"Das Wort Zigeuner ist respektlos"

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Stefan Horvath lebt in der Roma-Siedlung in Oberwart und hofft, seinen Seelenfrieden zu finden.

Roma-Schau’n in der „Zigeuner“-Siedlung in Oberwart ist von den Bewohnern nicht nur unerwünscht. „Was soll es bringen“, fragt Stefan Horvath, der dort wohnt. Seit zehn Jahren ist Horvath im Zeitzeugen-Programm des Unterrichtsministeriums. Sein Sohn wurde 1995 beim Attentat von Franz Fuchs in Oberwart ermordet.

Was hat die Anerkennung der Roma als Volksgruppe vor 20 Jahren Ihnen und den Roma gebracht?
Stefan Horvath: In Wirklichkeit bekamen ja nur die Vereine Anerkennung. Würde ich eine Umfrage unter den Roma machen, bin ich überzeugt, dass ein Großteil gar nicht weiß, was das bedeuten soll. In den Köpfen der einzelnen ist das nicht drinnen, was es wirklich bedeutet. Sie haben die Anerkennung nicht einmal wahrgenommen. Für mich war das ein großer Schritt Richtung Akzeptanz.

Es kommt die Vermutung auf, dass die verschiedenen Roma-Vereine sich nicht eins sind. Liegt man damit richtig?
Es ist ein Manko, dass zu viele Vereine gegründet wurden. Man sollte mehr gemeinsame Aktivitäten setzen. Die Kräfte bündeln. Der Rudi (Sarközi, Gründer des Kulturvereins österr. Roma, 1991, Anm.) zum Beispiel, der nicht wirklich mein persönlicher Freund ist, hat viel zur Anerkennung beigetragen, das wissen aber die wenigsten Roma. Er war aber dennoch federführend.

Hat sich in den vergangenen 20 Jahren für die Roma nach der offiziellen Anerkennung als Volksgruppe etwas geändert?
Es ist auf alle Fälle besser geworden. Aber es stellt sich die Frage: Hat die Anerkennung dazu beigetragen? Ich glaube nicht. Es war das Attentat in Oberwart 1995. Dieses furchtbare Ereignis hat den Roma mehr geholfen als die Anerkennung als Volksgruppe.

Wie meinen Sie das?
So pervers es auch klingen mag: Aber nach dem Attentat sind wir draufgekommen, dass wir uns alle – die Politik, die Wirtschaft, Roma und Nicht-Roma – an einen Tisch setzen und an den Problemen arbeiten müssen.

Ist es gelungen?
Irgendwie schon. In den 50 Jahren nach dem Krieg sind 120 bis 150 Kinder in der Roma-Siedlung groß geworden. Kein einziges Kind hat bis zu diesem Zeitpunkt einen Beruf erlernt oder eine höhere Schule abgeschlossen. Heute ist das anders. Die Roma lernen Berufe, machen die Matura, besuchen Fachhochschulen und sind tüchtige Leute. Und: Es gibt auch keine Ausgrenzungen mehr.

Sind Sie sich da sicher?
Na ja, sind wir freundlich: Die Roma werden nicht mehr aus der Disco hinausgeschmissen wie das früher der Fall war.

Stört Sie das Wort Zigeuner?
Nicht wirklich. Vor 1993 hat man sich darüber überhaupt keine Gedanken gemacht. Und heute? Wir fühlen uns als Österreicher. Aber man muss schon sagen: Das Wort Zigeuner ist respektlos.

Herr Horvath, Sie wohnen noch immer in der Siedlung, nur einige hundert Meter entfernt von der Stelle, an der das Attentat verübt wurde, das weltweit für Empörung gesorgt hat. Wie geht‘s in der Siedlung?
Die Siedlung ist vom Aussterben bedroht. Wir haben nur mehr 48 Personen samt Kindern. Vor 18 Jahren waren es noch 110. Die Altersstruktur ist überwiegend 60 plus.

Vor 18 Jahren wurde ihr Sohn ermordet. Wie tief sitzt der Schmerz noch?
Man muss eines sagen, die Bewohner der Siedlung, und hier meine ich auch die nächste Generation, haben das Gott sei Dank verdrängt, weil wir diese Last, die dadurch entstanden ist, gar nicht tragen sollen. Es genügt, wenn es ganz wenige Leute gibt, wie mich zum Beispiel, die diese Last tragen müssen.

Was ist für Sie das Wichtigste im Leben?
Gesundheit sowieso und seinen eigenen Seelenfrieden zu finden. Den zu finden, ist nicht so einfach.

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