"Gefühl, gejagt zu werden": Sebastian Kurz zieht sich komplett aus Politik zurück
- Sebastian Kurz zieht sich komplett aus der Politik zurück.
- Laut KURIER-Informationen dürfte ihm Innenminister Karl Nehammer als ÖVP-Chef folgen - er soll auch Alexander Schallenberg als Bundeskanzler ablösen.
- Lesen Sie hier die ersten Reaktionen auf Kurz' Rückzug.
- Und hier den Kommentar von Innenpolitik-Chefin Daniela Kittner: "Kurz-Rückzug verändert die politische Landschaft"
"Wenn man auf einen prägenden Lebensabschnitt zurückblickt und im Blick zurück vor allem eins empfindet, nämlich Dankbarkeit, dann kann man sich glaube ich sehr glücklich schätzen", sagt Kurz bei seiner Rücktrittserklärung, Donnerstag-Vormittag. Er könne auf zehn Jahre Politik zurückblicken: als Staatssekretär, Außenminister und Bundeskanzler. "Ich habe stets mein Bestes gegeben und alles versucht", so Kurz.
Seine Kernthemen seien gewesen: Arbeit müsse sich auszahlen, Migration dürfe nicht unbegrenzt stattfinden. "Ich habe den Diskurs zu all diesen Themen persönlich eigentlich immer geschätzt", meint Kurz. Aber: Spitzenpolitik sei stetig ein Wechselbad an Gefühlen. "Zum einen ist es wunderschön, wenn man etwas bewegen kann", so Kurz. Gleichzeitig müsse man jeden Tag viele Entscheidungen treffen und stehe und ständiger Beobachtung. "Man hat fast ein bisschen das Gefühl, gejagt werden."
Dieser Eindruck - "gejagt zu werden" - habe ihn und sein Team aber auch zu Höchstleistungen getrieben. Man habe rund um die Uhr gearbeitet, für anderes sei kaum mehr Zeit gewesen. "Manches ist vernachlässigt worden, insbesondere die eigene Familie." Bei der Geburt seines Sohnes Konstantin sei ihm bewusst geworden, dass "es auch Schönes außerhalb der Politik gibt", sagt Kurz.
Begeisterung ist abgeflacht
Politik brauche 100 Prozent Begeisterung und Freude: "Die letzten Monate, die letzten Wochen, die letzten Tage, ist diese Begeisterung bei mir ein bisschen weniger geworden, das hat sich geändert." Er habe sich nur noch gegen Unterstellungen und Verfahren wehren müssen, verweist Kurz auf die Ermittlungen der WKStA. "Meine Leidenschaft für Politik ist in dieser Phase sicher auch ein Stück weit weniger geworden", erklärt Kurz.
"Ich habe selbstverständlich Fehlentscheidungen getroffen. Gleichzeitig möchte ich in aller Deutlichkeit sagen: Ich bin weder ein Heiliger, noch ein Verbrecher. Ich bin ein Mensch mit Stärken und Schwächen." Er freue sich "persönlich auf den Tag", an dem er vor Gericht beweisen könne, dass die Vorwürfe gegen ihn falsch seien.
Die Karriere von Sebastian Kurz im Schnelldurchlauf
Geburt hat "alles andere getoppt"
Er empfinde "keinen Schwermut", bilanzierte Kurz. "Mit 35 Jahren darf ich jetzt zurückblicken auf zehn Jahre Dienst an der Republik." Papst, Präsidenten, den Dalai Lama, seine Freunde am Westbalkan, Allianzen auf europäischer Ebene: Er habe unglaubliche Erfahrungen machen dürfen, sagt Kurz.
"Ich halte es für unglaublich schön, sich für etwas einsetzen zu dürfen, woran man glaubt. Es ist unglaublich schön, für die eigene Republik, das eigene Land arbeiten zu dürfen", erklärt Kurz. Er sei vielen dankbar: seinem Team, den Ministern, bei seinen Koalitionspartnern FPÖ und Grünen, seinen Förderern.
Die Geburt des eigenes Kindes habe "alles andere getoppt", was er zuvor erlebt habe, so Kurz - auch seine beiden Wahlsiege 2017 und 2019.
Am morgigen Freitag wird Kurz als Parteiobmann zurücktreten und die Politik verlassen. August Wöginger wird wieder ÖVP-Klubobmann, Kurz freut sich auf Zeit mit seiner Familie: "Ich gebe zu, ich stehe heute da und bin nicht nur gespannt auf diesen neuen Lebensabschnitt, ich freue mich auch darauf."
Beim Hinausgehen wurde er noch gefragt, wie es jetzt mit ihm weitergehe. "Ich werde jetzt aufbrechen und meinen Sohn und meine Freundin aus dem Spital abholen", sagt Kurz, lächelt und geht.
Laut KURIER-Informationen dürfte der aktuelle Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) als Parteichef auf Kurz folgen. Zudem könnte er auch das Kanzleramt von Alexander Schallenberg übernehmen.