Politik/Inland

FPÖ-Minister Kickl: „Nicht zum Maulkorb verpflichtet“

Wenn man in das Arbeitszimmer von Herbert Kickl im Palais Dietrichstein-Modena vorgelassen wird, muss man sich als Gast quasi digital „unbewaffnet“ dem FPÖ-Innenminister nähern. Das Handy wird am Empfang abgenommen, selbst die engsten Mitarbeiter des Innenministers sind von dieser Regelung nicht ausgenommen – die übrigens bei keinem von Kickls Vorgängern existierte. Keine Frage, diese Maßnahme zeugt von hohen Sicherheitsvorkehrungen – allerdings schwingt auch eine Portion Misstrauen mit.

Nach zehn Monaten im Amt bekam der KURIER nach zahlreichen Anfragen und Absagen nun erstmals einen Interviewtermin mit Kickl.

KURIER: Herr Kickl, Ihre Parteikollegen, allen voran Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer, sind auf Kuschelkurs mit der ÖVP und treten in der Außenwirkung sanft auf. Sie folgen nicht diesem Muster. Sind Sie sich als einziger FPÖler treu geblieben?

Herbert Kickl: Jetzt muss ich Sie fragen, mit wem ich kuscheln soll?

Mit den Türkisen ...

Mir geht es in diesem Kernressort um die Umsetzung von dem, was wir in der Wahl versprochen haben. So handle ich auch, und so gesehen habe ich vielleicht ein Kuschelbedürfnis mit der Bevölkerung.

Sie haben von der Entstehung einer korrupten Krake im BVT gesprochen, die ja jahrelang unter ÖVP-Führung gewachsen ist. Auch Werner Amon, der ÖVP-Fraktionsführer im BVT-U-Ausschuss, ist Ihnen ein Dorn im Auge. Sie attackieren damit immer wieder den Koalitionspartner. Passiert das aus Kalkül, weil man Ihnen nachsagt, Sie hätten eine rot-blaue Koalition bevorzugt?

Das ist schlicht und ergreifend falsch. Bei aller Harmonie, die keine gespielte ist, können in der Regierung auch kleine Nebengeräusche auftauchen. Das ist normal. Es kann ja nicht gewollt sein, dass jetzt alle Politiker wie aus der Retorte agieren und der gleiche Typ sind. Es ist gut, wenn es Unterschiede gibt, und ich bin mentalitätsmäßig eben anders unterwegs.

Mentalitätsmäßig anders unterwegs – wie würden Sie sich beschreiben?

Hin und wieder ist es notwendig, Klartext zu reden. Ich halte Werner Amon für einen sehr guten Abgeordneten und Sicherheitssprecher der ÖVP. Deswegen ist umso mehr die Frage erlaubt, ob es wirklich ein vernünftiger Ansatz ist, wenn man im BVT-U-Ausschuss so auftritt, als wäre man der Strafverteidiger einer der Hauptbeschuldigten in diesem Verfahren. Das muss aber die ÖVP-Fraktion für sich selber entscheiden, ob das der richtige Weg ist, wenn es um Aufklärung geht. Da darf aber dann schon Kritik seitens des Koalitionspartners erlaubt sein. Wir haben uns zu einer Partnerschaft verpflichtet, um politisch was weiterzubringen, aber nicht, um uns gegenseitig einen Maulkorb umzuhängen.

Heißt das indirekt, die ÖVP soll Werner Amon im BVT-U-Ausschuss als Fraktionsführer auswechseln?

Das steht mir nicht zu. Wenn jemand ein freundschaftliches Verhältnis zu einem der Hauptbeschuldigten hat, wo auch die Hausdurchsuchung seitens des Oberlandesgerichts als gerechtfertigt eingestuft wurde, dann würde man vielleicht als außenstehender Beobachter sagen, dass eine gewisse Befangenheit vorliegen könnte. Wenn Werner Amon die Staatsanwälte befragt, die gegen diese Person, die sein Freund ist, ermitteln, ist die Optik eventuell etwas seltsam.

