Justiz: Guter Rat vom Bund ist teuer
Bezirksgericht Jennersdorf, 10 Uhr vormittags: Zunächst die Sicherheitsschleuse passieren, die Treppen hinauf und hinein in den Verhandlungssaal. Ein Zivilverfahren mit der Aktenzahl 2c92/10z steht auf der Tagesordnung. Sein Recht auf ausstehende Honorare für geleistete Arbeit fordert ein Elektrounternehmen von der Beklagten. Den Vorsitz führt Richter Hubert Pechlaner. 10.20 Uhr, die Parteien haben sich schneller als erwartet auf einen Vergleich geeinigt.
Gut für den KURIER, so bleibt mehr Zeit für das Gespräch mit Pechlaner, seit zwei Jahren als Vorsteher und einziger Richter in Jennersdorf tätig. Eine Thematik steht im Fokus: Justizministerin Beatrix Karl, VP, hatte vor Kurzem angekündigt, kleine Bezirksgerichte zu schließen. Und zwar dann, wenn die Sparpakete geschnürt sind. Welche Gerichte das sein könnten, darüber wollte ihr Sprecher, Christian Wigand, keine Auskunft geben: "Das ist noch zu früh."
Die Gerüchteküche brodelt: Im Südburgenland könnten die Standorte Jennersdorf und Güssing fusioniert werden. "Ich hoffe nicht, aber bei einer Sparwelle weiß man nie", erklärt Pechlaner. "Derzeit gibt es nur Gerüchte, leider spricht niemand Klartext. Das ist sehr belastend, vor allem für meine Mitarbeiter. Was will der Bund von uns? Dass wir gute Justiz machen oder dass wir sparen?"
Große Distanz
Geografisch sei die Distanz zu Güssing doch recht groß, meint der 41-Jährige. Ein Allrounder sei er, der sich mit sämtlichen Materien befassen müsse – Zivil- und Familienrecht bilde den größten Teil der Arbeit, danach folgen Strafrecht und Exekutionen.
"Ich bin nicht spezialisiert, das macht es aber auch besonders interessant", sagt der Herr Rat. "Fad ist mir sicher nicht, und über Mangel an Arbeit kann ich mich auch nicht beklagen."
Bewusst habe er sich für Jennersdorf entschieden, seine Mutter stamme aus dem Bezirk: "Ich kenne die Bevölkerung und die Hintergründe, habe aber dennoch die nötige Distanz ein angemessenes Urteil fällen zu können."
Verfassungsrechtler Heinz Mayer, der sich für eine Zusammenlegung kleinerer Bezirksgerichte ausspricht (siehe Artikelende): "Das kann auch ein Nachteil sein."
Das sieht Pechlaner nicht so: Über Umwege habe er erfahren, dass er als streng bekannt sei, "aber ein Richter, der überall beliebt ist, der macht seinen Job falsch. Ich höre den Leuten zu, aber lasse mich sicher nicht pflanzen".
Vorsichtig
Laut dem Güssinger Gerichtsvorsteher Günther Heincz gibt es – "um es vorsichtig auszudrücken" – im Justizministerium Überlegungen, die beiden Gerichte Jennersdorf und Güssing zusammenzulegen. Und er habe einen guten Draht zum Ministerium, so Heincz. "Das wird nicht morgen passieren, aber im Laufe der nächsten Jahre, davon kann man ausgehen", glaubt der Güssinger Gerichtsvorsteher. À la longue sei es vernünftig. Ihn werde es nicht berühren, weil er Ende des Jahres in Pension geht. Seine Nachfolgerin kenne er "nach menschlichen Ermessen" auch bereits. Ob sie noch gebraucht wird, ist eine andere Frage.
Verwaltungsreform: Alles ist möglich und daher ist noch nichts fix Bereits unter Minister Dieter Böhmdorfer gab es vor rund zehn Jahren eine Diskussion darüber, ob das Burgenland mit nur zwei Gerichten, nämlich Eisenstadt und Oberwart, auskommen könnte. Es blieb bei der Diskussion.
Verfassungsrechtler Heinz Mayer ist eher ein Gegner denn Befürworter von kleinen Bezirksgerichten und meint: "Tendenziell müsste es so sein, dass es Gerichte mit weniger als drei Richtern nicht gibt." Vor allem deshalb, weil sie die Qualität kaum bieten könnten. Denn ein Bezirksrichter, sagt Mayer, habe ja sehr vielfältige Aufgaben. Wenn man diese einem einzigen Richter aufbürde, dann müsse er Zivilrecht, Strafrecht, Exekutionsrecht, Grundbuchrecht, Mietrecht etc. machen. "Das überfordert wohl den besten Juristen. Und ob der alles wirklich kennt und wirklich am neuesten Stand ist? Das muss schon ein Wunderwuzzi sein."
Bei drei Richtern funktioniere das "vielleicht noch" einigermaßen, dass man die Arbeit verteile und sich die Richter ein wenig spezialisieren können, so Mayer.
Wenn ein Ansuchen über Zusammenlegungen von Bezirksgerichten käme, "werden wir uns das genau ansehen", sagt Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl. Das Gesamtkonzept für das Land sei wichtig und vorab – ohne die Fakten zu kennen – eine Entscheidung zu treffen, wäre "Kaffeesudleserei". Grundsätzlich sei man für dezentrale Strukturen. "Und trotzdem ist es möglich – und wir im Burgenland schaffen das – eine schlanke Verwaltung einzusetzen", sagt Niessl.
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