Kaum EM-Euphorie, fehlende Tore: Was vom ÖFB-Team zu erwarten ist
Von Stefan Berndl
Am Sonntag-Abend (18 Uhr) wird es für das ÖFB-Team ernst, gegen Nordmazedonien startet Österreich in die EM. Und das nicht unbedingt mit den besten Vorzeichen: Euphorie hat die Mannschaft keine entfacht, das Nationalteam ist zudem bereits seit 316 Minuten ohne Torerfolg. ÖFB-Präsident Windtner betonte zuletzt, dass es ihm lieber sei "wir haben nicht im Vorfeld die Euphorie - sondern vielleicht als Nachhall zur Europameisterschaft."
Fehlende Euphorie, fehlende Tore, unzufriedenstellende Ergebnisse. Die Verantwortlichen stapeln vor dem Großereignis tief, der KURIER wirft indes in Zusammenarbeit mit sofascore.com einen Blick auf die nackten Zahlen. Wie schneidet das ÖFB-Team im Vergleich mit den EM-Gruppengegnern ab? Wie fällt die Bilanz von Franco Foda als Österreich-Teamchef bis dato aus? Und welche Spieler haben sich für welche Position besonders empfohlen?
Die Foda-Bilanz
Seit Ende 2017 ist Franco Foda als Teamchef der österreichischen Nationalmannschaft aktiv, seitdem gab es 21 Siege in 35 Spielen und damit eine Erfolgsquote von 60 Prozent. Mit einem Punkteschnitt von 1,94 Zählern pro Spiel, ist der gebürtige Deutsche nach wie vor der erfolgreichste ÖFB-Trainer aller Zeiten. In Pflichtspielen gab es 13 Erfolge in 23 Partien sowie einen Punkteschnitt von rund 1,87.
In diesen 35 Spielen gelangen dem österreichischen Team 55 Treffer, im Gegenzug musste man 33 Gegentore hinnehmen. Im Schnitt erzielte die Foda-Elf somit rund 1,6 Treffer pro Spiel. Die Statistik spricht also durchaus für den 55-Jährigen, dennoch steht Foda seit Wochen in der Kritik. Vor allem der Spielstil des Teams sorgt bei Fans und Beobachtern für Unmut.
Foda sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, übervorsichtig spielen zu lassen und das Potential seiner Mannschaft zu bremsen. Er selbst wolle sich jedenfalls nicht "in eine Schublade stecken" lassen, sagte er auch zuletzt im KURIER-Interview. Dennoch wird wohl auch intern diskutiert, wie das Profil zuletzt recherchierte. So wird ein Funktionär zitiert, dass "alles hinterfragt werden" müsse, sollte das ÖFB-Team bei der EM früh scheitern.
Klar ist jedenfalls, dass die starke Foda-Bilanz durchaus mit Vorsicht zu genießen ist. Denn das Team siegt und punktet vor allem gegen in der FIFA-Weltrangliste schlechter platzierte Teams. Gegen nominell bessere Mannschaften ist Foda noch sieglos. Der Tiefpunkt war die klare 0:4-Pleite gegen Dänemark in der WM-Qualifikation.
Die Gruppengegner
Am Sonntag startet das ÖFB-Team gegen Nordmazedonien in die Europameisterschaft, danach warten die Duelle mit der Niederlande (17. Juni) und Ukraine (21. Juni). Ein Vergleich der Leistungen in der EM-Qualifikation weist Österreich auf dem dritten Platz aus. Während die Ukraine in ihren acht Spielen ungeschlagen blieb und sich sogar gegen Portugal mit Superstar Cristiano Ronaldo durchsetzte, belegten die Niederländer in ihrer Quali-Gruppe hinter Deutschland Rang zwei. Die einzige Niederlage gab es gegen die Elf von Noch-DFB-Teamchef Jogi Löw.
