Politik/Inland

Köstinger: Doppeltes Spiel bei der EU-Agrarreform?

Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger hat heute einigen Erklärungsbedarf. Denn das Ergebnis eines Faktenchecks, den GLOBAL 2000, die Österreichische Berg- und Kleinbäuer Vereinigung (ÖBV) und BirdLife Österreich in Zusammenarbeit mit der Arbeiterkammer, dem Bioverband Erde und Saat, der Biene Österreich und der Produktionsgewerkschaft PRO-GE heute präsentieren, kommt zum dem Schluss:  Dass die öffentlichen Dokumente und Medienberichte, GAP-Papiere (GAP steht für Gemeinsame Agrarpolitik) des Landwirtschaftsministeriums sowie Statements und Eingaben der Ministerin in Brüssel auseinanderklaffen: 

Insbesondere  sind bei den vier untersuchten strittigen Punkten in den laufenden Verhandlungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik  die Unterschiede groß: 

1.  Ministerin Köstinger setzt sich für 25 Prozent Ökoregelungen ein, aber nur, wenn mit Gegenrechnungen echte Umweltambitionen umgangen werden können.

2.  Entgegen ihren Ankündigungen in Österreich, will sie eine Ausnahmeregelung für Umverteilungszahlungen und Förderobergrenzen.

 

 

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3.  Eine Verknüpfung von Agrarförderungen mit Arbeitsrechten will sie nur ohne klare Regeln und Kontrollen.

4.  Bei der Berücksichtigung von Umweltaspekten bei Pestizidhöchstgehalten bei Importlebensmitteln bleibt sie in den Verhandlungen stumm.

Mogelpackung: 25% Ökoregelungen sinken mit Gegenrechnung

Ein Schlüsselelement der Gemeinsame Agrarpolitik ab 2023 sind die Ökoregelungen (Eco-Schemes). Es handelt sich um Prämienzahlungen für Umweltleistungen, die zu einer ökologischeren Ausgestaltung der pauschalen Direktzahlungen auf Flächenbasis (der 1. Säule) beitragen sollen.

Es werden zwischen 18-20 Prozent (Rat) und 30 Prozent (Parlament) der Mittel für Ökoregelungen aus den Flächenprämien verhandelt. Zuletzt trat Ministerin Köstinger für 25 Prozent Ökoregelungen ein. Das wurde als Meilenstein und große Umweltambition Österreichs gefeiert.

 

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Der Faktencheck zeigt, dass dieses „Vorpreschen” für 25 Prozent eine Mogelpackung ist. Ministerin Köstinger setzt sich in den Verhandlungen zwar für 25 Prozent Ökoregelungen (in der 1. Säule) ein, aber nur unter der Bedingung, dass sie mit dem bereits bestehenden österreichischen Agrarumweltprogramm aus der 2. Säule gegengerechnet werden.

Die 25 Prozent sind erstens ein Kompromissvorschlag unter den ursprünglich vom Parlament geforderten 30 Prozent und zweitens sinkt dieser Prozentsatz nochmals deutlich, wenn tatsächlich bestehende Umweltauflagen als „neue“ Ökoregelungen im größeren Umfang umdeklariert werden dürfen. „Durch die Gegenrechnung können die Ökoregelungen umgangen werden, ohne in Österreich die Umweltambitionen zu erhöhen.

Das ‚Vorpreschen‘ von Ministerin Köstinger für 25 Prozent Ökoregelungen erweist sich so als Mogelpackung für ein ‚So-wenig-wie-möglich‘. Es ist zu befürchten, dass dadurch die Klima- und Umweltziele in der Landwirtschaft nicht erreicht werden”, so Brigitte Reisenberger, Landwirtschaftssprecherin von GLOBAL 2000.

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Fehlanzeige: Keine Förderobergrenzen 

In Österreich erhalten 56 Prozent der Betriebe nur knapp 20 Prozent aller Direktzahlungen, während die oberen 4 Prozent der Betriebe 22 Prozent der Zahlungen erhalten. Nun gibt es die Möglichkeit, diese Ungerechtigkeit auszugleichen.

Derzeit werden in den Gemeinsame Agrarpolitik-Verhandlungen folgende Maßnahmen diskutiert:

Capping (Förderobergrenze einführen), Degression (schrittweise Abstufung der Gelder bei steigender Betriebsgröße) und Umverteilung zugunsten einer höheren Förderung der ersten Hektare.

