Wirtschaft/Karriere

Generation Y: "Wir wollen schnelle Erfolge"

KURIER: Wie verloren sind die Ypsilons aus Ihrer Sicht?

Georg Obermeier: Gar nicht. Ihre Werte sind anders. Für meine Generation war es wichtig, ein Auto zu haben, das ist für meine Kinder total sinnlos. Dafür sind für sie elektronische Devices und soziale Netzwerke immens wichtig. Sie kommunizieren nicht mehr über eMail, sondern nur noch über schnelle Messenger-Dienste. Ich glaube, sie sind anders materiell, denken und kommunizieren viel breiter.

Hannes Ametsreiter: Ich komme aus der Generation Tastatur, die Ys sind die Generation Display. Von der Einstellung hat sich viel verändert. Der Sharing-Ansatz (Anm.: teilen und ausborgen statt besitzen) ist weit verbreitet, aber erst am Anfang der Entwicklung. Das Internet schafft Voraussetzungen, zu extrem niedrigen Kosten neue Services auf den Markt bringen zu können. Das verändert die Wirtschaft. Wir sind nicht mehr bei einer Arbeitsethik der 80er. Die Ys wollen eine vernünftige Balance zwischen Freizeit-, Familien- und Arbeitsleben und einer Karriere nicht alles unterordnen.

Asdin el Habassi: Die Mobilität hat sich doch nur verändert – früher war’s das Auto, jetzt ist es das Tablet oder das Smartphone. Der Sinn ist immer derselbe gewesen: Man will in Kontakt zu anderen Menschen sein – früher ist man hingefahren, jetzt geht das virtuell. Alles ist auch sehr viel schneller geworden, man nützt Möglichkeiten breit und parallel. In der Berufswelt definieren die Ys Work-Life-Balance völlig anders: Nicht 40 Stunden arbeiten und dann Freizeit, sondern freie Einteilung, wann wir arbeiten und wann wir leistungsbereit sind.

Wie kommt dieser Fokus auf Work-Life-Balance bei Firmenchefs an? Was denken Sie, wenn ein Akademiker vorstellig wird, der erklärt, um 17 Uhr muss Dienstschluss sein?

Hannes Ametsreiter: Mir fehlt da oft die Begeisterungsfähigkeit. Wenn ich das nicht spüre, dann ist die Person bei uns sowieso falsch. Ich muss merken, dass jemand bereit ist, sich für unsere Themen zu begeistern. Dann nehmen wir als Konzern auch gerne auf uns, an unseren flexiblen Arbeitsmodellen zu arbeiten. Aber man wünscht sich natürlich junge Menschen, die für eine Aufgabe brennen.

Geht das noch? Kann man die Jungen begeistern?

Hannes Ametsreiter: Ich glaube ja.

Asdin el Habassi: Ich glaube, dass man junge Menschen gar nicht immer begeistern muss, sondern dass sie begeistert sind, wenn man sie tun lässt. Meine Generation will in ihrer Arbeit Sinn sehen und Erfüllung finden. Da können Unternehmen viel beitragen, indem sie gewisse Gestaltungsfreiräume schaffen. Etwa ein Studium nach fünf Jahren Arbeit ermöglichen.

Georg Obermeier: Wir machen in unserem Unternehmen von Anfang an klar, dass wir sehr Performance-orientiert sind. Wir haben deshalb auch junge Menschen, die kommen und nach dem Bewerbungsgespräch sagen: das ist mir zu stressig. Die sind dann bei uns nicht richtig. Bei Microsoft gibt es viel Freiheit, aber wir messen die Leistung jedes Einzelnen ganz klar. Ich würde aber nicht sagen, dass die jungen Leute generell keine Ambition haben.

Asdin el Habassi: Die Leute wollen schon was leisten, hauen sich auch rein. Aber wollen auch Wertschätzung und das Gefühl, dass sie selbst Dinge entwickeln können.

Die Erwartungshaltung der Jungen an den ersten Job ist groß. Ist sie gar überzogen?

