Corona: Infektiologe Weiss sieht keine "zweite Welle"
Der Innsbrucker Infektiologe und Immunologe sowie Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin, Günter Weiss, hält die momentane Coronavirus-Situation in Österreich hinsichtlich der Zahlen insgesamt nicht für besorgniserregend. Es handle sich jedenfalls um "keine zweite Welle". Man könne derzeit auch nicht sagen, ob es zu einer solchen überhaupt noch kommen werde, sagte Weiss im APA-Interview am Montag.
"Man ist im Plan", meinte der Internist und Experte, der auch dem Beraterstab der Coronavirus-Taskforce im Gesundheitsministerium angehört. Die jetzige Situation überrasche nicht und sei im Rahmen. Man habe gewusst, dass weitere Infektionsfälle auftreten werden. Man habe es mit vermehrten "Einzelfällen" zu tun, die vor allem durch die Reisetätigkeit hervorgerufen werden, sprach Weiss etwa Fälle von "Rückkehrern aus Urlaubsgebieten" an. Diesbezüglich werde man es auch in den kommenden Wochen und Monaten mit "mehr Fällen" zu tun haben.
Hinzu kommen würde eben die bekannte Problematik der "aufpoppenden" Cluster, die ihn aber - so wie sie sich derzeit darstellt - auch nicht beunruhige. "Das liegt in der Natur der Sache", so der Infektiologe. Zudem verwies der Experte darauf, dass solche Cluster derzeit besonders auffallen, weil man es ansonsten mit "wenig neuen Fällen" zu tun habe. "Es gilt einfach, die Cluster schnell ausfindig zu machen bzw. zu identifizieren und dann abzuschotten", erklärte Weiss. Sorgen würde er sich dann machen, wenn man es österreichweit mit "300 bis 400 Neuinfektionen pro Tag" zu tun habe, die auf "60 bis 70 verschiedene Cluster" zurückzuführen seien.
"Da fehlt es einfach an Hausverstand"
Sorgen machte Weiss hingegen, dass offenbar die Abstandsregel nicht mehr im nötigen Ausmaß eingehalten wird. In diesem Zusammenhang sprach der Mediziner auch die am Wochenende bekannt gewordene Party in der Sillschlucht bei Innsbruck an, bei der sich nach Angaben der Polizei an die 1000 Personen aufhielten. "Da fehlt es einfach an Hausverstand und Verantwortungsbewusstsein", kritisierte Weiss. Solche Ereignisse könnten schon zu Problemen führen und in Folge Cluster bzw. Infektionen ansteigen lassen.
Überlastung der Spitalskapazitäten "nicht in Sicht"
Nach wie vor stabil stelle sich indes auch die Situation in den Krankenhäusern dar. Die vergleichsweise geringe Zahl an Corona-Patienten dort hänge auch damit zusammen, dass während des rapiden Infektionsanstiegs im Frühjahr noch viele ältere, besonders gefährdete Patienten betroffen waren. Derzeit würden "eher Jüngere" infiziert, die bei weitem nicht so gefährdet seien. Zudem gelte generell, dass nur zehn Prozent der Infizierten mit Symptomen eine Krankenhausbehandlung benötigen.
Eine signifikante Zunahme an Neuinfektionen werde aber mittelfristig auch wieder vermehrt zu Spitalsaufenthalten führen. Eine Überlastung der Kapazitäten sei aber nicht in Sicht. Auch während des Höhepunkts der "ersten Welle" sei man nicht an die Grenzen gestoßen, betonte Weiss, der derzeit auch keinen Bedarf sah, flächendeckend Lockerungen wieder zurückzunehmen.
Zweite Welle "muss nicht sein"
Die Virus-Situation mit sinkenden Temperaturen ab Herbst könne derzeit nicht abgeschätzt werden. "Ob es dann so viel mehr Infektionen sein werden, ist schwer zu sagen", meinte der Internist. Covid-19 gehöre zwar zu den respiratorischen Viren, die verstärkt in kalten Jahreszeiten auftreten, eine viel zitierte "zweite Welle" sei deshalb aber keinesfalls fix: "Das ist nicht gesagt. Das muss nicht sein".
"Komplett normales Leben" im nächsten Sommer möglich
Gänzlich ausgeschlossen sei auch nicht, dass das Virus - analog zur SARS 1-Pandemie im Jahr 2003 - schön langsam wieder komplett verschwindet. Dies sei aus derzeitiger Sicht zwar "eher nicht wahrscheinlich", aber: "Das Virus überrascht uns immer wieder". Aus momentaner Sicht halte er ein wieder "komplett normales Leben" ohne jegliche Warnung, Einschränkung und Beschäftigung mit dem Coronavirus - "wenn es gut funktioniert" - im nächsten Jahr um etwa diese Zeit für wahrscheinlich, so Weiss, der aber gleichzeitig darauf hinwies, dass ohnehin nicht mehr viel an möglichen Lockerungen quasi ausständig sei.