Politik/Inland

ÖGB-Kongress: „Bitte, steh’ ma doch auf!“

Robert Wurm hat sich richtig in Rage geredet. „Wenn die Sozialministerin morgen kommt, dann dreh’ ma si um, so wie das die Frauen im Parlament gemacht haben“, sagt der Postbusgewerkschafter aus Wien; er reckt die Hände nach oben. Dann sagt er laut: „Bitte, steh’ ma doch auf! Mach’ ma aus dem ÖGB-Kongress was G’scheites!“

Der Applaus im Publium ist höflich, aber eben nur höflich. Die Idee, der Regierung nicht nur in Worten, sondern auch Taten entgegenzutreten, hat hier beim großen ÖGB-Kongress in Wien nicht gerade viele Freunde – und das, obwohl die Zeichen eigentlich auf Kampf stehen müssten: Mit dem 12-Stunden-Tag, der Zusammenlegung der Sozialversicherungen und der Kürzung der Mindestsicherung hat die türkis-blaue Regierung bekanntlich Pläne vorlegt, die die Gewerkschaft ins Mark treffen. Und dass der Bundeskanzler der Veranstaltung fernbleibt, weil er im Berlin weilt, nur Wirtschaftsministerin Schramböck und Sozialministerin Hartinger-Klein kommen, ist eine Ansage: Das war das letzte Mal im Jahr 1955 der Fall.

Auf der Kippe

Wieso man hier dann nicht zum Streik ruft, wo doch die Sozialpartnerschaft nicht nur gefühlt, sondern tatsächlich auf der Kippe steht?

„Weil wir hier in Österreich sind“, sagt Nikolaus, der bei PRO-GE aktiv ist; er lacht. Bei seiner Teilgewerkschaft, den Metallern, sei die Stimmung bei der Konferenz vergangene Woche deutlich besser gewesen. „Hier ist noch zu wenig Dampf dahinter“, sagt Matthias, auch ein Metaller, der seinen Nachnamen nicht nennen will – wie die meisten hier, die zwar „ang’fressen sind, was die Regierung angeht“, denen aber „noch zu wenig Gegenwind kommt“, wie eine steirische Betriebsrätin sagt.

Was sich unter Wolfgang Katzian ändern soll, der zum Abschluss des Kongresses am Donnerstag aller Voraussicht nach zum Nachfolger von Erich Foglar als ÖGB-Boss gekürt wird? „Kämpferisch und aggressiv“ solle er doch sein, sagen die zwei Metaller, allein: Bei seinem Auftritt der Fraktionskonferenz der roten Gewerkschafter (FSG) ist er noch etwas schaumgebremst. Zwar spricht er bei der davon, dass ein „Backlash ins 19. Jahrhundert drohe“, und dass es in der Regierung einige gebe, die „sich vom Grundkonsens der Zweiten Republik verabschieden wollen“, doch von konkreten Taten spricht er nicht. Auch Rainer Wimmer, der am Dienstag dann mit 96,8 Prozent zum neuen FSG-Chef gekürt wird und somit Katzians Nachfolge antritt, gibt sich ein wenig verhalten – ebenso wie SPÖ-Chef Christian Kern: „Wir stehen an einer Wende, vor einem Paradigmenwechsel, der einer Ideologie folgt, wo der stärkste Ellbogen sich durchsetzt“, sagt er in seiner Rede am Nachmittag und erntet Applaus. Nur das Wort Streik oder Ausstand nimmt auch er nicht in den Mund.

Wieso das so ist?

„Arbeitskampf ist immer das letzte Mittel – darauf legen wir es nicht an", sagt Roman Hebenstreit, Chef der Teilgewerkschaft vida, die neben der Bahn auch viele Niedriglohnsparten wie Tourismus und Soziale Dienste vertritt. Dass man jetzt nicht gleich auf die Pauke haue, wie man so schön sagt, liege aber nicht nur daran, dass Streikandrohungen in Österreich nicht zum guten Ton gehören. Auch der Umstand, dass die Regierungsspitze selbst gerne vom „Widerstand“ seitens der Sozialpartner redet, lässt die Gewerkschaft abwarten: „Die, die zur Zeit am öftesten von Streik reden, sind Kurz und sein Vize Strache. Was soll man davon halten, wenn eine Regierungdauernd zum Streik auffordert?“, sagt Hebenstreit. Und diesem Sticheln wolle man freilich nicht nachgeben – vor allem nicht, solange keine definitiven Pläne am Tisch liegen. „Keiner weiß, was tatsächlich kommen wird, die Regierung hat bisher ja nur Luftblasen produziert. Wir reagieren nicht auf Zuruf, sind nicht diejenigen, die für Kurz eine Streikshow abziehen. Dafür ist unser Verantwortungsbewusstsein zu groß..“

Hoffen auf Gespräche

Dass sich einige Gewerkschaftsmitglieder „mehr Dampf“ wünschen, versteht er wohl. „Jeder hat eine andere Betroffenheit, manche sich zu Recht richtig aggressiv“, sagt er – etwa viele Altersteilzeitler; ein Modell, das die Regierung ja ab 2019 einschränken wird. „Wir gehen davon aus, dass man zur Vernunft kommt und man die gewählten Vertreter der arbeitenenden Menschen mit einbezieht." Nachsatz: "Wenn sie uns tatsächlich nicht am Tisch haben wollen, dann werden wir umschalten.“

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