Ingrid Wendl-Turković ist heute 80: „Ich bin frecher denn je“
Von Dieter Chmelar
Das große KURIER-Geburtstagsinterview beginnt gleich mit einer eingesprungenen Pirouette, um nicht zu sagen, mit einem Check an die Bande: „Rufen Sie mich doch an, wenn ich 81 bin, wenn Sie mich wirklich schätzen. Zum 80er musst du dich ja als Frau verteidigen, dass du noch aufrecht gehst und frei atmest. Du wirst auf eine Zahl reduziert. Ich habe alle Anfragen abgesagt.“
Wir schätzen Ingrid Wendl-Turković (heute, Sonntag, 80) tatsächlich: Als einst grandios-grazile Eiskunstläuferin, als seelenvolle Sportkommentatorin, als ambitionierte Autorin, als beherzte Politikerin und als zeitlose Charme- und Stilikone.
Das „süße Wiener Mädel“, nicht nur im Sinne, sondern auch im Geiste Arthur Schnitzlers, war (und blieb) die jüngste Olympiamedaillengewinnerin Österreichs aller Zeiten: Bronze 1956, mit 15 (zwischen zwei Europameistertiteln).
Sie maturierte nicht nur humanistisch, sondern auch pünktlich. Ihr Schulkamerad, Sportjournalisten-Legende Josef Metzger: „Wir haben alle zu ihr aufgeblickt. Sie hat bei Kälte, Sturm und Wind trainiert, fehlte tagelang und hat trotzdem jeden Stoff gebüffelt. Diese Disziplin, phänomenal.“
Drei Wappensprüche prägten sie: Spring über deinen Schatten, wage den großen Bogen und verinnerliche die „5 L“ - „Laufen, lieben, lernen, lachen, loben!“
Bei der Eisrevue, bei der Robert Stolz sie als „mein Herzerl“ erkor, dem er seine Melodien auf die feenhafte Figur schrieb, und bei der US-Profi-Revue „Icecapades“ hätte sie gern einen Partner gefunden, zumal sie sich „endlich sexy“ fühlte, aber „20 Prozent der Männer waren vergeben, 80 Prozent vergebens, weil homosexuell“.
Nach 25 Jahren auf Kufen empfahl ihr Udo Proksch, bei ORF-Direktor Helmut Zilk vorzusprechen, der sie an Sportchef Teddy Podgorski weiterreichte.
Sie kommentierte Eiskunstlauf-Großereignisse und schilderte zu Schwarz-weiß-Zeiten die Kostüme in fabelhaften Farben: „Sehnsuchtsweiß, Rittergrau, Maulwurfbraun.“
Sie moderierte im Seniorenclub und riet bei „Was bin ich?“ mit. Eine große Liebe zerbrach – schicksalshaft „synchron mit der eines Menschen, den ich schon lang heiß verehrte – sein Gesicht, das er bei der Musik trug, wollte ich nie mehr missen“ (so Wendl bei Barbara Stöckl, Anfang 2020).
Der begnadete Fagottist und Dirigent Milan Turković (81). Seit 30 Jahren ein traumwandlerisches Tanzpaar auf dem glatten Parkett der Gefühle: „Wir trafen einander erst, als wir zu alt für Dummheiten waren.“
Heute bilanziert „La Wendl“ rundum zufrieden. Am zufriedensten aber ist sie mit der Errungenschaft, mit jedem Lebensjahr „ein bisschen freier und frecher“ geworden zu sein.
Wie sagte doch der große Werner Schneyder: „Bis 80 ist Pflicht. Ab 80 ist Kür.“