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Marion Mitterhammer: Wie spielt man eine Mörderin?

Es ist kaum etwas so faszinierend wie die dunkle Seite, das Böse, welches manchmal gar nicht so tief verborgen im Menschen schlummert. Was geht in ihnen vor, was treibt sie an, die Psychopathen und Soziopathen dieser Welt? Schauspielerin Marion hat sich dessen jetzt angenommen. In ihrem neuesten Film „Frau Loybner“, den sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Hans-Günther Bücking produzierte, spielt sie eine Bardame, die ihren jüngeren Liebhaber umgebracht hat. Aus Liebe, wie sie behauptet. Ein Profiler (gespielt von Helmut Bohatsch) soll herausfinden, ob das stimmt. War es wirklich Liebe oder ein kaltblütiger Mord? Einen über viele Jahre hin geschärften Blick auf solche Dramen im wahren Leben hat Verhaltensanalystin und Buchautorin Patricia Staniek. Der KURIER traf die beiden Damen zum spannenden Talk über menschliche Abgründe.

KURIER: Frau Mitterhammer, wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?

Marion Mitterhammer: Seit ich denken kann, habe ich als Schauspielerin eine ganz große Zuneigung zu Figuren, die in die Tiefe gehen. Das Psychopathische und das Soziopathische, da war mir der Unterschied nicht so bewusst, aber instinktiv kann ich sagen, dass mich so etwas immer fasziniert hat. Das ist ein Thema, das mich schon lange verfolgt und das hab ich immer gern beobachtet. Und in diesem Fall ist es so, dass mein Mann, der auch das Drehbuch geschrieben hat, mit dem wir übrigens auch auf Theatertournee gehen werden, auch einmal in einem Gefängnis in München für einen Film über Frauen, die ihre Männer umgebracht haben, recherchiert hat. Und da hat er mir sehr viel Sekundärliteratur gegeben. Tonbandaufzeichnungen, Gespräche. Aber wichtig ist bei mir immer, dass es mich einfach wahnsinnig fasziniert hat und mich diese Art von Figuren immer angezogen haben.

War Ihnen das bewusst, dass die Mimik, die Gestik bei so etwas eine sehr große Rolle spielt?

Die Mimik und die Gestik – darüber denk ich nicht nach, sondern mein Vorgang als Schauspielerin ist immer ein anderer. Ich befasse mich mit dem Text und Mimik und Gestik ist etwas, das daraus entsteht. Ich muss wissen, was ich sage. Aber das gehört zum Handwerk eines Schauspielers. Ich muss Bescheid wissen über das, was ich spiele. Dann ergeben sich die anderen Dinge automatisch. Ich muss die Figur ziemlich genau kennen.

Frau , worauf muss man als Schauspielerin bei so einer Rolle achten, wie spielt man eine Mörderin?

Patricia Staniek: Wenn sie eine Psychopathin spielt, dann zeigt sie Gefühle und Nicht-Gefühle. Und meistens zeigt sie Gefühle falsch. Von Seiten des Profilers ist es so, dass du einmal schaust, was ist da, aber auch was ist nicht da. Wenn ich jetzt eine Psychopathin vor mir habe, ich nehme jetzt einmal als Beispiel Diane Downs. Das ist eine Serienmörderin, die ihre Kinder umgebracht hat, weil sie einfach im Weg waren. Diese führte Gespräche mit einer Psychologin, die herausfand, dass da etwas nicht stimmt, dass Downs nicht trauert und keine Gefühle zeigt. Ja, damit hatte sie schon Recht, aber da war noch etwas anderes da. Das hat die Psychologin übersehen. Das war die Verachtung, die Mikromimik für Verachtung (Anmerk. d. Red.: Mundwinkel oder Oberlippe hebt sich einseitig). Natürlich hat die nicht getrauert, weil sie als echte Psychopathin keinen Anteil für Trauer hat. Sie hat als echte Psychopathin auch keinen richtigen Teil für Liebe. Wenn der Psychopath ‚Liebe‘ sagt, heißt das ‚Ich liebe ein Objekt, das mir Nutzen bringt‘. Und ein Psychopath zeigt halt relativ wenig Mimik, weil bestimmte Bereiche im Gehirn nicht vorhanden sind. Also wenn man in einem Film einen Psychopathen spielt, muss das sehr subtil ablaufen. Da sind diese feinen Dinge da, die der Zuseher zwar spürt, aber gar nicht so richtig fassen kann und damit kann man so eine Rolle noch spannender machen.