Hannes Ametsreiter: Wir sehen das nicht, ich spüre da viel positive Stimmung. Aber: Man muss die Menschen gut auswählen. Das Thema Bildung ist wesentlich. Es ist zum Teil erschreckend, mit welchen mangelnden Kenntnissen sich junge Menschen vorstellen.

Fehlt es fachlich oder persönlich?

Hannes Ametsreiter: Mitunter beides.

Georg Obermeier: Die Erwartungshaltungen sind nicht zu hoch. Es geht den jungen Menschen weniger ums große Geld, viel mehr darum, einen guten Job zu finden. Die Leute kommen zum Teil sehr gut ausgebildet, finden aber dann keine passenden Jobs.

Weil der Arbeitsmarkt sehr schwierig ist und gute Jobs rar. Wie gehen die Jungen damit um?

Asdin el Habassi: Die Jungen haben, trotz aller Flexibilität, ein Grundbedürfnis nach Sicherheit. Sie wollen für Leistung Entwicklungsmöglichkeiten. Kein junger Mensch will 40 Jahre lang den gleichen Job machen, wir wollen schnelle Erfolge und und nicht lange die Karriereleitern hochdienen.

Die Bleibedauer der Ypsilons in Unternehmen liegt bei drei, vier Jahren. Wie könnte man sie länger halten?

Georg Obermeier: Wir haben sehr ausgeklügelte Karrierepläne für Mitarbeiter. In der Regel füllt man einen Job drei Jahre aus, dann gibt es automatisch die Aufforderung, sich zu bewegen.

System up oder out.

Georg Obermeier: Genau. Es ist gewünscht, dass ein Mitarbeiter seine Rolle regelmäßig wechselt. Das heißt für das gesamte Unternehmen, dass es eine ständige Bewegung gibt. Der Mitarbeiter muss sich nichts Neues suchen. Das erfordert Flexibilität vom Mitarbeiter, es gibt keine Komfortzone.

Was bewegt einen Ypsilon, dass er im Unternehmen bleibt?

Abdil el Habassi: Spaß an der Arbeit. Ziele selbst definieren und erreichen. Selbstbestimmung. Das macht für uns einen attraktiven Arbeitsplatz aus. Nur ein Gehalt ist uns zu wenig.

Wie schwierig ist die Integration der Jungen in bestehende Konzernstrukturen?

Hannes Ametsreiter: Das geht relativ problemlos, weil es immer schon so war, dass neue Generationen nachgekommen sind. Da entstehen Wechselwirkungen, das formt das Unternehmen und das braucht es auch.

Georg Obermeier: Wir achten auf die Diversität in unserem Unternehmen ganz bewusst. Und begleiten das mit Programmen, weil die Durchmischung Risiken und Chancen bringt. Wir holen die Älteren ab und schauen auf die Jungen.

Abdil el Habassi: Ich habe nicht den Eindruck, dass Generationen derzeit viele Konflikte miteinander haben.

Keine Konflikte? Die Jungen beklagen doch oft, dass die Alten mit Riesengagen leben und für die Jungen nichts übrig ist.

Georg Obermeier: Gemütlich bei Microsoft – das gibt es nicht, für keine Generation.

Hannes Ametsreiter: Ich kann das auch nicht nachvollziehen. In einem börsennotierten Unternehmen zählt die Leitung. Wir wollen auch alle fair behandeln.

Abdil el Habassi: Die Kluft zwischen Jung und Alt gibt es definitiv. Vor allem in alten, bürokratischen, hierarchischen Unternehmen. Wir wünschen uns gleiche Messlatten. In der Politik habe ich den Eindruck, dass es besser geworden ist: die Jungen werden ernster genommen.

Die Ypsilons machen Sozialforschern, Firmenbossen und Eltern das Leben schwer. Wer sind diese von 1985 bis 2000 Geborenen, die jetzt nach und nach erwachsen werden und ins Erwerbsleben einsteigen? Kuschel-Generation nennt sie das Handelsblatt; Performer, Styler, Egoisten sagt Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier. Als heimliche Revolutionäre bezeichnet sie Klaus Hurrelmann in seinem neuen Buch.

