Wirtschaft

MAN macht Tempo bei Werksschließung in Steyr

MAN drückt bei der geplanten Schließung des Werks in Steyr aufs Tempo: So ist aus Unternehmenskreisen zu hören, dass bereits im Mai stufenweise die Produktion zurückgefahren werden soll. Die Belegschaft wird offenbar heute, Mittwoch, über einige Eckpunkte informiert. Auch wird mittlerweile nicht mehr von einer Schließung bis 2023, sondern bis Ende 2022 gesprochen - eine Änderung des Wordings, denn gemeint war immer der Jahreswechsel 2022/23, die aber Druck macht.

Bereits nach dem mit 64 Prozent deutlichen "Nein" der Mitarbeiter zum von der Zentrale gewünschten Übertritt in die WSA Beteiligungs GmbH von Siegfried Wolf hatte MAN bekanntgegeben, dass man die Hälfte der rund 280 Leasingarbeitskräfte - in einem späteren Schritt auch die restlichen - abbauen und erste Schließungsschritte einleiten werde. Nun liegt offenbar bereits ein grober Fahrplan für letztere vor: Ab Mai sollen nach und nach die Tagesquoten reduziert werden. Betroffen davon sollen die Lkw-Montage, die Fahrerhaus-Ausstattung und die X-Fahrerhausproduktion sein. Die Modifikation der schweren Fahrzeugreihe soll bis 3. Mai, die Sonderfahrzeuge-Produktion bis Mitte des Monats auslaufen. MAN will das ohne Verschiebung oder Aufgabe von Aufträgen durchziehen. Die Mitarbeiter wurden auch informiert, dass entgegen den bisherigen Usancen die Öffnung der Kunststoff-Lackiererei an den Zwickeltagen im Mai und Juni notwendig sei.

MAN hatte immer klargestellt, dass es für den Konzern keine andere Alternative zur Wolf-Übernahme gebe als die Schließung des Werks mit rund 2.300 Beschäftigten (inkl. Leasing-Personal). Nach wie vor pocht man bei MAN darauf, dass es keine anderen tragfähigen und nachhaltigen Angebote gebe. Die Belegschaftsvertretung liebäugelt jedoch mit dem Green-Mobility-Konzept eines österreichischen Konsortiums, das sich aber noch nicht mit Details aus der Deckung gewagt hat, und sieht auch andere Interessenten.

Verhärtet dürften die Fronten auch in Sachen Sozialplan sein: Am Montag dieser Woche haben in Steyr die Verhandlungen darüber begonnen. Der Betriebsrat will über "einen Sozialplan mit doppelter Freiwilligkeit", wie er bei MAN in Deutschland gelte, reden. Damit meint er, dass Arbeitnehmer nur von sich aus das Werk verlassen sollen und mit dem Sozialplan nicht die Schließung des Werks verbunden sein dürfe. MAN geht hingegen davon aus, dass ein neuer Sozialplan auf Basis der Schließung verhandelt werden muss und alle Mitarbeiter gekündigt werden. Daraus lässt sich die Rechnung ableiten: Der Topf muss nun für mehr Leute reichen als es bei einer Wolf-Übernahme der Fall gewesen wäre.

Der eigentliche Knackpunkt ist hier die Frage, ob die Standortgarantie, die MAN aufgekündigt hat, immer noch gültig ist. Die Belegschaftsvertretung geht schon davon aus und meint, dass man dann ja keinen Sozialplan bräuchte. MAN hingegen hält den Vertrag für hinfällig. Beide Seiten stützen sich auf Rechtsexpertisen. Die Gewerkschaft bekam zuletzt Rückenwind durch eine Einschätzung des Linzer Zivilrechtlers und JKU-Rektors Meinhard Lukas, der die Rechtsauffassung vertritt, dass im Falle einer Schließung Kündigungsentschädigungen bis zum Jahr 2030 fällig werden. Dabei könne es sich um Milliardenbeträge handeln.

Was eine Schließung für die Region bedeuten könnte, hat kürzlich eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo im Auftrag der Arbeiterkammer gezeigt: Demnach wären inklusive Zulieferern und induzierten Effekten rund 5.900 Jobs bedroht. Die Studie zeigt auch, wie bedeutend die Branche für die Region und darüber hinaus ist: Insgesamt würden derzeit rund 6.000 Leute - das sei ein Viertel der Beschäftigten in Steyr bzw. jeder sechste Mitarbeiter der österreichischen Kfz-Industrie - dort Arbeit haben. Mit der gesamten Autoindustrie in Steyr, die im wesentlichen von MAN und BMW getragen wird, seien demnach rund 20.000 Arbeitsplätze österreichweit verknüpft. BMW hatte am Dienstag verkündet, man wolle die Belegschaftsstärke - rund 4.400 Personen - in Steyr stabil halten.