60 Jahre Ungarnaufstand: "Zeichen der Solidarität"

"Es ist ein sehr emotionaler Moment", erzählt Marika Radda, als sie Bundeskanzler Christian Kern ( SPÖ) am Freitag auf der Brücke von Andau trifft. Die Brücke habe sie 1956 als Zwölfjährige gemeinsam mit ihren Eltern in die Freiheit geführt. Im Zuge der Niederschlagung des ungarischen Volksaufstandes war die Familie aus ihrer Heimat geflohen. "Als wir an der Grenze angekommen waren und die blinkenden Taschenlampen gesehen haben, hatten wir solche Angst, dass es die Russen sind", schildert die Zeitzeugin. Doch die Familie hatte Glück: Die Bevölkerung von Andau kam ihr und ihrer Familie zu Hilfe und versorgte sie nach der nervenaufreibenden Flucht.
Etwa 200.000 Ungarn flüchteten im Jahr 1956 vor der Diktatur in ihrer Heimat in den Westen, etwa 70.000 suchten den Weg in die Freiheit über den Einserkanal an der burgenländisch-ungarischen Grenze.
Am 21. November 1956 wurde die Brücke bei Andau von ungarischen Soldaten gesprengt, 40 Jahre später wurde sie neu errichtet.
Am Freitag wurde des historischen Ereignisses im Rahmen eines Festaktes bei der Brücke gedacht. Nicht nur Bundeskanzler Kern, auch Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, Altbundespräsident Heinz Fischer sowie politische Vertreter aus Ungarn und dem Burgenland waren gekommen, um des Ungarnaufstandes und seiner Opfer zu gedenken.
"Die Brücke von Andau ist durch die historischen Ereignisse und die Hilfsbereitschaft der Burgenländer zu einem Zeichen der Menschlichkeit und der Solidarität für die Ewigkeit geworden", sagte Landeshauptmann Hans Niessl in seiner Festrede.
Bei der Kranzniederlegung an der Brücke erklärte Bundeskanzler Christian Kern (
SPÖ), dass die Ereignisse von damals auch heute noch allgegenwärtig seien. Auch heute könne man stolz darauf sein, dass man Menschen in Not aufgenommen und ihnen geholfen habe.
Kern erklärte jedoch, dass die Ereignisse von 1956 nicht mit der heutigen Flüchtlingssituation vergleichbar seien. Heute gehe keine politische Revolution vonstatten, wie vor 60 Jahren in
Ungarn. Vielmehr seien Millionen Menschen in der ganzen Welt auf der Flucht. Man habe die Verpflichtung, ihnen Sicherheit zu bieten. Doch „wir müssen entscheiden, wer in unsere Länder kommt“, so Kern. Europa müsse sich gemeinsam dazu bekennen, die europäischen Grenzen zu schützen und zu sichern.
Auch Zoltan Balog, Ungarns Minister für Humanressourcen, erklärte in seiner Rede, die heutige Situation sei mit der damaligen nicht zu vergleichen. Die Fluchtbewegung habe damals nur kurze Zeit gedauert und die Menschen hätten denselben kulturellen Hintergrund gehabt. Die damals geflüchteten Ungarn hätten sich in kurzer Zeit integriert, die Sprache gelernt und Arbeit gefunden. Es seien keine Parallelgesellschaften entstanden.
Altbundespräsident
Heinz Fischer meinte, die Ereignisse im Oktober und November 1956 seien „in unauslöschlichen Lettern in den Geschichtsbüchern verzeichnet“. Wenn man dieser gedenke, müsse man sich erinnern, dass „Demokratie etwas Sensibles ist, das gepflegt werden muss.“ Man müsse auch andere Meinungen akzeptieren können. Ein Grundsatz der Demokratie sei, dass „Macht immer beschränkt sein muss und Kontrolle ertragen und ermöglichen muss.“
Auf die Bühne gebeten wurde auch der Andauer Zeitzeuge Johann Sattler. Er hatte als 25-jähriger Jungbauer dabei geholfen, die Flüchtenden mit Traktor und Anhänger von der Brücke weg in die Unterkünfte in der Gemeinde zu transportieren. „Ich weiß heute nicht mehr, wie wir es geschafft haben, dass alles so gut geklappt hat“, erinnerte sich Sattler.
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