So gelang Doskozil die Machtübernahme
Um 15.32 Uhr ist es offiziell: Der neue Parteichef der Sozialdemokratie heißt Hans Peter Doskozil. Mit 53 Prozent der Stimmen schlägt der burgenländische Landeshauptmann seinen Konkurrenten Andreas Babler. Durchaus knapp mit 37 Stimmen Vorsprung. „Es ist ein Lebenstraum, an der Spitze der Sozialdemokratie stehen zu dürfen“, sagt der neue Vorsitzende.
Unmittelbar nach Bekanntgabe des Ergebnisses legt sich Doskozil fest: Er will nicht mit der FPÖ koalieren. Und als erste Geste der Versöhnung holt Doskozil den knapp unterlegenen Babler auf die Bühne, der Tränen in den Augen hat.
Das Wahlergebnis ließ sich in dieser Form nicht vorhersehen. Und zwar weder vor dem Samstag, noch unmittelbar im Anschluss an die beiden Parteitagsreden.
Das Los wollte es, dass Hans Peter Doskozil in die Vorlage geht.
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Der burgenländische Landeshauptmann beginnt mit einem Bild, das bei ihm im Büro hängt: Bruno Kreisky in nachdenklicher Haltung.
„Was würde er wohl sagen, was uns an den Kopf werfen? Wie würde er sich über die Dinge aufregen?, stellt Doskozil eine rhetorische Frage an die Delegierten.
Der Burgenländer spricht ruhig, manchen zu ruhig. Während der gesamten Ansprache, bei der er die 45 Minuten Redezeit voll ausschöpft, kommt Doskozil immer wieder auf eine Botschaft zurück, die er nach der erfolgreichen Wahl wiederholt: Die SPÖ muss tun, nicht nur reden und ankündigen. „Die Menschen erwarten sich, dass wir ihnen dienen. Sie erwarten Lösungen.“
Gewerkschaftsstreit
Das inhaltlich und emotional größte Streit-Thema zwischen Doskozil und den Gewerkschaften bleibt der gesetzliche Mindestlohn. Ihn thematisiert der neue Parteichef auch in seiner Rede: Während die Gewerkschaften vom Parlament verordnete Löhne vehement ablehnen – immerhin ist eine ihrer zentralen Kompetenzen das Verhandeln der Kollektivverträge – bleibt Doskozil dabei und versucht die Gewerkschaft mit folgender Argumentation zu besänftigen: Für die Menschen sei nicht wichtig wie, sondern dass sie höhere Löhne bekommen.
Und wenn sich SPÖ und Gewerkschaft nicht auseinanderdividieren lassen, könnte der gesetzliche Mindestlohn eine Art Drohung sein, die man bei den Kollektivvertragsverhandlungen in der Hinterhand behält. Frei nach dem Motto: Wenn die Wirtschaft hohen Lohnabschlüssen nicht zustimmt, werden sie eben gesetzlich verordnet.
Hans Peter Doskozil wehrt sich gegen den Vorwurf, keine Politik für Frauen zu machen; und er hält ein flammendes Plädoyer für ein öffentlich finanziertes Gesundheits- und Pflegesystem, in dem weiterhin die Politik und nicht die Ärztekammer entscheide, wo welcher Arzt einen Wochenenddienst übernimmt.
"Stimme wird nicht verloren gehen"
Themen wie den Klimaschutz und auch das polarisierende Migrationsthema konnte der burgenländische SPÖ-Chef nicht anschneiden – es fehlte die Zeit. Und so schließt Doskozil mit einem Versprechen, das ein sehr persönliches Thema betrifft, nämlich: seine Stimme. Er könne nicht garantieren, dass nicht noch eine sechste oder siebente Operation vonnöten sei. Eines aber könne er versprechen: „Die Stimme wird nicht verloren gehen.“
Möglicherweise hätte Doskozil seine Stimmbänder etwas weniger geschont, hätte er gewusst, welch’ emotionale Brandrede Babler kurz darauf halten würde.
Keine Pausen
Vor, während und nach Bablers Referat ist das Klatschen und Jubeln weitaus lauter als bei Doskozil. Der Traiskirchner gönnt sich kaum Atempausen, er schrie teilweise in den Lärm, in das Klatschen hinein – wohlwissend, dass einige seiner Botschaften dabei verloren gehen.
„Es muss ganz klar sein, dass wir das Gegenmodell sind“, sagt Babler. Die SPÖ sei das Gegenmodell zu: Superreichen, Konzernen, ÖVP und vor allem der FPÖ.
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Babler erhebt, im Gegensatz zu Doskozil, Vermögenssteuern zur Koalitionsbedingung. Und dann stichelt er in Richtung des Burgenländers, der einen rigideren Asylkurs vertritt und im Burgenland früher mit der FPÖ koalierte: „Alle, die geglaubt haben, sie müssen nach rechts blinken, die haben den Haider und den Strache groß gemacht. Und jetzt machen sie den Kickl groß.“ Dass er für seine Forderungen wie die 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich selbst von Genossen als „Träumer“ bezeichnet wird, nimmt Babler als rhetorische Steilvorlage. „Dann sag ich euch etwas: Träumer, das ist einfach ein anderes Wort für Sozialdemokratin oder Sozialdemokrat.“
"Träumer ist ein anderes Wort für Sozialdemokrat"
Auch wenn er den Lautstärken-Wettbewerb gewonnen hat: Bablers Traum von der SPÖ-Parteispitze ist vorerst vorüber.
Die auf seine emotionale Rede folgende Delegiertendiskussion fällt kürzer und gesitteter aus als befürchtet. Intensive Gespräche zwischen Vertretern beider Lager vor dem Parteitag dürften eine Eskalation verhindert haben. Stellvertretend darf der Doskozil-Vertraute Max Lercher gelten, der bei seiner Rede eigene Fehler eingesteht und Babler als einen der größten Politiker des Landes preist.
Lercher könnte nun Bundesgeschäftsführer der Partei werden. Es ist eine der vielen Entscheidungen, die auf den frisch gewählten Vorsitzenden Hans Peter Doskozil warten.