in dieser Villa verbringen Schauspieler ihren Ruhestand
"Meine Lieblingsrolle war Hofmannsthals Der Schwierige“, sagt Albert Rueprecht, und man erkennt, wie er in Gedanken auf vergangene Zeiten zurückblickt, in denen er den Applaus genoss und jede Menge Autogramme gab. Albert Rueprecht war ein Film- und Theaterstar, ein Publikumsliebling ersten Ranges, seit Februar wohnt er im Künstlerheim in Baden bei Wien, wo ich ihm und anderen seiner betagten Kolleginnen und Kollegen einen Besuch abstattete.
Im Hilde Wagener Heim leben 24 Künstler im Ruhestand, manche waren berühmt, anderen ist die große Karriere verwehrt geblieben. Doch jeder hat seine Geschichte, der eine hat noch mit Hans Moser gespielt, der andere nahm bei Elfriede Ott Schauspielunterricht.
Man trifft Kollegen
Albert Rueprecht ist ein Phänomen. Er feierte am vorigen Mittwoch seinen 95. Geburtstag und begrüßt mich leichten Schritts und klaren Blicks. „Nach dem Tod meiner Frau“, sagt er, „hab ich mir gedacht, dass ich hier gut aufgehoben bin. Man spricht mit den Kollegen, hin und wieder auch, wie es früher am Theater war“.
Er spielte am Burgtheater und 40 Jahre an der Josefstadt, und manche seiner Geschichten sind Zeitgeschichte. Etwa die, wie er zu seiner Lieblingsrolle kam: „Eigentlich sollte Karlheinz Böhm den Schwierigen spielen, doch er gründete die Organisation Menschen für Menschen und ging nach Afrika. So ist die Rolle mir zugefallen.“
Im Rampenlicht
Wie damals, als Rueprecht im Rampenlicht stand, scharen sich auch im Künstlerheim die Damen um den immer noch feschen Mimen. Hier trifft man sich wieder: Gabriele Jacoby – die nach wie vor als Tochter der Marika Rökk bezeichnet wird, obwohl sie auch schon 80 ist und eine eigenständige Karriere hinter sich hat – leitet den Verein Künstler helfen Künstlern, der das Seniorenheim in Baden betreibt. Sie hat früher oft mit Albert Rueprecht gespielt, erstmals 1963 als 19-jährige Elevin an der Josefstadt, beim allerersten Auftritt ihrer Laufbahn.
Gudrun Velisek kennt man aus TV-Serien wie Kommissar Rex, Ein Schloss am Wörthersee, Schlosshotel Orth oder Tatort. Da sie mit ihren 83 Jahren wie Mitte 60 wirkt, frage ich sie, warum sie überhaupt in einem Altenheim lebt.
Und sie erzählt ihr Schicksal: Als ihr Mann schwer krank war und sie ihn allein nicht mehr pflegen konnte, zog sie mit ihm ins Künstlerheim. Er starb fünf Tage, nachdem er einzog, doch da Frau Velisek nicht mehr in ihre Wohnung zurückkonnte, beschloss sie zu bleiben. Hin und wieder erfreut sie ihr Publikum mit Lesungen, auch ihre Kollegen im Badener Künstlerheim.
Künstler helfen Künstlern (KhK) ist eine Hilfsaktion aktiver Schauspieler, die alten Kollegen ein würdevolles Dasein ermöglichen. Denn nicht jeder war ein Star, manche bekommen so kleine Pensionen, dass sie sich ihren Lebensabend in der Badener Seniorenresidenz nicht leisten könnten. „Daher bekommt jeder Unterstützung, der sie braucht, sei es durch Spenden oder aus Nachlässen verstorbener Kollegen“, sagt KhK-Generalsekretärin Anneliese Fritthum.
Albert Rueprecht drehte über 40 Filme, in Sissi mit Romy Schneider gab er den Kaiser Maximilian von Mexiko. „Meist waren es Heimatfilme, in denen ich schon deshalb gerne spielte, weil Hans Moser und Paul Hörbiger meine Partner waren.“ Früher begeisterter Bergsteiger, unternimmt Rueprecht auch heute, mit 95, noch jeden Tag ausgedehnte Spaziergänge durch Baden.
Gegründet wurde das Künstlerheim 1965 von der Burgschauspielerin Hilde Wagener, später war Lotte Tobisch 24 Jahre Präsidentin. Ehe sie am 19. Oktober 2019 starb, musste ihr Gabi Jacoby am Totenbett versprechen, ihre Nachfolge anzutreten.
Zuweilen gibt‘s im Künstlerheim echte Lovestorys: Der Bewohner Sepp Riff, viele Jahre lang Kameramann von Hugo Portisch, verliebte sich in die Krankenschwester des Altenheims und zog mit ihr in eine Privatwohnung. Pikanterweise lebt Sepp Riffs erste Frau – Ex-Burgschauspielerin Lotte Ledl – heute im Hilde Wagener Heim.
Die Atmosphäre im Haus sei sehr gut, freut sich die Präsidentin Gabi Jacoby. Hinterlist, Allüren und Eifersucht, wie sie am Theater vorkommen sollen, kenne man hier nicht, seit ihre unvergessene Vorgängerin Lotte Tobisch die Losung ausgab: „Mit den Intrigen hat es ab sofort ein Ende!“
Traudl Freund ist die Witwe von Österreichs erstem Fernsehdirektor Gerhard Freund und die Mutter des bekannten Schriftstellers René Freund. Die ausgebildete Schauspielerin ist seit 55 Jahren Vorstandsmitglied von Künstler helfen Künstlern und war lange damit beschäftigt, Geld für den Verein aufzutreiben. Jetzt, mit 87, hat auch sie sich entschlossen, zu den Künstlern zu ziehen, „und ich bin sehr glücklich darüber“.
Er sei „der älteste noch lebende Schüler der Elfriede Ott“, erklärt der gut gelaunte Heimbewohner Ottwald John, Der 82-Jährige sei Komödiant und kein Schauspieler, „wenn ich das Wort Schauspieler nur höre, wechsle ich die Straßenseite“. sagt er. Der gebürtige Kärntner wollte „nie ein Star sein“, er war „ein leidenschaftlicher Einspringer für erkrankte Kollegen, womit ich viele Vorstellungen und Tourneen gerettet habe“.
„Lauter alte Leute“
Viele, auch sehr prominente Schauspieler verbrachten ihre letzten Jahre im Badener Künstlerheim, darunter Hans Holt, Judith Holzmeister, Cissy Kraner und Romy Schneiders Großmutter, die einstige Hof-Schauspielerin Rosa Albach-Retty, deren Ausspruch heute noch die Runde macht. Als man sie an ihrem 100. Geburtstag fragte, wie es ihr im Badener Künstlerheim gefiele, antwortete sie: „Es ist ja sehr schön da, aber es sind halt lauter alte Leute da.“
Sie starb 1980 mit 105 Jahren im Hilde Wagener Heim.
Es gibt ein Theaterstück, das den alten Schauspielern von Baden ein Denkmal setzt. Der Inhalt: Die betagten Bewohner eines Künstlerheims wollen einmal noch gemeinsam auftreten. Der Titel des Stücks hat nichts von seiner Gültigkeit verloren: Mich hätten Sie sehen sollen.
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