Politik

Sieben Milliarden Menschen

Eine Milliarde - um diese Zahl ist die Weltbevölkerung seit der Jahrtausendwende gewachsen. Am 12. Oktober 1999 wurde "Mensch Nr. 6.000.000.000" geboren, heute wird laut UNO die sieben-Milliarden-Grenze überschritten.
Laut Experten ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das in Indien passiert. Die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt hat 1,2 Milliarden Einwohner und wächst rasant. Das zeigt sich besonders in den Tausenden Slums, die in Megastädten wie Kalkutta, Mumbai oder Neu Delhi wie Pilze aus dem Boden schießen.

Madanpur Khadr im Süden der Hauptstadt ist so eine Elendssiedlung. Wo vor zehn Jahren noch Felder wogten und Kühe grasten, hausen heute 40.000 Menschen auf engstem Raum. Die mit Müll zugestopften Gassen sind voller Kinder, die meisten Familien haben mindestens vier. Auch die 27-jährige Chanchal erwartet ihr viertes Kind. Sie kann nicht lesen, das Gehalt ihres Mannes, eines Steinmetzes, reicht nur für ein 12 m2 kleines Zimmer. Damit ihre Kinder es einmal besser haben, schickt Chanchal sie auf eine private Schule, deren Gebühren sie mit Müh und Not zusammenkratzt.

15 Milliarden

Solche Chancen haben nur die wenigsten Kinder. Hunderte Millionen weltweit leben in bitterer Armut, kämpfen täglich ums Überleben. Die Lage dürfte sich noch verschlimmern. Denn bis Ende des Jahrhunderts, so warnt die UNO in ihrem am Mittwoch vorgestellten Weltbevölkerungsbericht, könnte sich die Anzahl der Erdenbürger verdoppeln. Gründe sind neben den hohen Geburtenraten in Entwicklungsländern die bessere medizinische Versorgung, die das Lebensalter der Menschen in wohlhabenderen Staaten deutlich verlängert.
Die durchschnittliche Lebenserwartung ist laut UN im zurückliegenden halben Jahrhundert von 48 auf 68 Jahre gestiegen. Bemerkenswert sei die Altersstruktur, sagte der Direktor des UN-Bevölkerungsfonds UNFPA, der Nigerianer Babatunde Osotimehin: "Heute sind 893 Millionen Menschen älter als 60. In der Mitte des Jahrhunderts wird diese Zahl auf 2,4 Milliarden steigen."

Den größten Anstieg wird es - trotz der Zuwächse in asiatischen Ländern wie Indien - in Afrika geben. Dort leben derzeit 15 Prozent der Menschheit, 2100 werden es 35 Prozent sein - fünf Mal so viel wie in Europa, dessen Sozialsysteme unter Geburtenrückgang leiden.

Bereits heute hungert eine Milliarde Menschen weltweit. Die Nahrungsmittelknappheit wird sich noch weiter verschärfen - obwohl die Landwirtschaft Experten zufolge sogar mehr als neun Milliarden Menschen ernähren könnte. Ursachen sind neben Bevölkerungswachstum und Klimawandel vor allem die fehlende Umverteilung und Landnahmen durch reiche Staaten und Konzerne in Entwicklungsländern (Land Grabbing). Die Folgen: Landflucht in die Städte, Verelendung, fehlende Perspektiven - und noch mehr Migration in die Länder des Nordens.

Geburtenkontrolle

Um dem gegenzusteuern, ist Experten zufolge vor allem eines wichtig: Geburtenkontrolle. "Es gibt auf der Erde 215 Millionen Frauen, die verhüten wollen, es aber nicht können, weil das Wissen oder die entsprechenden Produkte fehlen", sagt Joel Cohen von der Rockefeller-Universität in New York. "Nach UN-Berechnungen könnte das Problem mit 6,7 Milliarden Dollar bekämpft werden."

Dabei, so sind sich die Experten einig, müssen alle an einem Strang ziehen: Die UNO und ihre Mitglieder, die die Mittel stellen müssten, die Regierungen der betroffenen Länder, religiöse Führer sowie die Dorfgemeinschaften, Ehemänner und Familien der Frauen.

Genau so wichtig sei die Bildung, sagt Osotimehin. "Ich wünschte mir, die Welt würde den jungen Leuten mehr Beachtung schenken - ihrer Erziehung und Ausbildung, ihrer Einbindung in Gesellschaft und Politik, ihrer Chance, Arbeit zu finden und den Möglichkeiten zur Familienplanung."

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