Print lebt: Siebdruck im Wirtshaus
Von Mario Kopf
Stephanie Klaura spricht den Satz gelassen aus: "Ich gehe jeden Tag ins Wirtshaus." Auch wenn sie den Wiener Beiseln nicht abgetan ist, hört es sich verwegener an, als es ist. Schließlich befindet sich ihr Arbeitsplatz seit über zwei Jahren im ehemaligen Gasthaus Hiess in Ottakring. Außen prangen noch Schilder mit "Wein", "Wiener Küche" und "Bier". Wer das Lokal betritt, sieht zugleich eine wunderschöne Schankanlage aus den 60er-Jahren. "Bei mir ist es keine Gaststätte mehr, sondern die FabricFabrik. Diese konnte ich dennoch nicht hergeben – sie ist eines von vielen Herzstücken hier. "
Die 31-jährige gebürtige Kärntnerin führt durch die Räumlichkeiten, die sie ihrer Tätigkeit entsprechend adaptiert hat: Klaura übt sich in der selten gewordenen Kunst des manuellen Siebdrucks. Von Meterware, Bettwäsche, Kleidern, Taschen, Pölstern bis zu Tischen bedruckt sie in der FabricFabrik Objekte mit selbst gemalten Mustern. So wurde die ehemalige Küche zum Wasch- und Belichtungsraum umfunktioniert.
Atelier im Extrazimmer
Das Herzstück befindet sich jedoch im ehemaligen Extrazimmer: Wo einst Wienerliedabende und Vereinstreffen abgehalten wurden, steht nun ein zehn Meter langer Drucktisch. "Einen solchen gibt es auf Bildungsinstituten wie der Universität für angewandte Kunst in Wien. Aber meines Wissens nach bin ich die Einzige in Österreich, die einen solchen für ihre Arbeit nutzt. Vielleicht, weil es auch ein bisschen spinnert ist", sagt sie. Nachdem es dafür keine Bauanleitung gibt, waren Freunde wie der Architekt Benjamin Schneider gefragt, um diesen zu bauen.
Imposant füllt die Eigenkonstruktion den Raum aus, Kunstwerke lehnen oder hängen an der Wand. Sonnenstrahlen beleuchten die zahlreichen Farbdosen und Textilien – wie jenen grauen Stoff aus Norwegen, der für die heutige Produktion bereitliegt. "Flora" heißt das Muster, das Klaura gleich vervielfältigen wird. "Auch wenn ich manches Motiv schon hundert Mal verwendet habe, ist jeder Druck etwas Neues und Besonderes", sagt sie und hebt das riesige Sieb auf den Tisch mit dem aufgebügelten Stoff. Ähnlich wie in der Fotografie wurde es in der Dunkelkammer mit einer Paste, einer Art Film, bestrichen und anschließend bei 3500 Watt rund 45 Sekunden mit dem Muster belichtet. So entsteht eine Schablone, die immer wieder verwendet werden kann.
Der Druck entsteht
"Los geht’s", sagt die Künstlerin und trägt großzügig Farbe auf. "Ich mische alle selbst zusammen. Es ist ein bisschen wie Kuchen backen – man vermengt zwei Pigmente und schaut, was dabei herauskommt." Auf dem Sieb befindet sich eine Eisenrakel, mit der die Druckerfarbe durch die Öffnungen im Sieb gepresst wird. "Normalerweise ist dies händisch nur zu zweit möglich“, meint Klaura und schraubt eine Teleskopstange an, „mit dieser Konstruktion kann ich es aber alleine machen.“
Also greift sie zur Stange, bewegt die Rakel nach vorne, zieht sie zurück und wiederholt den Vorgang. Eine Tätigkeit, die den Muskelaufbau fördert. Anschließend wird kontrolliert, ob der Stoff nicht kleben geblieben ist. „Passt“, sagt die Künstlerin, spannt das Sieb einen Meter nebenan erneut ein und bedruckt nun diesen Teil des insgesamt acht Meter langen Stoffes. Mit zwei Föhnen wird der erste Durchgang getrocknet, ein zweiter folgt sogleich. „Hier ziehe ich meine Kreise“, sagt Klaura und huscht von einer Tischseite zur anderen: Drucken – kontrollieren – föhnen. Fertig. Weiß auf grau ziert „Flora“ nun den Stoff.
"Textildruck ist ein Handwerk"
„Es ist eine Manufaktur“, sagt die Designerin, „es soll deutlich werden, dass hier mit der Hand gearbeitet wird. Viele Leute wissen gar nicht mehr, dass Textildruck ein Handwerk ist. Schön langsam entsteht aber wieder ein Bewusstsein und Bewunderung dafür, wenn jemand etwas manuell herstellen kann.“ Der Name der 2013 gemeinsam mit Emilie Kleinszig gegründeten, aber alleine geführten Unternehmung lässt sich auf verschiedene Ursprünge zurückführen: Auf Andy Warhols Factory, in der Siebdrucke im Großformat angefertigt wurden. Auf das Element der Wiederholung, wie man es aus der Industriearbeit, aber auch bei der Produktion von Rapportdrucken kennt. Und „fabric“, das englische Wort für Textil. „Wobei es nicht nur um Stoffe geht, sondern auch darum, dass etwas passiert.“
Und es passiert einiges: Klaura druckt nicht nur eigene Entwürfe, sondern auch Futterstoffe für die Gebrüder Stitch, Schuhe für Rosa Mosa, Merchandising wie Taschen für Bands wie Wanda und andere Auftragsarbeiten. Sie bietet Workshops an – für Anfänger als auch für Menschen, die genau wissen, was sie produzieren möchten. Als „Artist in Residence“ gestaltete sie in Günther Domenigs „Steinhaus“ eine Installation aus 100 Laufmetern Stoff. Oder bedruckt Estrich – etwa für die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt. Mittlerweile werden ihre Produkte via Onlineshop einer größeren Menge feilgeboten. „Es wächst langsam, aber stetig. Das gibt mir den nötigen Rückenwind“, sagt Klaura und begleitet uns zur Tür. Auch wenn für sie heute noch lange nicht Sperrstunde ist: Hier ist anstelle des Weindusels der Kreativrausch eingezogen. Die Schank, sie wirkt damit einverstanden.
FabricFabrik, Koppstrasse 23, 1160 Wien
www.fabricfabrik.at