Mit dem Erbe war aber die Sorge verbunden, wie die 800 Quadratmeter große, unter Denkmalschutz stehende Villa inklusive Privatkapelle und 2.500 m2 großem Garten zu erhalten sei. Also bewohnte das Ehepaar Kreuzer weiterhin die kleine Dienstbotenwohnung und vermietete den Rest der Liegenschaft. Hermine Kreuzer organisierte auch Führungen durch das Haus, zu denen jedes Jahr rund 1.000 Gäste aus aller Welt kamen, und sie veranstaltete gut besuchte Konzerte.
Zur Jahrtausendwende begann sich das nun schon betagte Ehepaar Kreuzer, Gedanken über die Zukunft des Schlössls zu machen. Da ihm wichtig war, dass es weiterhin der Erinnerung des Operettenmeisters dient, schenkte es im Jahr 2003 das Anwesen einer Wiener Rechtsanwältin und deren Bruder, die sich vertraglich verpflichteten, „das Museum und die Kapelle zu erhalten und Interessierten den Zutritt zu ermöglichen“. Die Geschenknehmer, heißt es in dem Vertrag weiter, „werden soweit es in ihrer Macht steht, das Museum in der vom Ehepaar Kreuzer geschaffenen Form fortan erhalten“. Gleichzeitig wurde Erich und Hermine Kreuzer das lebenslange Wohnrecht in der Lehár-Villa zugesichert.
Die Enttäuschung war groß, als die neuen Eigentümer das Schlössl vor drei Jahren um kolportierte 3,6 Millionen Euro – eine relativ geringe Summe für die wertvolle Immobilie – trotz eines Belehnungs- und Veräußerungsverbots und ohne Frau Kreuzer zu informieren – an eine Immobilienfirma verkauften. Obwohl die mittlerweile verwitwete Hermine Kreuzer gegen den Verkauf protestierte, veräußerte die Immobilienfirma das Anwesen neuerlich – und zwar an den Immobilien-Investor Günter Kerbler, dem das Lehár-Schlössl seither gehört.
Hermine Kreuzer verstarb im vergangenen Oktober im Alter von 98 Jahren, nachdem sie die Besichtigungstouren im einzigen Wiener Lehár-Museum (in Bad Ischl gibt es ein weiteres) bis zuletzt mit großem Engagement selbst geleitet hatte. Und es war ihr gelungen, die hohen Instandhaltungskosten des zum Teil mehr als 400 Jahre alten Gebäudes durch Vermietung zweier Wohnungen bzw. Büros aufzubringen.
Doch nach ihrem Tod kam es zum Streit zwischen dem neuen Eigentümer Günter Kerbler und den beiden Mietern: dem Schriftsteller und Medienunternehmer Thomas Köpf und dem Architekten Martin Lackner. Gegen Lackner hat Kerbler eine Räumungsklage eingebracht, die dieser „vor Gericht bekämpft, da ein bestehender Mietvertrag vorliegt“. Sowohl Lackner als auch Köpf, aber auch dessen Rechtsanwalt Nikolaus Vasak, befürchten, dass der neue Eigentümer das Wienerische Kleinod nicht als Museum weiterführen werde.
Was dieser bestreitet. Immobilien-Investor Kerbler sagt, dass auch er das Haus als Museum und Veranstaltungsort betreiben möchte. Allerdings verdüsterte sich diese Möglichkeit vor wenigen Tagen. Denn das Inventar des Schlössls hat Hermine Kreuzer ihrer Nichte Renate Weber vererbt. Und die bietet den gesamten Inhalt der Villa neuerdings zum Kauf an. Neben Lehárs Klavier gehören sein Schreibtisch, Autografen, Bilder, die Taschenuhr, der Taktstock und vieles andere dazu. Zwar erklärt man in der Handschriftensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, der die Exponate angeboten wurden, „weder Budget noch Platz“ für die Lehár-Memorabilien zu haben, doch bestätigt Frau Weber dem KURIER, dass sie diese auch anderwärts anbieten werde.
Der Verkauf des Inventars würde aber das sichere Aus des Museums bedeuten, das ohne die Originalgegenstände aus Lehárs Besitz praktisch wertlos wäre. Universitätsprofessor Wolfgang Dosch, Generalsekretär der Internationalen Franz Lehár Gesellschaft, ruft „dringlich zum Erhalt des Lehár-Schlössls als einzigartiges Denkmal mit seinen bedeutsamen Exponaten“ auf. Er tritt somit „einer in Aussicht stehenden Zerstörung und Zerschlagung Wienerisch-Österreichischer Kultur vehement entgegen“.
Übrigens war Franz Lehár, der „König der Silbernen Operette“, nicht der einzige prominente Bewohner des Nußdorfer Hauses. Auch Mozarts Freund Emanuel Schikaneder, der Librettist der „Zauberflöte“, hat hier acht Jahre lang gelebt. Und so gehört zum Inventar in den altehrwürdigen Räumen auch der Tragsessel, auf dem sich Schikaneder ins Theater tragen ließ. Das waren die damaligen Taxis.
Bleibt nur zu hoffen, dass das Lehár-Museum und sein wertvoller Inhalt der Nachwelt erhalten bleiben.
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