McCartney-Album: Eine einzige Enttäuschung

Seine Pläne fürs Alter hat er uns schon vorgesungen, als er noch blutjung war anno 1967: "When I’m Sixty-Four". Jetzt ist
Paul McCartney in wenigen Monaten 70 – und offensichtlich hyperaktiv: Er schreibt ein Lied für ein Computerspiel. Er würde gern zum 60. Thronjubiläum von Queen Elizabeth II. heuer auftreten. Auch zur Eröffnungszeremonie der
Olympischen Spiele im Sommer in London könnte er auf der Bühne stehen.
Bereits zugesagt hat er einen Auftritt bei der
Grammy-Verleihung in Los Angeles am 12. Februar, wo er für sein Album "Band on the Run" (1973) in der Kategorie "Bestes Album der Geschichte" nominiert ist.
Faible für Balladen

Die neue CD "Kisses On The Bottom" (Universal) – der Titel stammt übrigens aus dem alten Jazzhit "I’m Gonna Sit Right Down and Write Myself a Letter" von
Fats Waller – versammelt alte Jazz-Standards, die der Ex-Beatle in seiner Kindheit daheim beim Vater in Liverpool hörte. Aber er hätte besser auf John Lennon hören sollen, der über Pauls Schwäche für Balladen spottete: "Altmodische Songs für Omas".
Cole Porter, George Gershwin oder Irving Berlin hätten ihn musikalisch geprägt, sagt McCartney. Und die Standards von Harold Arlen und Johnny Mercer.
Zwar hatte er für "Kisses On The Bottom" den Produzenten Tommy LiPuma sowie die kanadische Jazzmusikerin Diana Krall samt Band zur Verfügung. Arrangeur und Bassist John Clayton fügte Streicher in einer Dosis ein, die nach einem Schnaps verlangt.
Eric Clapton behübscht einiges seltsam uninspiriert mit der akustischen Gitarre. Sir Paul selbst beschränkt sich aufs Singen. Aber die Stimme klingt bei Frank Loessers "More I Cannot Wish You" oder dem Ink-Spots-Song "We Three" brüchig und bei Arlens "It’s Only A Paper Moon" in den Höhen erschreckend dünn.
Gruß zum Valentinstag
Das mit dem Jazzbesen aufgezwirbelte "Bye Bye Blackbird" wirkt in seiner abgeklärten Bar-Melancholie wie eine späte Antwort auf den Beatle-Song ähnlichen Namens – damals noch voll Jugendeuphorie. Seine Version des Arlen-Mercer-Songs "Ac-Cent-Tchu-Ate The Positive" reicht nicht einmal annähernd an die von Al Jarreau heran.
Zwei der 14 Songs sind neue Eigenkompositionen: "Only Our Heart" mit Stevie Wonder an der Mundharmonika, und ein Gruß an alle Liebenden zum 14. 2. "My Valentine". Aber McCartneys Ausflug in die Swing-Ära fehlt das Feuer der Leidenschaft. "Kisses On The Bottom" ist – leider – nur gepflegte Langeweile.
KURIER-Wertung: ** von *****
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