Politik/Inland

"Rote Linie überschritten": Grüner Aufstand gegen ÖVP

Nach der Debatte um die Abschiebung von drei Schülerinnen nach Georgien bzw. Armenien hing in der türkis-grünen Koalition der Haussegen schief. Wie sehr die Themen Flüchtlinge, Asyl und Migration die Regierungspartner tatsächlich entzweien, das zeigt nun die so bezeichnete "Wiener Erklärung" der Grünen Wien. Darin teilen sie mit, dass die ÖVP eine rote Linie überschritten habe.

Wörtlich heißt es:

"Grüne und Menschenrechte gehören untrennbar zusammen. Deshalb schmerzt es ganz besonders, dass der Koalitionspartner die Rettung von hundert Familien aus der Hölle von Moria blockiert. Damit und mit der Abschiebung von in Österreich geborenen und aufgewachsenen Kindern hat die ÖVP der gesamten Regierung ein unmenschliches Antlitz verpasst. Damit wurden klar rote Linien überschritten."

Obwohl von Anfang an klar gewesen sei, dass "eine Koalition mit der in den letzten Jahren deutlich nach rechts gerückten ÖVP"  nicht leicht werde, hätten "viele zu Beginn die Hoffnung in uns Grüne gesetzt, der türkisen Politik etwas entgegenhalten zu können", heißt es in der Erklärung weiter.

Dennoch müsse man sich nach einem Jahr der Regierungsbeteiligung fragen: "Reicht, was wir erreichen? Erfüllen wir unsere eigenen Erwartungen? Enttäuschen oder bestätigen wir die in uns gesetzte Hoffnung?"

Abschiebungen während Pandemie aussetzen

Laut Grünen Wien sollten Abschiebungen während der Pandemie ausgesetzt bleiben. Außerdem brauche es eine Reform hin zu einem menschenwürdigen Asylrecht sowie einen Rechtsanspruch auf die österreichische Staatsbürgeschaft für in Österreich geborene bzw. aufgewachsene Kinder und Jugendliche - so die Forderung.

Trotz aller Empörung und Enttäuschen fordern allerdings auch die Wiener Grünen kein End der Koalition. "Die Koalitionsfrage stellt sich nicht. Wir werden sicher nicht einer Pandemie die Koalitionsfrage stellen", sagt Peter Kristöfel, interimistischer Parteichef der Wiener Grünen auf KURIER-Nachfrage.

Und weiter: "Wir wollen Haltung zeigen und nach innen signalisieren, dass wir zu dieser Haltung stehen. Mit der Erklärung wollen wir zeigen, dass wir voll hinter dem Parlamentsklub stehen und ihm den Rücken stärken. Es muss eine Lösung für Härtefälle geben."   

Kristöfel verhehlte gegenüber der APA auch nicht, dass große Teile der Kernwählerschaft "das, was (ÖVP-Innenminister Karl, Anm.) Nehammer hier abgezogen hat, unmenschlich" fänden.

Auch die Bundespartei hat zur "Wiener Erklärung" Stellung bezogen. Klubobfrau Sigrid Maurer sagt dem KURIER: "Ich bin den Wiener Grünen dankbar für die Unterstützung in unserem gemeinsamen Kampf für ein menschliches Österreich. Grüne Politik basiert auf den Menschenrechten und wir treten auch in der Regierung vehement für sie ein. Wir werden der ÖVP unsere Vorschläge vorlegen, der Innenminister ist nun in der Verantwortung."

"Signal nach innen"

Am Donnerstag findet eine Sondersitzung des Nationalrats statt. Die SPÖ wird dabei einen Antrag einbringen, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, sich zum humanitären Bleiberecht zu bekennen und "diese grausamen Abschiebungen" zurückzunehmen. Darüber hinaus sollen die betroffenen Länder bzw. Gemeinden im Verfahren über die Gewährung von humanitärem Bleiberecht verpflichtend angehört werden, um die lokalen Gegebenheiten in der Entscheidung berücksichtigen zu können.

Die ÖVP wird gegen diesen Antrag stimmen. Und die Grünen? Sie geraten unter Druck. Mindestens vier Abgeordnete sollen im Vorfeld bereits erklärt haben, keinesfalls gegen einen Antrag auf Rückbringung der Mädchen stimmen zu wollen. Im Wiener Gemeinderat haben die Grünen einem gleichlautenden Antrag ebenfalls bereits zugestimmt.

Wird die grüne Fraktion im Parlament bei dieser Frage am morgigen Donnerstag also geteilt abstimmen? Die andere Möglichkeit wäre, eine gemeinsame Position - womöglich gegen jene des Regierungspartners - zu finden.

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