Zu wenige Kassenärzte: Wie die ÖGK nun gegensteuern will
Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) startet im heurigen Jahr eine Offensive zur Besetzung offener Vertragsarztstellen. Generaldirektor Bernhard Wurzer kündigte im APA-Interview an, dass man Ärzten ein Angebot machen werde, um sie bei der Errichtung von Ordinationen zu unterstützen. Außerdem vergibt die ÖGK Stipendien für angehende Kassenärzte. Für die Finanzausgleichs-Verhandlungen fordert Wurzer vor allem Transparenz über Leistungen und Kosten der Spitalsambulanzen.
Laut OECD-Zahlen hat Österreich nach Griechenland die höchste Ärztedichte - Wurzer will daher auch nicht so sehr von einem Ärztemangel, sondern eher von einem Verteilungsproblem sprechen. Ein Mangel bestehe insofern als es für bestimmte Vertragsarztstellen keine oder nur wenige Bewerber gebe. Andererseits gebe es aber auch Stellen mit vielen Bewerbern. Von 10.166 Kassenplanstellen sind laut ÖGK derzeit 313 nicht besetzt - davon 99 im Bereich der Allgemeinmedizin, 72 Facharztstellen und 142 im Bereich Zahnmedizin.
"Sorglos-Paket"
Die ÖGK bietet nun den Ärzten ein "Sorglos-Paket" für ihre Praxen an. In Art eines Baukastenmodells wird den Medizinern angeboten, dass man sich um die Ordination, deren Ausstattung, die IT, die Sprechstundenhilfen oder um die Abrechnungen kümmert. Die Ärzte können entweder einzelne Teile oder das gesamte Paket in Anspruch nehmen und sich dann auf ihre medizinische Arbeit konzentrieren. Die ÖGK will dieses Modell mit Partnern verwirklichen, denen die Ärzte dann einen Teil ihres Honorars für die in Anspruch genommenen Leistungen überweisen. Im Gespräch sind dazu noch verschiedene Varianten und rechtliche Hürden seien auch noch zu überwinden. Wurzer will dieses Modell aber noch heuer flächendeckend in ganz Österreich anbieten.
Außerdem bietet die ÖGK angehenden Kassenärzten ab dem Sommersemester 2023 insgesamt 50 Stipendien in der Höhe von 923 Euro monatlich für bis zu 42 Monate an. Voraussetzung ist, sich nach der Berufsausbildung für mindestens fünf Jahre zur Übernahme eines Kassenvertrages zu verpflichten. Bewerben können sich Studierende ab dem dritten Semester an einer öffentlichen Uni. Das Angebot gilt für die Bereiche Allgemeinmedizin, Kinder- und Jugendmedizin, Kinderpsychiatrie und Gynäkologie.
Klar ist für den ÖGK-Generaldirektor aber auch, dass die Kassenverträge für die Ärzte und Ärztinnen attraktiver werden müssen. Die Verträge mit den Landes-Ärztekammern in den Bundesländern würden laufend angepasst, dabei gehe es nicht nur um die Honorare und neue Leistungen gemäß dem medizinischen Fortschritt, sondern etwa auch um Teilzeit- oder Jobsharing-Modelle um die Verträge auch "generationentauglich" zu machen.
Gesamtvertrag als Ziel
Ein österreichweiter Gesamtvertrag sei nach wie vor das Ziel, versicherte Wurzer. Er verwies aber darauf, dass einem solchen alle neun Landes-Ärztekammer und dann auch noch alle Fachgruppen zustimmen müssten. Der Forderung von Dachverbands-Chef Peter Lehner zur Zusammenlegung der neun Landes-Ärztekammer wollte sich Wurzer zwar nicht explizit anschließen, aber: "Man braucht nur den Rechnungshofbericht lesen, da steht alles drinnen." Das Prüforgan hatte eine Änderung der entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen empfohlen. Und Wurzer verwies auch darauf, dass es mit Hebammen, Optikern, Ergo-, Logo- und Physiotherapeuten, die eine bundesweite Vertretung haben, sehr wohl schon Gesamtverträge gebe. Die Ärztekammer hatte dazu erst am vergangenen Wochenende betont, dass sie schon vor eineinhalb Jahren einen Entwurf für einen einheitlichen Leistungskatalog vorgelegt habe.