Österreich hatte da eine deutlich leichtere Aufgabe, mit Polen bekam das Team einen verhältnismäßig machbaren Gegner zugelost. Am Ende gab es gegen Lewandowski und Co. eine 0:1-Niederlage sowie ein torloses 0:0. Dazu blamierte sich das ÖFB-Team gegen Israel (2:4) und Lettland (0:1). Mit einem Schnitt von 1,9 Treffern pro Quali-Spiel ist die Foda-Elf ebenfalls hinter den Niederlanden und der Ukraine einzuordnen. Einzig, was die Schüsse und Großchancen angeht, kann das Team mit dem Gruppenfavoriten Niederlande konkurrieren.
In der Ende März startenden WM-Qualifikation wurden bislang drei Spiele absolviert, Österreich findet sich nach einem Sieg und einem Remis aktuell auf Rang vier wieder. Die Ukraine verlor zwar noch keine einzige dieser drei Partien, konnte aber auch keine davon gewinnen. Immerhin rang man Weltmeister Frankreich ein 1:1 ab. Die Niederländer legten indes einen Fehlstart hin, verloren in der Türkei mit 2:4. Es folgten aber Siege gegen Lettland und Gibraltar. Das Team von Frank de Boer gilt jedenfalls als Favorit auf den Gruppensieg, Österreich sollte das Minimalziel Achtelfinale erreichen - immerhin schaffen es 16 der 24 Teams in die K.o.-Phase.
Das Team für die EM
- Torhüter
Immerhin eine Position ist schon vor dem Auftaktspiel geklärt. Die ÖFB-Auswahl geht mit Daniel Bachmann ins Turnier. Foda bestätigte am Sonntag, nach dem 0:0 gegen die Slowakei, dass der 26-Jährige längerfristig die Nummer eins sein wird.
Auch die Saisonstatistik spricht für Bachmann. In 26 Spielen mit dem FC Watford in der zweiten englischen Liga kassierte der Niederösterreicher nur 18 Gegentore, in 13 Partien hielt er seinen Kasten sauber. Seine beiden Debüt-Auftritte im Nationalteam bestätigten Foda jedenfalls in seiner Auswahl: Bachmann war sowohl in England als auch gegen die Slowakei einer der Besten.
LASK-Goalie Alexander Schlager hatte somit das Nachsehen, aber auch seine Saisonbilanz kann sich sehen lassen. In 44 Spielen für den LASK gab es 56 Gegentore. 18 Mal hielt er die Null fest. Bei seinen sechs Auftritten im ÖFB-Team lief es hingegen weniger gut: In sechs Partien setzte es 12 Gegentreffer. Zuletzt machte er beim 0:4 gegen Dänemark vor allem beim dritten Tor des Gegners keine gute Figur.
- Defensive
Während die Position im Tor bereits geklärt ist, ist das Rennen davor zumindest theoretisch noch offen. In der Innenverteidigung haben Martin Hinteregger und Aleksandar Dragovic die besten Karten, als Alternative bietet sich Philipp Lienhart an. Hinteregger war beim deutschen Bundesligisten Eintracht Frankfurt in dieser Saison stets Stammspieler, hat im ÖFB-internen Vergleich in fast sämtlichen Kategorien die Nase vorne. Lediglich Lienhart absolvierte für den SC Freiburg mehr Spiele (36), in denen er vier Treffer beisteuerte.
Auf der rechten Verteidiger-Position gibt es einen Zweikampf zwischen Stefan Lainer und Christopher Trimmel. Die Saisonbilanz bei ihren Klubs spricht dabei zwar leicht für Routinier Trimmel, Foda setzte - abgesehen vom letzten Testspiel gegen die Slowakei - aber zumeist auf den sechs Jahre jüngeren Gladbach-Legionär Lainer.
