Kroatisches Sommermärchen vor dem WM-Finale
Von Uwe Mauch
„Haben Sie noch Mandzukic?“ – „Leider nur mehr in Kindergrößen.“ Schnell wird vor dem Fanshop auf dem Zagreber Hauptplatz klar, wer die Protagonisten des kroatischen Sommermärchens sind: Mandscho, auch Ivan „Raketa“ Rakitic und Kapitän Luka Modric sind gefragt. Das Leiberl mit der Nummer 20 von Marko Pjaca, er spielt immerhin bei Juventus Turin, hängt derweil im Schatten, unberührt.
Nur noch wenige Stunden bis zum Finale: Vor dem Fanshop geht es zu, als gäbe es kein Morgen. Der Inhaber darf sich schon über seinen Reingewinn freuen. Im Sekundentakt gehen die Fanartikel der Feurigen („Vatreni“) über seine Budel. Der emotionale Ausnahmezustand zwischen Zagreb und Dubrovnik, Vukovar und Pula hält an. Kroatiens Städte und auch die Dörfer gleichen im Moment einer einzigen Public-Viewing-Zone. Im Amphitheater von Pula wird das Filmfestival für die TV-Übertragung des WM-Finales unterbrochen.
Krawatten im „Konzum“
Auch über der stadtbekannten Zagreber Konditorei „Vincek“ in der Ilica weht eine kroatische Fahne, die Verkäuferinnen der „Konzum“-Filiale auf dem Britanski trg tragen allesamt rot-weiße Krawatten. Und selbst die ältere adrette Dame, Prototyp einer „purgerica“ (Zagreber Bürgerin), entschied sich heute für ihren Hut mit Schachbrettmuster. Wenige hundert Meter weiter im Männer-Friseurladen von Suncica: Suncica macht ihrem Namen alle Ehre: sie stahlt mit der Sonne über Zagreb um die Wette. Dann sagt sie: „Ich habe das Gefühl, wir werden gewinnen.“ Hat Teamchef Zlatko Dalic darum gebeten? Oder ist dies der Dynamik dieser Tage geschuldet? Suncica und ihre Landsleute spielen den Ball bzw. die Favoritenrolle den Franzosen zu. Sie sagen so: „Ja, wir wünschen uns den Weltmeistertitel, aber wir fordern ihn nicht.“
Vorfreude
Egal mit wem man redet, man redet über Fußball. Es gab noch nie in diesem Land, das seine Unabhängigkeit mit einem blutigen Krieg bezahlte, derart viel Vorfreude. Durch die Straßen der Innenstadt wieselt auch der bekannte Theaterregisseur Kreso Dolencic. Er wurde eigens für die Inszenierung der Siegesparty am Montag in Zagreb engagiert. Und die findet auf jeden Fall statt. Egal, wer das Finale gewinnt.
Feiern lassen wollen sich auch die Spitzen der Politik. Seit Tagen versuchen sie, sich mit ihren Ankündigungen gegenseitig zu toppen. Zuletzt ließ Premierminister Andrej Plenkovic seine Landsleute via Twitter aufhorchen: „Ich appelliere an alle Arbeitgeber, die das können, ihren Mitarbeitern am Montag frei zu geben, damit sie die Ankunft unserer Mannschaft mitfeiern können.“ Und auch die Pläne für eine zeitgemäße Fußballarena in Kroatien wurden wieder einmal aus der Schublade hervorgekramt. Die Frage lautet: Wann bauen, wenn nicht jetzt?