Wirtschaft/Karriere

Die weibliche Seite des Militärs

Sie vergleicht die Disziplin der Klosterschule mit der des Militärs. „Wenn man beides kennengelernt hat, ist das nicht so weit voneinander entfernt“, sagt Sylvia Sperandio, Humanmedizinerin und seit der ersten Stunde beim Bundesheer. Die hat für Frauen am 1. April 1998 geschlagen, damals wurde das Heer auch für Frauen zugänglich gemacht. Sperandio war eine der Ersten, die in den Ausbildungsdienst gegangen ist: In die 2. Panzeraufklärungskompanie/Aufklärungsbataillon 3 in Mistelbach an der Zaya – so heißt das in der Fachsprache.
Angestrebt hat sie das Bundesheer natürlich nicht, war ja nicht möglich. Als das Gesetz geändert wurde, habe man sie angeworben – sie war schon bekannt, hatte sich zuvor in einen Notfallskurs des Bundesheers geschummelt. Heute ist sie verantwortlich für die militärische Luftfahrtmedizin und die Truppenhygiene, ist im Offiziersrang, Dienstgrad: OberstArzt.

Ohne Vorbilder
Sie war erster weiblicher Offizier, erster weiblicher Kommandant, erste Soldatin, die im Ministerium auf dieser Ebene arbeitet. Viel Pionierarbeit, über die sie selbst witzelt: „In die Geschichtsbücher gehe ich wahrscheinlich erst post mortem ein, wenn überhaupt.“ Die Erste zu sein, sei schwierig, speziell, wenn man in eine derart männerdominierte Organisation eintrete. „Ich hatte kein weibliches Vorbild, das war nicht leicht.“ Man habe sie ins kalte Wasser gestoßen, ihr eine Kommandantenfunktion gegeben, eine harte Zeit. Die Akzeptanz sei ambivalent gewesen: „Freude über den Fortschritt und Frauen auf der einen Seite, vor allem für Ältere war ich als junge Kommandantin aber ein Störfaktor.“
Beirren hat sich Sperandio von Querschüssen und Gegenwehr nie lassen. Anfänglich tendiere man dazu, sich zu assimilieren, „um in irgendeiner Form dazuzugehören.“ Das lege man mit der Zeit ab, denn mit Funktion, Alter und einem bekannten Namen innerhalb des Heeres könne man zunehmend seinen eigenen Stil haben.
Stark und selbstbewusst und zumal streng, das sei sie gerne. „Natürlich gibt es einen Befehlston beim Heer, kurze, prägnante Aufträge, aber das liegt mir“, scheut sie sich nicht zu sagen. Das sei aber nicht nur beim Militär notwendig. Wenn sie notärztlich arbeite, gebe es auch keine Diskussionen. Klar und kurz in den Befehlen zu sein, müsse man aber üben: „Weil der Soldat macht exakt das, was ich ihm befehle, nicht mehr und nicht weniger.“ Menschlichkeit gehe trotzdem nicht verloren. „Als Ärztin habe ich da auch eine gewisse Doppelrolle – und die ist anders, wenn ich mit einem Patienten spreche.“

KURIER: Wie verschaffen Sie sich Respekt?
Sylvia Sperandio: Durch Authentizität.

Wie gehen Sie mit Angriffen um?
Kurzfristig defensiv, um die Lage zu beurteilen und dann aggressiv, wenn es notwendig ist. Ich deute aggressiv hier aber im lateinischen Sinn: an die Sache herangehen.

Sie sind als Frau im Bundesheer zahlenmäßig und körperlich unterlegen. Wie sehr ist das Thema?
Zur Minderheit: Wir haben leider nicht die Anzahl, die wir bräuchten um in der Menge wirklich eine Stimme zu haben. Aber weil wir so exotisch sind, kann man mit dem etwas sehr Großes bewirken. Ich versuche, das zum Vorteil zu drehen. Zur körperlichen Unterlegenheit: Klar, es gibt Arbeiten im Heer, die bedürfen großer körperlicher Fitness, aber die können auch nur wenige Männer bestehen, wir sprechen hier von einer Elite. Viele andere Funktionen haben aber nichts mit körperlicher Kraft zu tun. Frauen können hier eine Top-Karriere machen.

Wie führen Sie?
Ich bin sehr situativ und variabel. Es kommt darauf an, in welcher Ebene ich meine Funktion ausübe. Wenn ich eine Kompanie Grundwehrdiener vor mir habe, muss ich konsequent sein, mehr Befehlston. Ich bin bekannt dafür, streng zu sein. Mit meinen Mitarbeitern in meinem Team gehe ich anders um.
Im Militär gibt es sehr strenge Hierarchien. Ist das ein Vorteil?
Es ist absolut notwendig. Hierarchien kommen meiner Persönlichkeitsstruktur sehr entgegen. Wobei ich sagen muss: Ich habe eine große Bandbreite – kann mit einem Patienten reden und ein Bataillon mit 250 Menschen führen.

Das Kriegerische am Heer hat Sie nie gestört?
Ich sehe das nicht so: Ja, es ist ein Militär, ich sehe unsere Einsätze aber viel mehr als friedenssichernd und friedensunterstützend.

Womit haben Sie als Pionierin am meisten gekämpft?
Mit dem Sonderstatus als Frau.

Sylvia Sperandio wurde 1966 in Vöcklabruck (OÖ) geboren. Heute ist sie Referentin für Militärische Luftfahrtmedizin beim österreichischen Bundesheer. Rang: OberstArzt (nach OberstleutnantArzt, MajorArzt, Kommandantin, HauptmannArzt). 1993 Promotion, Doktorin der gesamten Heilkunde (Uni Wien).
Zusatzausbildung, Ausland Diplome in Tropenmedizin, Akupunktur, Notarzt, Alpin- und Höhenmedizin, TCM. MBA, MAS.
Katastropheneinsätze bei Lawinen, Hochwasser, Erdbeben, Flut. Ungezählte Auslandseinsätze.
Bundesheer in Zahlen 1998 wurde das Bundesheer für Frauen geöffnet, rund hundert Frauen versahen 1999 Militärdienst. 366 Frauen gibt es heute, 15 Jahre nach der Öffnung, beim Bundesheer. 84 davon sind im Ausbildungsdienst, 127 als Unteroffiziere, 70 als Offiziere und 24 im Auslandseinsatz.