Fachkräftesicherung: Was Österreich von der Schweiz lernen kann
Von Anita Staudacher
Der strukturelle Fachkräftemangel am Arbeitsmarkt hat sich durch die Corona-Krise noch einmal deutlich verschärft. Die OECD in Berlin wollte in einer hochkarätig besetzten Diskussionsrunde wissen, wie unterschiedlich Deutschland, Österreich und die Schweiz davon betroffen sind und wie sie darauf reagieren.
Wichtigste Erkenntnisse: Alle drei Länder haben den größten Mangel bei den höheren und mittleren Qualifikationen, in Österreich ist er auch bei den gering Qualifizierten höher als bei den Nachbarn. Bei der Beschäftigungsquote der über 60-Jährigen liegt Österreich – auch wegen des niedrigeren Pensionsalters – weit hinter der Schweiz und Deutschland, zudem hapert es an der Weiterbildung bei den Älteren. Dadurch gingen früh Kompetenzen verloren, so die OECD.
Überdurchschnittlich hoch ist die Teilzeitquote bei Frauen, wo aus Sicht der OECD viel Potenzial für den Arbeitsmarkt liegt. Den größten Unterschied zur Schweiz gibt es bei der gesteuerten Arbeitsmigration. Während die Schweiz bei der Attraktivität für ausländische Fachkräfte im weltweiten OECD-Vergleich an dritter Stelle liegt, ist Österreich weit abgeschlagen auf Rang 17.
Liberaler Arbeitsmarkt
„Wir haben einen sehr liberalen Arbeitsmarkt, zahlen die höchsten Löhne, haben eine geringe Besteuerung, gute Arbeitsbedingungen und es ist auch nicht ganz hässlich, in der Schweiz zu leben“, fasste Boris Zürcher, Leiter der Direktion Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft in Bern, zusammen. Die Standort-Attraktivität der Schweiz könne aber „nicht so einfach kopiert werden“, fügte er hinzu.
Was Österreich von der Schweiz lernen könne sei die konsequentere Aus- und Weiterbildung, meinte Arbeitsminister Martin Kocher. In der Schweiz erledigt der Staat nur die Grundausbildung, betriebliche Skills sind primär Aufgabe der Betriebe und ihrer Branchenverbände. „Es ist nicht Aufgabe des Staates, die Arbeitskräfte fixfertig den Betrieben hinzustellen“, betonte Zürcher. Die Kantone würden gegenseitig im Standort-Wettbewerb stehen und sich daher mehr anstrengen.
Um für Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern attraktiver zu sein, schlug Wifo-Chef Gabriel Felbermayr vor, dass Deutschland, Österreich und die Schweiz als gemeinsamer DACH-Arbeitsmarkt auftreten. „Wir treten da in Europa sehr national auf, das macht uns im Unterschied zu den USA kleiner als wir sind“, so Felbermayr mit Verweis auf die Personenfreizügigkeit zwischen den Ländern. Generell müsse die Arbeitsmobilität höher werden.
Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung
Wenn es um mehr Ganztagsjobs für Frauen gehe, sieht Felbermayr auch Deutschland als Vorbild. Hier gäbe es einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung. Dieser habe schon extrem viel bewirkt: "Frauen wissen, sie können sich verlassen und sind nicht auf Goodwill von Arbeitgebern angewiesen." Kocher erinnerte daran, dass es bei Kinderbetreuung und -erziehung auch um die Nachmittagsbetreuung gehe: "In Österreich ist das Problem besonders ausgeprägt", er unterstütze jede Maßnahme zur Verbesserung, so der Minister.