Kocher zu Lieferkettengesetz: "Nicht das, was wir wollen"
Von Michael Hammerl
In ihrem "Österreichplan bis 2030" sieht die ÖVP vor, die Steuer- und Abgabenquote bis 2030 auf unter 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu senken. Wie? Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) hat am Freitag vor Journalisten die Reformideen näher erläutert.
Die groben Eckpunkte: Einerseits soll der Eingangssteuersatz von 20 auf 15 Prozent sinken. Damit soll der Unterschied zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit größer werden. Es könnte aber gleichzeitig ein Anreiz sein, dass noch mehr Menschen Teilzeit arbeiten. „Dieser Zielkonflikt ist da, er ist nicht gelöst“, stimmt Kocher zu.
Steuersenkung: "Kommen an unsere Grenzen"
Um wiederum Vollzeitarbeit zu entlasten, schlägt die ÖVP einen jährlichen, steuerlichen Bonus von 1.000 Euro vor. Und damit auch jene Besserverdiener profitieren, soll der Steuersatz von 48 Prozent entfallen. Kocher hält die Maßnahmen für sinnvoll, gibt aber zu bedenken, dass man durch die Abschaffung der kalten Progression und die ökosoziale Steuerreform im Steuerbereich nicht mehr allzu viel Spielraum habe: „Damit kommen wir jetzt im Einkommenssteuerbereich schön langsam an unsere Grenzen.“
Der entscheidende Faktor, damit Menschen höhere Nettogehälter bekommen, seien ohnehin die Lohnnebenkosten. Die ÖVP will diese wiederum bis 2030 sukzessive senken – und zwar um 0,5 Prozentpunkte pro Jahr.
Lohnnebenkostensenkung: "Kann man so umsetzen"
Der ÖVP-Pfad würde das Budget jährlich mit 800 Millionen Euro Mehrkosten belasten. Senken will man Beiträge der Arbeitgeber für den Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) und zur Arbeitslosenversicherung.
Wer soll das bezahlen?
FLAF-Senkungen müsste man jedenfalls aus dem Budget finanzieren, sagt der Minister. Bei der Arbeitslosenversicherung sei ein gewisser Spielraum da, weil man aufgrund der demografischen Entwicklung – ältere Bevölkerung, mehr Pensionisten, weniger Arbeitende – in den kommenden Jahren voraussichtlich eine geringere Arbeitslosigkeit haben werde. „Wenn man das im Hinterkopf hat, kann man so einen Senkungspfad in den Budgets tatsächlich umsetzen“, sagt Kocher.
Lieferkettengesetz: "Gut gemeint, aber nicht das, was wir wollen"
Zuvor begründete Kocher noch einmal, warum er sich am Freitag bei der Abstimmung über das EU-Lieferkettengesetz enthalten hat – woran Grüne und Gewerkschaften harte Kritik üben. Die EU-Staaten konnten sich bei der Abstimmung nicht einigen. Man habe weitere Verhandlungen gefordert und begrüße die Rückkehr an den Verhandlungstisch, sagt der Minister.
Prinzipiell hätten immer alle Minister und Ministerinnen im Wettbewerbsrat der EU die Ziele des Gesetzes geteilt, so Kocher: keine Kinderarbeit, keine Zwangsarbeit, keine Menschenrechtsverletzungen.
Der Knackpunkt auf europäischer Ebene sei zuletzt die Umsetzbarkeit gewesen: „Es ist so, dass es Gesetzestexte gibt, die gut gemeint sind, aber dann nicht das erreichen, was wir wollen.“ Der Grund: Es gebe 100 Lieferketten, deren Monitoring sich relativ rasch extrem aufblasen würde.
"Extrem hohe Kosten"
„Der jetzige Gesetzesvorschlag sieht vor, dass jedes Unternehmen in Europa jede dieser Lieferketten überwachen muss“, so Kocher. Gewisse Zulieferer in einem Drittstaat müssten also hunderte, vielleicht aus tausende Male, von europäischen Unternehmen überprüft werden. „Entweder werden gewisse Unternehmen also nicht wirklich überwacht und die Richtlinie wirkt nicht. Oder, wenn es kleinere Unternehmen sind, fallen diese – auch wenn die sauber sind – aus der Lieferkette hinaus“, sagt der Minister.
Kocher verweist deshalb auf alternative Vorschläge. Es gebe jetzt schon private Institutionen, die Bewertungen von Unternehmen vornehmen. Sie könnten Zulieferer für alle Importeure aus Europa auf eine Positiv- oder Negativliste setzen. „Dieser Vorschlag wäre gangbar und würde die Unternehmen nicht aus der Pflicht nehmen“, sagt Kocher.
Der aktuelle Vorschlag erreiche „vielleicht“ einen Teil der Ziele – allerdings „zu extrem hohen Kosten“. Dass Österreich sich nach langen Verhandlungen nun kurzfristig enthalten wird, sieht er nicht als Problem: „Österreich wird hier überhaupt nicht als Blockierer wahrgenommen.“