Ministerin Köstinger gibt in Österreich vor, sich für Förderobergrenzen und eine Umverteilung hin zu den bäuerlichen Familienbetrieben einzusetzen. Auch im türkis-grünen Regierungsprogramm findet sich das Bekenntnis für eine einheitliche Förderobergrenze auf EU-Ebene.

In den EU-Agrarverhandlungen stellt sich Ministerin Köstinger jedoch gegen verpflichtende Förderobergrenzen und gegen eine verpflichtende Umverteilung der Direktzahlungen. Sie fordert Freiwilligkeit in Form eines „Opting out“ für Mitgliedsstaaten wie Österreich. Sie behauptet, dass es in Österreich kein Verteilungsproblem gäbe.

 

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„Es braucht dringend eine Umverteilung zur doppelten Förderung der ersten 20 ha. Doch Ministerin Köstinger ignoriert die große Kluft zwischen den Einkommen von Klein- und Bergbetrieben und Groß- und Intensivbetrieben in Gunstlagen. Sie vertritt in Brüssel das genaue Gegenteil ihrer Aussagen in Österreich und will weiter nach dem Prinzip ‚je mehr Fläche, umso mehr Gelder‘ fördern, zulasten der Mehrheit der bäuerlichen Betriebe“, so Franziskus Forster von der Österreichischen Berg- und Kleinbäuer_innen Vereinigung (ÖBV).

Blockade: Gegen Verknüpfung von Agrarförderungen mit Arbeitsrechten

Unter sozialer Konditionalität wird die Verknüpfung von Arbeits- und Sozialstandards als Voraussetzung für den Erhalt von Agrarförderungen verstanden. Ministerin Köstinger sagt zwar, es sei ein Kompromiss in den Verhandlungen in Sicht, fordert dafür in Brüssel aber eine reduzierte Anzahl von Rechtsvorschriften, keine Mindestkontrollrate und lediglich die Stärkung der landwirtschaftlichen Beratungsdienste.

 

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„Eine wirksame Verknüpfung von Agrarförderungen mit Arbeitsrechten würde verhindern, dass jene Landwirtschaftsbetriebe, die Dumpinglöhne zahlen oder ihre ErntearbeiterInnen nicht anmelden, vom 387 Milliarden Euro schweren EU-Budget für die Landwirtschaft profitieren.

Um die zahlreichen Missstände aufzudecken braucht es klare Regeln und ausreichend Kontrollen“, so Maria Burgstaller, Landwirtschaftsexpertin der Arbeiterkammer Wien. “Immerhin geht es darum, endlich würdige Arbeitsbedingungen für vier Millionen migrantische Saison- und ErntearbeiterInnen in der EU durchzusetzen, die unser Gemüse und Obst ernten”, so Martina Schneller von der Gewerkschaft PRO-GE.

Doppelstandards: Pestizidhöchstgrenzen bei Importlebensmitteln

Im Zuge der Trilog-Verhandlungen will das Europäische Parlament einen Artikel in das Kapitel zur “Gemeinsamen Marktorganisation” aufnehmen, der verlangt bei Einfuhrtoleranzen für Pestizidrückstände in Importlebensmitteln auch Umweltaspekte zu berücksichtigen.

 

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Als Frankreich im AgrarministerInnenrat am 26. Mai 2021 dafür eintrat, dass die Mitgliedsstaaten dem Vorschlag des Europaparlaments (und der Kommission) zustimmen, um gleiche Regeln auch für Importe aus Drittstaaten auf EU-Ebene durchzusetzen, blieb Ministerin Köstinger stumm.

Sie unterließ sie es, den französischen Vorstoß zu unterstützen, obwohl dieser genau das beinhaltete, wofür sie selbst noch im Vorjahr gegenüber österreichischen Medien vehement und öffentlichkeitswirksam eingetreten war. „Anscheinend sind belastete Erdäpfel aus Ägypten oder Erdbeeren aus China, die auf unseren Tellern landen, für Elisabeth Köstinger nur dann ein Problem, wenn sie in Österreich weilt und zu den österreichischen Medien spricht.

Ministerin Köstinger ist gefordert den Vorstoß Frankreichs zu unterstützen, um umwelt- und gesundheitsschädliche Doppelstandards bei Importen zu verhindern”, so Helmut Burtscher-Schaden, Umweltchemiker von GLOBAL 2000.