Fest steht, dass die Ypsilons keinen festen Plan haben. "Sie wissen, dass die Welt morgen wieder ganz anders aussehen kann. Sie vertrauen auf nichts, für alles, was sie tun, gibt es noch eine Option B, C und D", sagt Klaus Hurrelmann, Berliner Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswissenschaftler und Herausgeber der Shell-Jugendstudie. Sie wollen keine Verbindlichkeiten, legen sich nicht fest, leben die volle Flexibilität.

Why?

"Die Heranwachsenden sind Improvisatoren, Sondierer und Egotaktiker. Mit der zentralen Frage nach dem Sinn: Das Y, also ,Why?‘ (Warum?), wird zum Merkmal dieser Generation", sagt Hurrelmann. Sie hinterfragen Grundsätze in Arbeit, Familie, und Politik, weil sie in einer gewaltigen Umbruchsphase leben. Diese Generation hat akzeptiert, dass sie das Wohlstandsniveau der Eltern nie erreichen wird. Damit leben sie gut, "irgendwie glauben sie, dass sie durchkommen, weil die meisten auch als Erwachsene auf die Unterstützung der Eltern setzen können", so Hurrelmann. Die Ypsiloner sind die Ersten nach dem Zweiten Weltkrieg, für die Wirtschaft und Sozialstaat nichts mehr übrig haben. Die Zahl sozialversicherter Vollzeitjobs für Berufseinsteiger nimmt ab, die Mieten steigen, das Versprechen, die Pensionen seien sicher, glaubt heute kein Junger mehr. Zusätzlich hat eine Kette von Krisen diese Jugend geprägt: der Terror vom 11. September, die Banken-, Finanz- und Wirtschaftskrise durch die Lehman-Pleite, der Atom-Super-GAU in Fukushima, Klimakatastrophen. Daraus haben die Ys gelernt: Nichts ist mehr sicher. Und: Es geht immer irgendwie weiter.

Nichts ist fix

Auch Politik und Arbeitgeber haben die Einstellung der Jungen mitgeprägt. Die Bildungspolitik produziert systematisch unselbstständige Absolventen – durch kurze Bachelor-Programme, die ein verschultes System strapazieren statt den freien, akademischen Diskurs fördern. Hinzu kommen Eltern, die überbehüten und zu Unselbstständigkeit erziehen.

Die Generation Y hat trotzdem hohe Anforderungen an die Arbeitgeber. Sie wollen alles, auch wenn es sich widerspricht: Firmen sollen sie an der Hand nehmen und Orientierung bieten, gleichzeitig fordern sie selbstbestimmtes Arbeiten und freie Zeiteinteilung. Sie wollen Sicherheit im Job bei voller Flexibilität für Familie und Freizeit. Um 18 Uhr soll Dienstschluss sein. Kritiker sagen, den Jungen fehle die Entdeckerfreude, der Antrieb, etwas verändern zu wollen. In den Erschöpfungsmodus, den sie von ihren Eltern kennen, wollen sie erst gar nicht kommen.

Die wohl intensivste Erfahrung für die Generation Y: Sie wird im Unklaren gelassen, ob die Gesellschaft sie überhaupt braucht. Praktika, Zeitverträge, Leih-, Werksarbeit und Arbeitslosigkeit sind alltäglich geworden. Wer heute seine Ausbildung abschließt, steht trotzdem mit nichts da – und findet längst nicht immer einen guten Job. Nur noch ein Teil der Generation Y kann den traditionellen Mustern von Karriere folgen. Mindestens ein Drittel muss mit Teilzeitjobs und Kettenverträgen rechnen oder wird vorübergehend arbeitslos. 30 bis 40 Prozent der jungen Leute steigen heute prekär ins Erwerbsleben ein.