Marie Theres Relin über Trauma, Co-Abhängigkeit und wie sie sich davon befreite
Von Lisa Trompisch
Die Schubladenbilder als Tochter von, Nichte von oder Ex von haben sie ein Leben lang begleitet. Die bekannte Familie – Mutter Mimin Maria Schell, Vater Regisseur Veit Relin, der Onkel Oscarpreisträger Maximilian Schell – waren für Schauspielerin und Bestsellerautorin Marie Theres Relin (57) oft mehr Fluch als Segen.
„Ich habe diesen Familienrucksack immer auf dem Buckel gehabt. Ich hab’ weder große Karriere durch sie gemacht, noch hab ich was geerbt. Ich hab nur diesen Namen und mein Äußeres mitbekommen, dass ich eben meiner Mutter so wahnsinnig ähnlich sehe. Es ist nicht immer einfach, das wegzustecken. Ich hab’ ja in meinem Leben etwas geleistet und bin auch Autorin schon seit über 20 Jahren. Ich existiere jetzt schon länger und trotzdem lässt man es medial nicht zu, dass ich ein eigenes Leben habe. Ich bin mittlerweile schon Großmutter, hab drei erwachsene Kinder, aber die leiden genauso darunter“, erzählt sie in der KURIERTV-Sendung „Herrlich ehrlich – Menschen hautnah“.
Die ganze Sendung:
Ihr schauspielerischer Weg war auch „ein bisschen vorgezeichnet“, ihre Mutter hat sie früh aus der Schule genommen und mit 16 nach Paris geschickt.
1987 gewann sie für „Das unverhoffte Glück“ als „Beste Nachwuchsschauspielerin“ eine „Goldene Kamera“, doch statt sich mit dem jungen Talent zu freuen, war vor allem ihr Onkel der Meinung, sie dürfe den Preis nicht annehmen. „Der Familienrat hat entschieden, meine Leistung wäre nicht dementsprechend gewesen. Ich nehme an, ein bisschen Eifersucht hing da im Raum. Ich habe sie trotzdem angenommen.“
Co-Abhängigkeit
Ihre berühmte Mutter hat ihr nicht nur ein fragwürdiges Beziehungsbild mitgegeben – man müsse leiden in Beziehungen, ohne Tränen und Hingabe gäbe es keine Liebe – sondern auch „viel Co-Abhängigkeit. Das ist wie eine Impfung gewesen.“
14 Jahre war Relin mit dem Dramatiker und Schauspieler Franz Xaver Kroetz (u. a. bekannt als Baby Schimmerlos in „Kir Royal“) verheiratet, die beiden haben drei gemeinsame Kinder – 2006 folgte die Scheidung.
Jetzt haben die beiden ehemaligen Eheleute für eine besondere Reise mit einem alten Mercedes von Teneriffa nach Wien aber doch wieder zueinandergefunden – und das Ganze sehr persönlich, jeder für sich, in einer Art Tagebucheintragungen zu Papier gebracht. Separat wurde das dann an den Verlag geschickt und zum Buch „Szenen keiner Ehe“ (eine Lesung dazu findet, heute, Freitag um 18 Uhr im Wiener Theater-Center-Forum statt) zusammengefügt.
Vor allem Kroetz spart da nicht mit teils derber Sprache, bezeichnet seine „Ex“ als fett oder thematisiert immer wieder ihr Schnarchen. Beim Lesen des Manuskripts hat Relin schon auch „Schnappatmung gehabt. Ich musste mich echt ein paar Mal überwinden und mir denken: Es ist Literatur. Ich hab ehrlich gesagt erwartet, dass irgendjemand mal sagt: Boah, das geht ja gar nicht“, erzählt sie lachend.
Und auch wenn Kroetz durchaus immer mal wieder die schönen Erinnerungen an die gemeinsame Zeit heraufbeschwört, er sogar darüber nachdenkt, was wäre, wenn die beiden noch mal heiraten würden, ist das für Relin kein Thema mehr.
„Ich liebe meine Unabhängigkeit und behalte sie auch. Das wollte ich auch in dem Buch aufzeigen. Ich wollte zeigen, dass es eine unabhängige Frau ist, die sich noch mal mit dem Ex auf diese Reise einlässt und ganz langsam sich anfängt wieder zu verstellen, wie sie es innerhalb der Ehe gemacht hat. Und je näher sie ihrem Zuhause und der Unabhängigkeit kommt, desto freier wird sie wieder.“
Großes Trauma
Und auch ein schweres Trauma hat sie in dem Buch thematisiert, den Missbrauch als 14-Jährige durch ihren Onkel Maximilian. „Ich hab das ganz bewusst zu Papier gebracht, und zwar nicht, weil ich jemand anderen an den Pranger stellen wollte, sondern weil ich mein eigenes Trauma verarbeitet hatte. Ich wusste, dass ich sehr vielen Menschen helfen kann, dass sie sich öffnen. Ich wünsche all den Menschen, die so etwas erlebt haben, dass sie den Mut finden, den Mund aufzumachen, denn sonst ändert sich nichts. Es ist keine angenehme Zeit. Es war sehr unangenehm vor der Veröffentlichung und auch danach. Ich hab Victim-Blaming vom Feinsten erlebt.“ Sie hat aber auch viele positive Reaktionen bekommen.
Mehr Unabhängigkeit
Ihrem jüngeren Ich würde sie heute sagen: „Mach’s besser. Einerseits hatte ich ein tolles Leben. Ich hab immer das Beste daraus gemacht, was geht, aber ich würde, glaub ich, mehr Unabhängigkeit von Anfang an einfordern.“
Was Marie Theres Relin für neue Projekte plant, ihr Rat an alle Eheleute und warum das "Frauenbild geradezu erschreckend zeitwendend rückwärtsgehend" ist, sehen Sie im Video oben.