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Also doch mondsüchtig! Wie unser Trabant das Leben auf der Erde beeinflusst

Beim Borstenwurm sind die Ergebnisse eindeutig: "Wir können zeigen, dass das Mondlicht kontrolliert, wann genau in der Nacht die Würmer ihr Fortpflanzungsverhalten beginnen, nämlich immer in der dunkelsten Phase". Das hat Martin Zurl von den Max Perutz Labs in Wien jetzt herausgefunden. Das schwache Licht des Erdtrabanten justiert die innere Uhr der Meeresbewohner so, dass die Weibchen und Männchen erkennen, wann genau es Zeit für den Paarungstanz im flachen Küstenwasser ist, um Nachwuchs zu zeugen.

Die Studie, aktuell im Wissenschaftsmagazin PNAS veröffentlicht, liefert eine Erklärung für das Phänomen, dass Tagesrhythmen – von Fliegen bis zum Menschen – vom 24-Stunden-Rhythmus abweichen können.

Tiere besitzen innere Uhren zur Steuerung ihres Verhaltens. Zirkadiane Uhren oder 24-Stunden-Oszillatoren orientieren sich typischerweise an abwechselnden Perioden von Sonnenlicht und Dunkelheit.

Viele Tiere sind in ihrer natürlichen Umgebung allerdings auch Mondlicht ausgesetzt, das mit etwa 25-stündiger Frequenz wiederkehrt. Die Forschungsgruppen von Florian Raible an den Max Perutz Labs, ein Joint Venture der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien, und Kristin Tessmar Raible (Max Perutz Labs, Alfred-Wegener-Institut, Universität Oldenburg) haben nun herausgefunden, dass das Mondlicht auch den Tagesrhythmus von Borstenwürmern steuert.

Dies hilft den Tieren, ihren Fortpflanzungszyklus auf bestimmte Stunden in der Nacht abzustimmen.

"Die 24-Stunden Uhr wird bei den Würmern genau so wie bei Menschen und anderen Tieren nach dem Sonnenlicht gestellt", erklärte Kristin Tessmar-Raible. "Wir haben aber herausgefunden, dass Mondlicht sie beeinflusst, und die innere Uhr von Organismen verstellen kann, so dass sie teils langsamer, oder wie bei den Würmern schneller läuft."

Florian Raible ergänzt: "Der Mondaufgang erfolgt jeden Tag 50 Minuten später, das Mondlicht hat daher eine Rhythmik von knapp 25 Stunden." Im Vergleich zum 24-Stunden-Takt des Sonnenlichts gibt es also eine Zeitversetzung. Die Würmer nutzen sie, um ihre Fortpflanzung exakt zu timen.

Dies ist bei den Küstengewässer-Bewohnern entscheidend, damit erfolgreich Jungtiere in die Welt gesetzt werden können: Die Weibchen setzen ihre Eier nämlich ungeschützt ins Wasser frei, so wie die Männchen ihre Spermien. Wenn dies nicht fast gleichzeitig am selben Ort erfolgt, gibt es keinen Nachwuchs.

Wahrgenommen wird das Mondlicht bei den Würmern von zwei Lichtrezeptoren: "Opsin" und "Chryptochrom" dekodieren Sonnen- und Mondlicht, und stellen so die plastische innere Uhr passend ein.

Andere Lebewesen

Auch andere Tiere wie die vielbeforschte Taufliege "Drosophila melanogaster" können Mondlicht erkennen, sagte Kristin Tessmar-Raible: Sie halten diesen Einfluss aber möglichst gering, damit ihr Tagesrhythmus nicht durcheinander gerät.

Im Labor dokumentieren die Forscher den Einfluss der Lichtintensität auf verschiedene Organismen seit Jahrzehnten. Die Bedeutung dieser Schwankungen war aber bisher unklar. Jetzt habe man erstmals "die ökologische Bedeutung entdeckt", erklärt Tessmar-Raible.

Und beim Menschen? Da sei es wohl ähnlich: Wir besitzen zwar nur einen der beiden Lichtrezeptoren in der Netzhaut, genauer gesagt, einen Verwandten des Opsin namens Melanopsin. Manchmal kommt aber dennoch die Mond-Periodik zum Vorschein. Bei vielen Patienten mit "Bipolarer Störung" folgen zum Beispiel die charakteristischen Stimmungsschwankungen einem unerklärten lunaren Rhythmus. Ihre Tagesuhr läuft dann mit einer rätselhafte circalunidiane (d.h. 24,8h) Periodik, also von knapp 25 anstatt 24 Stunden. Und ihre Stimmungsschwankungen korrelieren damit.