Politik/Inland

Kurz in Israel: "Zuneigung und ein Loch in der Seele"

Die Tische sind nett gedeckt, das Buffet ist angerichtet, Wasser, Kaffee und Kekse sind vorbereitet. Normalerweise kommen hier alte Menschen zusammen, die aus ihrer österreichischen Heimat vertrieben wurden und hier in Israel eine neue gefunden haben, oft nach einer anstrengenden Reise oder Jahren in einem Konzentrationslager.

Heute ist die Stimmung gut, rund 50 alte Menschen, manche mit ihren Kindern oder Enkelkindern, warten auf Sebastian Kurz.

Kika Goren begrüßt den Bundeskanzler, sie ist die Vorsitzende des Zentralkomitees der Juden aus Österreich in Israel. Sie wurde erst nach dem Krieg geboren, hat aber auch in ihrer Jugend in Wien den Antisemitismus gespürt. Sie ging als Anwältin nach Jerusalem.

Sehnsucht nach Wien

Zwei Phänomene hat sie bei den Geflüchteten erlebt: Die Traumatisierung von Menschen, die meist ohne Verwandte und mittellos hierher kamen, und die immerwährende Sehnsucht nach Wien, auch wenn viele nicht mehr auf Besuch in die Stadt kommen wollen, aus der sie vertrieben wurden.

Sebastian Kurz, den Kika Goren „voller Liebe und Zuneigung“ begrüßt, spricht eine Einladung aus. Alle Holocaust-Überlebende, die nach Österreich kommen wollen, sind Gäste der Republik, er wolle sie im Kanzleramt begrüßen. Wobei er auch respektiere, dass es Menschen gibt, die das Angebot nicht annehmen werden. Allzu groß wird die Reisegruppe nicht werden. Rund 700 Menschen mit österreichischen Wurzeln dürften hier noch leben.

Deutlich angespannter war die Stimmung beim Rundgang von Kurz und Bildungsminister Heinz Faßmann auf dem Gelände der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Deborah Hartmann, eine junge Wiener Jüdin, die nach Israel übersiedelt ist, führte die Delegation durch das sogenannte Tal der Gemeinden. Das ist ein Labyrinth aus riesigen Steinquadern, wo alle Orte hineingemeißelt sind, wo es vor der Shoah jüdisches Leben gab.

Deborah Hartmann meinte, es falle ihr hier schwer, nur an die Vergangenheit zu denken. Und sagte vor dem Kanzler in Bezug auf die FPÖ sehr klar, dass sie verstehe, dass die Nachkommen von Opfern nicht mit jedem gedenken wollen, da vielen von ihnen nicht klar sei, was die Shoah (hebräisches Wort für Holocaust, Anm.) war.

Oskar Deutsch, Präsident der israelitischen Kultusgemeinde, sprang dem Kanzler bei, meinte aber zum KURIER: „Wenn sich die FPÖ vom Antisemitismus distanzieren will, dann sollen es alle tun und von allem.“

Würde Hartmann eine FPÖ-Delegation durch Yad Vashem führen? Nein, meint sie, obwohl sie als Pädagogin an die Lernfähigkeit von Menschen glauben müsse. Kurz kommentierte den Vorfall nur knapp: „Zweck der Holocaust-Gedenkstätte ist es doch, zu lernen.“

Der offizielle Akt in der Halle der Erinnerung, wo die Namen der größten 22 Konzentrationslager geschrieben stehen, war bewegend. Der Kanzler legte gemeinsam mit dem 90-jährigen Viktor Klein einen Kranz auf die Platte, unter der die Asche von Holocaust-Opfern bestattet ist. Klein hat Auschwitz und Mauthausen überlebt. Er wurde im Mai 1945 in Ebensee befreit. Anschließend ging Kurz durch den wohl schockierendsten Teil von Yad Vashem: Das Denkmal für die Kinder.

Man kommt in einen verspiegelten Raum, wo das Licht von fünf Kerzen reflektiert wird. Es werden die Namen der 1,5 Millionen ermordeten jüdischen Kinder verlesen. Es soll bei dem Besuch aber keineswegs nur um die Vergangenheit gehen.

Kanzler und Bildungsminister haben einen Vertrag unterschrieben, der die Archive beider Länder für die weitere Erforschung des Holocaust öffnet. Aber die Kontakte zwischen Israel und Österreich werden weiter über die Menschen gehen, Alte und Junge. Der Austausch von Studenten soll verstärkt werden, gleichzeitig soll vertriebenen Österreichern hier die Möglichkeit gegeben werden, die Kultur ihrer alten Heimat zu erleben.

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Musik der Großeltern

Judith Weinmann-Stern hat dafür einen Verein gegründet, „Wien-Tel Aviv“. Bei regelmäßigen Kulturtagen erleben auch die Nachkommen die Musik, an die sich ihre Großeltern immer erinnert haben.

Viele Aktivitäten für Holocaust-Überlebende in Israel werden vom Nationalfonds für die Opfer des Nationsozialismus finanziert. Entsprechend heftig fiel beim Treffen der Überlebenden mit Kurz der Dank an dessen Generalsekretärin Hannah Lessing aus.

600 Millionen Euro wurden spät, aber doch, seit 1995 an Opfer ausbezahlt, überwiegend Geld aus gestohlenem Eigentum. „Österreich hat ein Loch in ihrer Seele gelassen“, meinte Kiki Goren, die Nachgeborene über die Generation ihrer Eltern. Und jetzt gäbe es noch immer Antisemitismus. „Dabei wollen wir doch einfach nur als Menschen wahrgenommen werden.“