Themen wie Migration alles andere überschatten und man sehr patschert an die wirklich wichtigen Themen herangeht –  ob das Bildung und Soziales ist, oder die Sozialversicherung. Wenn ich denke, wie schlecht es uns im Erziehungs- und Entwicklungsbereich geht, wo nur Pflichten auf die Gemeinden abgewälzt werden, ohne dass die zugehörigen Finanzmittel dazu zur Verfügung stehen. Das frisst uns in den nächsten Jahren die Haare vom Kopf.

Was sagen Sie zu den Konflikten in der Bundes-SPÖ?

Hemmer: Ich bin seit 1973 Mitglied der SPÖ, ich habe viele Programm-Diskussionen miterlebt und sogar mitgetragen. Ich bin offen für jede Meinung, bin aber überzeugt, dass man nicht jede blöde Meinungsverschiedenheit öffentlich über die Medien austragen sollte. Man sollte intern reden. Und dann mit einem Konsens nach außen gehen. Ich glaube, da muss die SPÖ noch sehr viel lernen. Das war aber immer ihr Problem, jetzt in der Oppositionsrolle ist es noch viel schwieriger. Ich beneide Christian Kern nicht. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass er der richtige Mann ist an der Spitze der SPÖ ist. Ich wünsche ihm nur, das nötige Durchhaltevermögen bis er von der Oppositionsrolle wieder in eine Führungsrolle der Regierung schlüpfen kann. Aber das wird noch dauern, schätze ich.

Weil: Ich kann das nur unterstreichen. Für die Oppositionsrolle fehlt uns noch das Rückgrat und die Schärfe. Langsam kommt es.

 

 

Kommentare