„Bin zurück bei meinen Wurzeln“

„Bin zurück bei meinen Wurzeln“
Nikolaus Berlakovich. Der ehemalige Agrarminister über seine neue Funktion in der Landwirtschaftskammer

KURIER: Haben Sie sich als höchster Bauernvertreter im Land schon eingelebt?

Nikolaus Berlakovich: Ja, ich habe mich eingelebt, vor allem, weil ich zurück zu meinen Wurzeln gekommen bin, zu meinem angestammten Bereich der Land- und Forstwirtschaft. Es war das Gefühl, in der Heimat angekommen zu sein.

Es gibt immer weniger Landwirte, dennoch bewegen Themen wie Glyphosat und Tierhaltung die Massen. Welchen Stand hat der Bauer in der Öffentlichkeit?

Es ist unterschiedlich. Ich bin der Überzeugung, die Mehrheit der Bevölkerung schätzt die Arbeit der Bauern. Viele sind bereit, sich mit dem Thema Lebensmittel kritisch auseinanderzusetzen. In der Tagespraxis stößt es aber oft auf Unverständnis, wenn etwa am Sonntag geerntet wird und es staubt. Theoretisch wird der Bauer gelobt, wenn er seine Arbeit macht, wird er aber auch kritisiert.

Wird es schwieriger, für etwa zwei Prozent der Bevölkerung die Interessen in der Politik zu wahren?

Es wird schwieriger, auch weil in einer Wohlstandsgesellschaft die Meinung vorherrscht, Lebensmittel sind sowieso da, wir schauen in den Supermarkt und alle Regale gehen über. Gott sei dank leiden wir keine Not. Aber es ist nicht selbstverständlich. Die Klimasituation zeigt, wie verwundbar die Landwirtschaft ist. Das bringt die Menschen zum Nachdenken. Am Fließband werden keine Lebensmittel erzeugt. Es braucht sehr viel Können, Wissen und die Natur muss mitspielen, um hochwertige Lebensmittel zu erzeugen.

Was wird sich in der burgenländischen Landwirtschaftskammer ändern?

Ich habe vier große Themen ausgegeben – mehr regionale Lebensmittel im Burgenland, weniger Bürokratie, neue Einkommenschancen für die Landwirte und das Service für die Kammermitglieder verbessern. Es passiert schon viel Positives und es muss immer besser werden.

Die Klimasituation verändert sich, wie Sie sagen. Wird die Landwirtschaft langfristig abzusichern sein?

Bei aller Technologie, die wir schon anwenden, Drohnen, der Digitalisierung oder GPS-Systeme. Wenn die Natur nicht mitspielt, kann man die Ernte nicht absichern. Wir sind nach wie vor von der Natur abhängig. Wir haben schon früh daran gearbeitet, die Hagelversicherung zu erweitern, um die Landwirte gegen Elementarrisiken abzusichern, wie Überschwemmung, Sturm Frost oder Dürre.

Sind die burgenländischen Bauern flexibel genug, um sich an die Klimaextreme anzupassen?

Die Bauern sind flexibel und bereit dazu. Wir spüren seit Jahren, dass sich was ändert in der Natur. Die Fichte etwa wandert in höhere Lagen. Neue Baumarten müssen gefunden werden, die sich besser anpassen. In der Landwirtschaft ist es genauso, es ist eine Herausforderung an die Züchtung, wenn bewährte Sorten nicht mehr reifen. Auch Verfahren bis hin zur Bewässerung müssen überlegt werden.

Wie ist die Stimmung unter den Landwirten, wird positiv in die Zukunft gegangen?

Das heurige Jahr ist ein Wechselbad der Gefühle, es gab eine extrem unterschiedliche Niederschlagsverteilung. Es gab Enttäuschungen, etwa beim Getreide haben Kulturen schön ausgeschaut, der Ertrag war aber nicht da. Bei Mais, Soja oder Zuckerrübe ist es heuer auch sehr hart, die Bestände verdorren teilweise auf den Feldern. Es ist keine angenehme Situation. Wir sind gerade dabei die gemeinsame Agrarpolitik in der EU zu verhandeln, sie soll weiter eine Basisabsicherung für die Landwirte darstellen. Ob es positiv in die Zukunft geht, hängt vom Bauern selber ab, wer gerne Bauer ist und bereit ist neue Wege zu gehen wird es schaffen. Wer im bisherigen System nicht das Auslangen findet, wird ein Problem haben. Aber es sind schon noch Chancen da.

Wie sie angemerkt habe, wird die neue Förderperiode in der EU verhandelt, ist Landwirtschaft im Burgenland ohne Subventionen noch möglich?

Bei Spezialprodukten wäre es möglich oder bei der Weinwirtschaft. Im Ackerbau sehen wir, dass sehr große Betriebe ohne die Flächenprämie nicht existieren können. Die Förderungen sind aber keine Almosen, der Bauer erbringt Umweltleistungen, hält Sozialstandards ein – das Geld bekommt der Landwirt nicht zum Nulltarif.

Die biologischen Betriebe werden mehr, hat die konventionelle Landwirtschaft bei kleinen Strukturen noch Bestand?

Es gibt auch sehr große Betriebe, die auf Bio umsteigen, für viele ist es auch aus wirtschaftlichen Gründen sinnvoll. Mir geht es um eine Land- und Forstwirtschaft die den Tisch der Menschen deckt, mit biologischen und konventionellen Produkten. Denn 90 Prozent der Bevölkerung ernähren sich konventionell, diesen Tisch wollen wir auch mit burgenländischen Lebensmitteln füllen. Den Trend in richtung Bio halte ich für sinnvoll, wenn mehr Konsumenten das verlangen.

Wann sind Sie zum letzten Mal am Traktor gesessen?

Vor zwei Tagen – ich habe in allen meinen politischen Funktionen versucht, den Bezug zur Praxis zu haben. Es macht mir Freude, wenn man im Jahreskreislauf sieht, wie sich Kulturen entwickeln. Den Praxisbezug will ich mir erhalten, um zu wissen wovon man redet, wenn man sich mit Bauern unterhält.

Was würden sie jungen Landwirten mit auf dem Weg geben?

Sie sollen die Freude des Bauerseins erkennen und sich Innovationen überlegen. Wo gibt es einen Bedarf in der Region – Direktvermarktung welche Produkte kann ich abdecken? Kann ich den Tourismus beliefern oder die Gastronomie? Die Chancen von Urlaub am Bauernhof, Greencare, Sozialen Dienstleistungen können genutzt werden, wenn einem das liegt. Es gibt Chancen, ein Einkommen zu erzielen.

Kommentare