Selbiges gilt für die linke Seite. Mit die besten Werte beim Verein weist hier zwar ÖFB-Star David Alaba auf, der bekanntlich nach der EM für Real Madrid aufläuft, der 28-Jährige wird aber im Team wohl wie zuletzt auf dem linken Flügel eingesetzt werden. Somit wird die Wahl wohl auf Salzburg-Kapitän Andreas Ulmer fallen, der erst vor wenigen Wochen über seinen bereits zwölften Bundesliga-Titel jubelte. Als Alternative steht Marco Friedl bereit, der heuer mit Werder Bremen den Abstieg aus der deutschen Bundesliga hinnehmen musste. Im Nationalteam kam er bislang auf drei Einsätze.
- Mittelfeld
Im defensiven, bzw. zentralen Mittelfeld ist das wohl größte Fragezeichen hinter einem Einsatz von ÖFB-Kapitän Julian Baumgartlinger. Nach einer Kreuzband-Operation meldete sich der 33-Jährige zwar rechtzeitig vor der EM zurück, ob er auch fit genug für die Startelf ist, ist fraglich. "In welcher Form ich dann dem Team helfen kann, wird der Trainer entscheiden. Wir werden sehen, ob es entweder für viel, mittel oder wenig reichen wird", sagte er zuletzt im KURIER-Interview.
Klar ist, Baumgartlinger hat im Mittelfeld einiges an Konkurrenz. Mit Florian Grillitsch (25 Jahre alt) und Xaver Schlager (23) zeigten zwei jüngere Spieler bereits sowohl bei ihren Klubs als auch im Nationalteam auf. Das Duo schneidet laut SofaScore-Wertung auch knapp besser ab, als die Routiniers Baumgartlinger und Stefan Ilsanker.
Im offensiven Mittelfeld führt in der Startelf indes wohl kein Weg an Marcel Sabitzer vorbei. Der 27-Jährige war sowohl bei RB Leipzig als auch im ÖFB-Team einer der Leistungsträger der letzten Monate. Abgesehen von verletzungsbedingten Pausen war er bislang auch unter Foda gesetzt. Konrad Laimer hat hingegen ein ähnliches Schicksal wie Baumgartlinger: Er laborierte zuletzt lange an einem Knochenödem im Kniegelenk, in den letzten beiden Testspielen gegen England und die Slowakei gab er sein Team-Comeback. Louis Schaub wird sich derweil mit der Rolle als Ersatzspieler abfinden müssen.
Was wohl für Sabitzer gilt, darf auch David Alaba für sich beanspruchen. Der Neo-Real-Akteur hat seinen Stammplatz sicher, er wird aller Voraussicht nach wie zuletzt auf dem linken Flügel zum Einsatz kommen. Auf der rechten Seite spricht vieles für Jung-Star Christoph Baumgartner, der in den letzten Monaten zu einem fast unverzichtbaren Teil des ÖFB-Teams wurde. Valentino Lazaro und Alessandro Schöpf werden wohl eher als Ersatz fungieren.
- Angriff
Wie sehr Franco Foda und das österreichische Team von Marko Arnautovic profitieren, hat sich erst im letzten EM-Test gegen die Slowakei gezeigt. Kaum wurde der 32-Jährige eingewechselt, brachte er neuen Schwung in das Spiel. "Wir haben gesehen, wie wichtig er ist", stimmte auch Teamkollege Sasa Kalajdzic zu. Gerade im Sturm wird das ÖFB-Team einen Torgaranten brauchen, die letzten Spiele stimmten da nicht unbedingt positiv.
"Wir brauchen auch einen, der vorne die Tore schießt", brachte es Arnautovic zuletzt auf den Punkt. Die mangelnde Chancenerarbeitung und -Verwertung könnte dem ÖFB-Team noch zum Verhängnis werden. Der Kurz-Einsatz von Arnautovic machte zwar Hoffnung auf mehr, die besten Chancen auf die Startelf dürfte aber wohl dennoch Kalajdzic haben. Für Stuttgart traf er in dieser Saison 17 Mal, im Nationalteam überzeugte er zum Start in die WM-Qualifikation mit drei Toren. Michael Gregoritsch und Karim Onisiwo sind die Alternativen auf der Bank.