Frau Staniek, wenn Sie sich solche Filme ansehen, wo es um soziopathische/psychopathische Mörder geht, können Sie diese Filme als Zuseher genießen oder sind Sie da auch verleitet zu analysieren?

Patricia Staniek: Es gibt beides. Also es gibt Filme, wo ich mir denke: Hey, das ist sensationell. Der fühlt das, der spürt das, hat instinktiv die richtige Haltung, die richtige Einstellung, verwendet das richtige Wording. Jeder Persönlichkeitsanteil oder jede Persönlichkeitsstörung hat ihre bestimmten Verhaltensmuster. Und wenn diese Verhaltensmuster passen, dann kann ich das durchaus auch genießen. Es kann aber sein, dass diese Verhaltensmuster nicht zur Rolle passen. Es kann sein, dass die eigentlich einen Psychopathen mimen wollen und dabei  zum Beispiel ganz viele Verhaltensmuster von einem Borderliner an den Tag legen. Auf der einen Seite haben wir eine Persönlichkeitsstörung und auf der anderen Seite eine psychologische Erkrankung. Das ist ein sehr großer Unterschied. Wenn es aber zusammenpasst, dann kann ich es durchaus genießen. Mir fällt allerdings schnell auf, wenn es nicht passt. (schmunzelt)

Frau Mitterhammer, wann können wir jetzt Ihren neuen Film sehen?

Marion Mitterhammer: Der Film ist jetzt in der Endproduktion und geplant ist, dass er am 15. August fertig ist – Deadline. Und dann wird er auf Festivals gezeigt, also das weiß ich schon, aber ich darf noch nicht sagen wo. Aber er wird seinen Weg machen, da bin ich mir ziemlich sicher.

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Man merkt übrigens, dass sich zwischen Ihnen beiden eine gewisse Dynamik ergeben hat, das Thema scheint Sie, Frau Mitterhammer, wirklich zu fesseln.

Marion Mitterhammer: Ich bin generell ein unglaublich neugieriger Mensch und das ist natürlich Futter für einen Schauspieler. Also all diese Dinge, die Patricia hier erzählt, das ist das, was wir immer gerne spielen und hier ist eine, die hat das wirklich studiert! Abgesehen davon, dass ich sie einfach jetzt schon mag. Und das Ganze interessiert mich wirklich sehr: Wie agieren und fühlen solche Menschen wirklich? Ich kann das ja immer nur spielen.

Patricia Staniek: Wenn du von diesem 'Overacting' weggehst und dich auf eine Rolle einfach einlässt, dann machst du oft intuitiv das Richtige. Es gibt ganz, ganz viele Schauspieler in Österreich, die das nicht spüren, die einfach versuchen, eine Rolle technisch aufzubauen und das merkt man auch. Es gibt auch ein, zwei gute in Österreich, wo man gleich merkt, die spüren das wirklich. Konstanze Breitebner ist so eine. Da habe ich mal ein Stück von ihr gesehen und da hat jede Emotion gepasst. Es gibt auch welche, wo ich mir denke: Bitte, lasst mich den Kopf wieder ausschalten. (lacht)

Also muss man, um gut schauspielern zu können, zwangsläufig ein empathischer Mensch sein?

Patricia Staniek: Natürlich, weil du dich auf eine Rolle einlassen musst. Du musst dich öffnen dafür. Du musst auch diese Rolle spüren. Du musst wissen, welche Verhaltensmuster zu so einer Rolle dazugehören. Da gehört nicht nur das körpersprachliche Muster sondern auch das sprachliche Muster, das stimmliche Muster dazu.

Marion Mitterhammer: Es ist ein Handwerk und man muss gut beobachten können und alle Sinne offen haben. Und dann, wenn es drauf ankommt, schauen, dass du das irgendwie reproduzieren kannst. Ich bin fast 30 Jahre in dem Beruf, aber man muss das üben. Man darf nicht nachlässig werden. Man muss streng mit sich sein. Was ich auch glaube, man  muss jede Rolle neu anschauen.