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Danielle Spera über Fremdenhass

freizeit: Frau Dr. Spera, Sie waren der Nachrichten-Star des ORF, jetzt sind Sie Direktorin des Jüdischen Museums. Geht Ihnen Ihr Job als ZIB-Moderatorin ab?
Danielle Spera: Ich habe mir die Entscheidung vor zwei Jahren nicht leicht gemacht, weil ich meine Arbeit im ORF geliebt habe. Aber das Jüdische Museum lag mir schon lange am Herzen.

freizeit: Sie sind Jüdin und hatten schon als Außenpolitikredakteurin des ORF ständig mit dem Thema "Fremd sein" zu tun. Wie sehr hat Sie das geprägt?
Spera: Das Wort "fremd" gibt es in meinem Sprachgebrauch nicht. Ich nenne es neugierig sein auf anderes und finde das immer spannend. Meine Familie und ich kennen Menschen aus unterschiedlichsten Regionen der Welt. Und ich bin extrem dankbar, als Journalistin Weltgegenden gesehen zu haben, in die ich ohne meinen Beruf als Reporterin nie gekommen wäre.

freizeit: Würden Sie Wien als Stadt bezeichnen, die neugierig auf anderes ist?
Spera: Österreich ist aufgrund der Nachkriegsgeschichte in einer sensiblen Situation. Nach dem Nationalsozialismus herrschte Verdrängung. Niemand wollte sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen. Die Wiener wollten die jüdische Bevölkerung nicht mehr zurück und generell mit "Fremden" nichts zu tun haben. Damals gab es auch den Begriff Fremdenzimmer, der einem in verschiedensten Urlaubsorten begegnet ist. Ich dachte mir schon als Kind, dass dieses Wort eigenartig ist. Einerseits wollte man Touristen, gleichzeitig nannte man sie "Fremde". Menschen, die von "Fremden" sprechen, bedenken nicht, dass ihre Großeltern oder Urgroßeltern vermutlich auch Einwanderer waren.

freizeit: Sind Sie eigentlich damit zufrieden, wie mit dem Thema Integration in Österreich umgegangen wird?
Spera: Wir haben eine sehr engagierte Stadträtin und einen engagierten Staatssekretär für Integration, die mit großem Einsatz an das Thema herangehen. Allerdings ist in Österreich wegen der Verdrängung in den Nachkriegsjahren sehr lange nichts geschehen. Dadurch konnte sich das Klima des Ressentiments gegenüber "Fremden" lange halten. Eine Öffnung hat erst spät mit Franz Vranitzky und seinem Bekenntnis zur Mitschuld Österreichs stattgefunden. Danach hat sich das Klima aber verändert.

freizeit: Würden Sie es nun als positiv bezeichnen?
Spera: In Österreich leben wir in einer sehr paradoxen Situation. Auf der einen Seite ist gerade Wien ein Schmelztiegel der Kulturen und verschiedensten Traditionen, da die Stadt seit jeher von Zuwanderern geprägt ist. In der Monarchie war Wien die Hauptstadt eines großen Kaiserreichs, in die viele kamen, um den wirtschaftlichen Aufschwung mitzuerleben und davon zu profitieren. Es war ein Treffpunkt für Menschen aus den verschiedensten Winkeln der Monarchie. Gleichzeitig gibt es in Wien große Skepsis gegenüber Menschen, die vermeintlich anders sind.

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freizeit: Wohin würden Sie Skeptiker in Wien schicken, um ihnen den Reiz kultureller Vielfalt näher zu bringen?
Spera: Ganz sicher in die Leopoldstadt. Im zweiten Bezirk kann man das Miteinander der Kulturen schon im Straßenbild spüren. Der koschere Supermarkt am Karmelitermarkt liegt direkt gegenüber vom türkischen Gewürzhändler und der Wiener Bäckerei. Auch das Straßenbild ist geprägt von einer Vielfalt, die das Flair dieser Stadt ausmacht.

freizeit: Macht es für Sie überhaupt Sinn mit Skeptikern über Fremdenhass zu diskutieren?
Spera: Diskussionen sind immer wichtiger als Schweigen. Bestimmte Äußerungen zu übergehen und zur Tagesordnung zurückzukehren, halte ich für keinen sinnvollen Weg.

