Duchenne: Die seltene Muskelerkrankung trifft vor allem Buben
Sie ist die häufigste Muskelerkrankung und nennt sich Duchenne Muskeldystrophie, kurz DMD. In Österreich leiden rund 220 Menschen – davon mehr als die Hälfte Kinder und Jugendliche - an dieser seltenen und nach wie vor unheilbaren Muskelerkrankung, die primär Buben betrifft.
Oftmals ist es für die Eltern ein langer Leidensweg, bis bei ihrem Kind die Diagnose gestellt wird. Die Diagnose bedeutet für die Eltern, sich von der Vorstellung eines gesunden Aufwachsens ihres Kindes zu verabschieden und sich auf ein Leben mit besonderen Anforderungen einzustellen.
Häufiges Stolpern und Fallen
Ab etwa dem dritten Lebensjahr treten bei DMD erste spezifische muskuläre Symptome auf wie häufiges Stolpern und Niederfallen, „watschelnder Gang“, auffälliges Bewegungsmuster beim Laufen sowie Schwierigkeiten beim Stiegen Steigen und beim Aufstehen vom Boden. In der Regel verlieren die Buben zwischen dem 8. und 15. Lebensjahr ihre Gehfähigkeit und sind ab dann auf den Rollstuhl angewiesen.
„Nicht nur für die Betroffenen, auch für ihre Familien, stellt die Bewältigung des Alltags eine besondere Herausforderung dar“, weiß Prim. Univ.Prof. Dr. Günther Bernert, Präsident der Österreichischen Muskelforschung und ärztlicher Leiter der Kinder- und Jugendheilkunde mit Muskelambulanz am Klinikum Favoriten in Wien. Neben einer bestmöglichen medizinischen Versorgung sieht der Experte auch großen Bedarf in der psychosozialen Unterstützung der Betroffenen und ihrer Familien. „Messlatte für Therapieerfolge sollten nicht nur der medizinische Aspekt sein, sondern auch die Auswirkung auf die Lebensqualität“, so Bernert.
Österreichweite Umfrage
Neben der Bewältigung des Alltags mit Duchenne-Muskeldystrophie liegt das Augenmerk, so wie bei anderen seltenen Erkrankungen, in den letzten Jahren vermehrt auch auf der Lebensqualität, die den Therapieerfolg und somit den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen kann. In einer von der Österreichischen Muskelforschung und der Patientenorganisation „Verein Marathon“ initiierten Umfrage, die aktuell österreichweit läuft, geht es um erste Verdachtsmomente bei den Eltern, Zeitpunkt der Diagnose, die Lebensumstände der Betroffenen und ihrer Familien und welche Faktoren die Lebensqualität positiv beeinflussen können. Eltern von Duchenne-Patienten sowie junge Erwachsene Betroffene sind eingeladen, an der vom SORA Institut anonymisiert durchgeführten online Umfrage teilzunehmen:
https://public.jaksch-partner.at/limesurvey/index.php/578813
Frühe Diagnose verbessert Lebensqualität
Die Erbkrankheit Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) tritt bei etwa 1 von 3.600 bis 6.000 neugeborenen Buben auf. Erste Anzeichen einer DMD können sich bereits im Kleinkindalter zeigen. Den betroffenen Kindern fehlt das funktionsfähige Muskeleiweiß „Dystrophin“, das vor allem für die Stabilität der Zellmembran zuständig ist. Ohne dieses Eiweiß kommt es bereits in der frühen Kindheit, noch lange bevor die ersten Symptome sichtbar sind, zu einer fortschreitenden Degeneration, zunächst der Bewegungsmuskulatur, später auch der Atem- und Herzmuskulatur.
So lange wie möglich gehen können
Wenn es gelingt, die Gehfähigkeit so lange wie möglich zu erhalten, kann auch das Fortschreiten der Erkrankung verzögert werden. Daher ist das frühe Erkennen der DMD essenziell: Durch frühzeitig einsetzende Maßnahmen besteht die Chance, den Symptomen entgegenzuwirken und den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. Nur wenn auch die nicht spezifischen Symptome von DMD, wie späteres freies Gehen oder Verzögerung der Sprachentwicklung, bekannt sind, kann rechtzeitig mit einer Lebenserwartung verlängernden und Lebensqualität steigernden Therapie begonnen werden. Zusätzlich zur Identifizierung der Symptome kann die Bestimmung eines einfachen Laborwertes, der Kreatinkinase (CK), Aufschluss geben. Ist der CK-MM Wert (der CK Wert in den Muskelzellen des Bewegungsapparats) deutlich erhöht, empfiehlt sich die weitere Abklärung durch einen Neuropädiater.
Bessere Prognosen
„Erst in den letzten zwei Jahrzehnten konnte die Prognose der Betroffenen durch verschiedene Maßnahmen sowie einer Therapie mit Kotikosteroiden verbessert werden“, erklärt Bernert. Die seit Ende 2014 erstmalig zugelassene kausale Therapie der DMD für Träger einer Nonsense Mutation (das sind 10 – 13 % aller DMD-Patienten), steht seit Juli 2018 auch für diese Patienten bereits ab dem Alter von zwei Jahren zur Verfügung. Laut einer aktuellen Empfehlung des Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) macht die Fortsetzung dieser Therapie auch bei Verlust der Gehfähigkeit Sinn, vor allem in Bezug auf die Atmung unterstützende Muskulatur. „Studien haben gezeigt, dass bei nicht mehr gehfähigen DMD Patienten die Lungenfunktion bis zu vier Jahre länger erhalten werden konnte, was einen wesentlichen Beitrag zur Lebensqualität leistet“, sagt Bernert.