Zum bisweilen recht forschen Auftreten der Ärztekammer, die im Dezember etwa auch Aktionstage vor und in Spitälern abgehalten hat, sagte der ÖGK-Generaldirektor: "Es gibt kein Land in Europa, wo eine berufliche Interessensvertretung so viel Einfluss auf den Inhalt hat." Wurzer gestand zwar zu, dass eine Interessenvertretung auch mit harten Forderungen legitim sei, allerdings gebe es auch eine Gesamtverantwortung für das Gesamtsystem.
Wahlarzt-System beschneiden?
Zurückhaltend gab sich der ÖGK-Generaldirektor bezüglich Forderungen nach einer Beschneidung des Wahlarzt-Systems. Er befürwortet zwar auch deren Einbindung in das E-Card- und ELGA-System, allerdings plädierte er hier für ein "behutsames" Vorgehen. "Man darf das Kind nicht mit dem Bade ausschütten". Wenn nämlich die Verpflichtungen eines Wahlarztes nicht mehr von jenen eines Vertragsarztes zu unterscheiden wären, dann stelle sich für Vertragsärzte die Frage, warum sie nicht auch als Wahlärzte mehr Freiheiten genießen sollten.
Nicht unterstützen wollte Wurzer die Forderung von Andreas Huss, der für dieses Halbjahr turnusmäßig die ÖGK-Obmannschaft wieder an den Arbeitgebervertreter Matthias Krenn übergeben hat, wonach sich die ÖGK als Reaktion auf den RH-Bericht wieder etwas regionaler aufstellen sollte. Wurzer verwies dazu auf das Grundprinzip: wo die Verantwortung für die Finanzen liege, dort müsse auch die Verantwortung für die Steuerung liegen. Und da die ÖGK ein bundesweiter Träger sei, könne es auch nur eine bundesweite Steuerung geben.
Finanzausgleich
Für die angelaufenen Verhandlungen zu einem neuen Finanzausgleich hielt der ÖGK-Generaldirektor fest, dass es im Gesundheitsbereich nur um die Versorgung der Menschen gehen dürfe und nicht um Macht und Kompetenzen. Eine konkrete Forderung, wie sie zuletzt etwa Dachverbands-Chef Peter Lehner mit der Übernehmen der Kompetenzen für die Spitäler durch die Sozialversicherungen erhoben hatte, wollte Wurzer nicht auf den Tisch legen. Das sei Sache der Politik, die ÖGK habe die politischen Vorgaben zu vollziehen. Einen konkreten Wunsch hat der ÖGK-Generaldirektor für die Verhandlungen aber doch: Es müsse Transparenz darüber geschaffen werden, welche konkreten Leistungen in den Spitalsambulanzen angeboten werden und was diese kosten.
Die Sozialversicherungen übernehmen inzwischen nicht nur mehr als die Hälfte der Spitalskosten, sei wenden dafür auch rund ein Drittel ihrer Beitragseinnahmen auf. Seit 1996 sein diese Kosten um 250 Prozent gestiegen. Was dafür für den stationären Bereich und was für die Ambulanzen aufgewendet wird, sei aber unklar. Wurzer will nun wissen, welche Leistungen in Ambulanzen angeboten werden und was sie kosten. "Derzeit zahlen wir in eine Black Box ein Drittel unser Beitragseinnahmen." Klar ist für ihn jedenfalls: "Es ist ein Mär zu behaupten, dass die Sozialversicherung nicht für die Ambulanzen zahlt." Wurzer verwies darauf, dass die Endkosten der Spitäler gestiegen seien, obwohl die Zahl der Patienten in den Ambulanzen seit 2017 um 5,2 Prozent, der stationären Patienten um 22 Prozent und der Belegstage um 15 Prozent gesunken seien. Die Länder wollen die gestiegenen Endkosten ersetzt haben. Die Sozialversicherung wolle hingegen, so Wurzer, Leistungsvereinbarungen, wie es sie mit den niedergelassenen Ärzten gebe, auch mit den Spitälern.