Kurz bei Putin: "Mit Ehrlichkeit begegnen"
Um Werke französischer, flämischer, deutscher, italienischer und englischer Meister von der Renaissance über das Barock bis in den Frühklassizismus ging es. Die Ausstellung aber, die Kanzler Sebastian Kurz und Russlands Staatschef Wladimir Putin am Mittwoch in St. Petersburg eröffneten, ist eine mit politischer Symbolkraft. Es handelt sich um eine gemeinsame Schau des Kunsthistorischen Museums in Wien und der russischen Eremitage.
28 Werke umfasst die Ausstellung. 14 Bildpaare, die sich aus den Sammlungen beider Museen bilden. Es sind Bilder, so der Anspruch, die einen gemeinsamen Kulturraum unterstreichen sollen. Eröffnet worden war die Ausstellung im Juni im Rahmen von Putins Besuch in Wien. Nun ist sie nach St. Petersburg gezogen.
Viertes Treffen
Es war Kurz’ viertes Treffen mit Putin in diesem Jahr: Im Februar traf Kurz Putin in Moskau, im Juni war Putin zu Gast in Österreich, ebenso im August, als er auf der Hochzeit von Außenministerin Karin Kneissl tanzte und Kurz zum Gespräch traf.
Und auf einen zentralen Punkt des jetzigen Treffens weisen die Sponsoren der Ausstellung hin, die wohl einiges springen haben lassen: Handelt es sich doch unter anderem um Werke von Ikonen der Malerei wie Van Dyck, Botticelli oder Tintoretto. Finanziert wurde die Schau von der OMV und der russischen Gazprom. Das Sponsoring ist quasi ein gemeinsames Geschenk anlässlich der 50-jährigen Kooperation zwischen den Gesellschaften.
Energiefragen standen denn auch ganz oben auf der Liste der bilateralen Themen, die Kurz und Putin besprechen wollten. Außerdem sollten die Kriege in Syrien und der Ukraine besprochen werden sowie das angespannte Verhältnis zwischen der EU und Russland.
„Ehrlich begegnen“
Jenes zwischen Österreich und Russland hingegen scheint ungetrübt, wenngleich Kurz nach dem Gespräch meinte, dass es „unterschiedliche Ansichten in geopolitischen Fragen“ gebe. Dennoch könne man „stets in Dialog miteinander treten“ und einander „mit Ehrlichkeit begegnen“.
Syrien
Was die aktuellen Konfliktherde betrifft, so rechnet der russische Präsident nicht mit einem militärischen Eingreifen in der syrischen Rebellenhochburg Idlib. „Ich habe allen Grund zu glauben, dass wir unser Ziel erreichen werden“, sagte er nach einem Treffen mit Sebastian Kurz laut russischen Medien. Russland und die Türkei hatten sich Mitte September auf eine bis zu 20 Kilometer breite Pufferzone geeinigt. Sie soll eine Großoffensive der syrischen Regierung auf das letzte große Rebellengebiet des Landes verhindern.
Kurz sieht zugleich Russland bei der Lösung des Konflikts in der Pflicht: „Russland ist meiner Meinung nach ein großes Land und eine Supermacht, hat eine große Verantwortung bei der Suche nach einer politischen Lösung in der Ukraine und in Syrien.“ Er hoffe auf eine Chance für eine politische Lösung in der Ostukraine, weil die Menschen dort schon lange leiden müssten, erklärte Kurz.
Nord Stream 2
Putin bezeichnet das Gaspipelineprojekt Nord Stream 2 als "sehr wichtig für den gesamten europäischen Kontinent". In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Sebastian Kurz äußerte Putin seine Hoffnung, dass Europa keine "Schwäche" zeige. "Wir gehen davon aus, dass dieses Projekt realisiert wird."
"Alle kennen das traurige Schicksal eines anderen Projekts: South Stream", ergänzte Putin. Bulgarien habe "unter Druck von außen dieses Projekt aufgegeben". Er wünsche sich, dass nun bei Nord Stream 2 nicht ganz Europa diese "Schwäche und Unfähigkeit" wie Bulgarien zeige, sagte Putin angesprochen auf mögliche US-Sanktionen gegen die geplante Pipeline, die Gas über die Ostsee nach Europa bringen soll und an deren Finanzierung sich die OMV neben anderen europäischen Energieunternehmen beteiligt.
Russland sei "der zuverlässigste Energielieferant" und bleibe es auch. Es gebe zwar andere Optionen, aber die seien teurer und würden die Wettbewerbsfähigkeit Europas verringern. Gas aus den USA zu beziehen, sei um 30 Prozent teurer: es wäre eine "Dummheit" und "Vergeudung von Mitteln", sagte Putin.
Kurz sagte zu, Nord Stream 2 zu unterstützen. Es gehe darum, die Energiesicherheit durch eine Vielfalt an Quellen und Routen zu gewährleisten. Der Bundeskanzler betonte auch, dass die Europäische Union hier ihre Interessen im Blick habe und gleichzeitig "verantwortungsvoll" agiere. "Die Interessen der Ukraine als wichtiges Transitland müssen gewahrt bleiben."
Die intensive Besuchsdiplomatie zwischen Wien und Moskau wird seitens des Kanzleramts in Wien vor allem damit begründet, dass man Gesprächskanäle offen halten wolle und als EU-Ratsvorsitzender auch eine entsprechende Verantwortung habe. Betont wird ausdrücklich, dass man die EU-Sanktionen gegen Russland uneingeschränkt mittrage.
In Moskau kommen die Kontaktpflege und Österreichs Zurückhaltung gegenüber Russland (Stichwort Diplomatenausweisungen nach Giftanschlag in Großbritannien) gut an.
Es ging also weit mehr um Diplomatie und Kontaktpflege in St. Petersburg als um Bilder einer Ausstellung. Oder, wie der Kanzler es ausdrückte: „Kunst ist die gemeinsame Sprache der Völker.“