Quentin Tarantino: "Ich bin kein zorniger, junger Mann mehr!"
Von Elisabeth Sereda
Der lang erwartete Film des Kult-Regisseurs premierte Dienstagabend in Cannes. Und überraschte das begeisterte Publikum: Once Upon a Time ... in Hollywood ist nicht die typisch "tarantinoesque" Blutoper, sondern ein sentimentaler Liebesbrief an eine längst vergangene Ära der glitzernden Filmmetropole. Oder auch ein Traum dessen, was sie einmal war.
Der KURIER sprach mit dem Regisseur über seinen ersten Film, der eine direkte Hommage an Hollywood.
KURIER: Hatten Sie diesen Film immer als Liebeserklärung an Hollywood angedacht?
Quentin Tarantino Ja, wobei ich hier nicht nur Hollywood als Begriff, als Namen für die Filmindustrie meine, sondern auch geografisch, als die Stadt. Das Los Angeles meiner Kindheit.
Es geht im Film über die Manson-Morde, Sharon Tate und die Stars der 60er Jahre. Welche Erinnerungen haben Sie an diesen Tag?
Ich war sechs oder sieben, und erinnere mich ganz genau: an die TV-Station, die die Nachricht vom ‚Horror-Haus‘ als erstes gebracht hat, an die Radiostation, 93 KHJ, die den ganzen Tag darüber berichtete, und die Discjockeys und wie sie darüber gesprochen haben. Wir spielen das durch den ganzen Film hindurch.
Was qualifiziert Sie im Speziellen, diese Geschichte zu erzählen?
Ich bin in der beneidenswerten Position, dass ich zwar alt genug war, um zu verstehen, was da passiert ist, aber nicht so alt, dass ich nicht einen sehr farbenprächtigen Film über die Ära machen kann.
Es heißt immer wieder, dass Hollywood heute nicht mehr so viele Stars produziert wie früher. Brad Pitt und Leonardo DiCaprio sind die Hauptdarsteller Ihres Films. Sind das die einzigen wahren Stars, die wir noch haben?
Sie haben vollkommen recht. Wenn die nicht die Einzigen sind, wüsste ich gern, wen es noch gibt… Julia Roberts vielleicht. Und es stimmt, heute gibt es Promis, nicht Stars. Was ich sehr traurig finde.
War Margot Robbie die perfekte Besetzung für Sharon Tate?
Wenn nicht perfekt, dann verdammt nahe dran. Ich glaube, dass Margot eine größere Glaubwürdigkeit als Schauspielerin besitzt, als Sharon Tate es je hatte. Wobei das vielleicht erlangt hätte, wäre sie nicht so jung und tragisch ums Leben gekommen. Ich habe mal mit Warren Beatty über sie gesprochen, und er hat zu meiner Verwunderung gemeint, dass er sie fast als Bonnie in Bonnie und Clyde engagiert hätte. Er hat also ein Talent in ihr gesehen.
Haben Sie mit Roman Polanski über den Film gesprochen?
Ja, er hat sich gemeldet, als er hörte, dass ich diese Geschichte drehen will und wir haben dann über einen gemeinsamen Bekannten kommuniziert, der ihm das Drehbuch geschickt hat, worauf er dann mit Vorschlägen reagiert hat. Dafür war ich ihm sehr dankbar.
Die Schriftstellerin Joan Didion hat einmal gesagt: „Viele Menschen, die ich in Los Angeles kenne, sind davon überzeugt, dass die Sixties ganz abrupt am 9.August 1969, genau in dem Moment, wo die Nachricht der Morde am Cielo Drive wie ein Fegefeuer durch die Gesellschaft brannte, geendet haben.“ Stimmen Sie dem zu?
Absolut, aber ich sehe da auch noch einen anderen Aspekt. Bei den Oscars 1967 gewannen Filme wie Reifeprüfung und Bonnie und Clyde, und das neue Hollywood wusste nicht, dass es gewonnen hatte, und das alte Hollywood nicht, dass es verloren hatte. Aber ein Jahr später war das allen klar. Das neu, das Hippie-Hollywood hatte begonnen.
Sie feiern in Cannes ein großes Jubiläum. Vor 25 Jahren hatten Sie hier Ihren großen Durchbruch mit Pulp Fiction. Wiesehr hat sich seither alles verändert?
Was ich meisten vermisse ist, dass wir damals alles auf Film gedreht haben, nicht digital. Und dann natürlich das tatsächliche unabhängige Kino, das es in den 1990ern gab, und dem von den Studios und dem Kabel- und Streaming-TV der Garaus gemacht wurde.
Sie sagten immer, dass Sie nach 10 Filmen in Pension gehen werden. Das hier ist jetzt Ihr neunter. Wollen Sie immer noch nach dem nächsten aufhören?
Haha, ja, das ist immer noch mein Plan. Ich denke, dass ich ein reifer und bewährter Filmemacher bin und alles gemacht habe, was ich machen wollte. Und damit ist es Zeit, die Pferde heim in den Stall zu bringen.
Und Sie haben geheiratet.
Ja, ich bin der glücklichste Mann! Ihr Name ist Daniela, sie ist ein Model und eine Sängerin in Israel, und ich wusste gar nicht, was mir vorher alles abgegangen ist. Es war auch das erste Mal, dass ich einen Film machte und gleichzeitig in einer ernsten Beziehung war. Früher habe ich das Drehen immer wie eine Mount Everest-Besteigung betrachtet, diesmal haben wir Everest gemeinsam erklettert.
Wie hat Sie die Ehe verändert?
Ich bin kein zorniger, junger Mann mehr!