freizeit: Vor Kurzem bat mich ein Interviewpartner nicht zu erwähnen, dass er Jude sei. Er meinte, dass Juden bei uns noch immer vielen Vorurteilen ausgesetzt seien und sein Auto vor nicht allzu langer Zeit mit dem Judenstern beschmiert worden wäre. Können Sie seine Bitte nachvollziehen?
Spera: Für mich ist es unverständlich, dass jemand seine Identität verleugnet. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden. Gerade in der jüdischen Religion ist es wichtig, zu seiner Herkunft und seiner Tradition zu stehen. Es nützt doch nichts, mit Scheuklappen durchs Leben zu gehen. Man muss aber auch sagen, dass in Österreich lange ein Klima geherrscht hat, in dem Menschen es nicht gewagt haben, ihre Identität preis zu geben. Das Land war noch immer vom Denken aus der Zeit des Nationalsozialismus geprägt. Die Situation hat sich aber mit dem Generationswechsel verbessert.

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freizeit: Mittlerweile ist es sogar so, dass das Judentum Einzug in die Popkultur gehalten hat. Kennen Sie "I got a Feeling", den großen Hit der "Black Eyed Peas"?
Spera: Ja natürlich.

freizeit: Der jüdische Begriff "Masel tov" ist dort prominent vertreten. Seither wissen viele Menschen, dass er "Viel Glück" bedeutet. Freut Sie das?
Spera: Das finde ich großartig. In den USA ist der Umgang mit dem Judentum ein ganz anderer als bei uns. Es ist dort einfach sehr stark vertreten und daher sehr präsent. Wenn Sie zu Weihnachten in Miami, New York oder Los Angeles sind, steht neben dem Weihnachtsbaum auch ein Chanukkaleuchter. Fast alle wissen über die Feste des anderen und deren Bedeutung Bescheid. Ein Lied wie "I Got a Feeling" trägt vielleicht dazu bei, das Interesse junger Leute zu wecken. Ich merke das auch bei den jüngeren Besuchern im Jüdischen Museum. Ich würde auch gerne eine Ausstellung über ‚Jiddisch" machen. Nur wenige wissen, wie viele Begriffe aus dem "Jiddischen" sich im Wienerischen wieder finden. Begriffe, die sie im Alltag immer wieder verwenden.

freizeit: Wie würden Sie ihre Religion in aller Kürze beschreiben?
Spera: Das Judentum ist eine freudige Religion, in der wir angehalten sind, das Beste aus unserem Leben zu machen – immer mit dem Blick zurück auf unsere Geschichte, unsere Vorfahren und unsere Tradition.

freizeit: Die letzte Ausstellung hieß "Fremde überall". Welches Kunstwerk gefällt Ihnen besonders?
Spera: Ich mag das Werk einer indischen Künstlerin, die den Weg der drei großen Heiligtümer in Jerusalem gegangen ist – Grabeskirche, Klagemauer und Felsendom. Sie hat jeden ihrer Schritte und den Himmel darüber fotografiert. Es gefällt mir, weil es das Verbindende und nicht das Trennende zeigt. Sehenswert ist auch ein Zeichentrickfilm, in dem sich Hunde über die Grausamkeit der Menschen von der Antike bis heute unterhalten. Durch den ungewöhnlichen Zugang, wird einem noch bewusster, wie absurd Fremdenhass eigentlich ist.

freizeit: Die Konflikte auf der Welt lassen großen Optimismus nicht zu. Haben Sie dennoch die Vision einer Welt, in der es keinen Fremdenhass gibt?
Spera: Es wäre die perfekte Vision, wenn verschiedene Kulturen und Religionen miteinander leben, voneinander lernen und einander befruchten könnten. Solche Perioden hat es im Laufe der Geschichte auch immer wieder gegeben. Im goldenen Zeitalter in Andalusien im Mittelalter haben Juden, Moslems und Christen Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft der Region gemeinsam geformt. Man darf die Hoffnung nie aufgeben.