 

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Ihr Berater und Ex-Verfassungsschutzchef Gert-René Polli hat im U-Ausschuss gesagt, wir „tanzen auf der Asche des BVT“. Sie wollen aus dem Verfassungsschutz ein Schmuckkästchen machen. Wer erledigt die Aufgaben des BVT, bis aus der Asche ein Schmuckkästchen geformt wurde? Das wird ja einige Zeit dauern...

Niemand tanzt, weil sich niemand darüber freut, dass die Strafjustiz solchen Vorwürfen nachgehen muss. Asche ist aber insofern ein gutes Stichwort, weil die Diskussion hier falsch geführt wird. Man tut so, als wäre die Hausdurchsuchung der Beginn einer Entwicklung. In Wahrheit ist sie der Endpunkt. Wir alle wissen, dass die Ermittlungen schon viel früher begonnen haben. Wenn man jetzt sagt, diejenigen, die den Löscheinsatz gemacht haben, sind schuld, dann ist das eine Verdrehung der Tatsachen. Nicht die Feuerwehr ist schuld, sondern diejenigen, die den Brand gelegt haben. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt da, um die Qualität zu erhöhen, eine klare Aufgabendefinition herzustellen und damit zu signalisieren, dass das BVT international ein verlässlicher Partner ist.

Wie wollen Sie die Qualität heben und wie lange wird das dauern?

Mit einem eigenen Lehrgang für Verfassungsschützer. Und wir werden international und vor allem mit Deutschland die Kooperation auf universitärer Ebene suchen. Ich möchte die Präsentation der gesamten Ergebnisse am Beginn 2019 vornehmen.

Sie sagen zwar, man soll nicht der Feuerweh die Schuld geben. Im BVT-U-Ausschuss gab es einige Zeugen, die anderes vermuten lassen. Eine Zeugin sagte aus, dass ihr nichts strafrechtlich Relevantes im BVT aufgefallen sei. Erst Ihr Generalsekretär Peter Goldgruber habe ihr gesagt, dass es strafrechtlich relevant sei. Das erzeugt die Optik, dass Goldgruber die Belastungszeugen der Staatsanwaltschaft beschafft hat...

Ich weiß nicht, warum man sich so beharrlich weigert, die Fakten anzuerkennen. Peter Goldgruber hat keine Zeugen beschafft, sondern es haben sich Leute bei uns gemeldet. Auch das ist nicht ungewöhnlich, wenn es eine neue Ressortführung gibt, dass dann Leute diesen Moment nutzen, die davor geglaubt haben, sie kommen mit Informationen nicht durch. In Kärnten war das ganz normal, dass nach einem Wechsel – weg von den Freiheitlichen – eine ganze Reihe von Korruptionsvorwürfen, teilweise von den Beamten des damaligen Apparates erhoben worden. Dort war es das Großartigste und ein wichtiger Beitrag zur Aufklärung – und beim BVT ist es etwas Seltsames? Faktum ist, dass alle Vertreter der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen haben, dass es irgendeine Form von Ermittlungsdruck gab. Die Leiterin der Korruptionsstaatsanwaltschaft sagte sogar, dass das Wort Ermittlungsdruck ein Anwärter für das Unwort des Jahres ist. Im Fall BVT werden viele Dinge von der Opposition seltsam auf den Kopf gestellt.

Sie haben Philosophie studiert. Wie greifen Sie beim Regieren auf dieses Wissen zurück?

Die Philosophie kann einem keine Gebrauchsanweisungen für konkrete Fälle geben, aber sie bringt einen dazu, genauer hinzuschauen, sich nicht immer in Verästelungen herumzutreiben, sondern an die Wurzeln zu gehen – die Differenzierung zwischen Zweck und Mittel in den Fokus zu bekommen. Daher glaube ich, dass die philosophische Ausbildung eine gute Grundausbildung ist, wenn man einen politischen Weg einschlagen will.

 

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Sie wurden vor ein paar Tagen 50 Jahre alt. Üben Sie in so einem Moment eine Art Selbstreflexion?

Ich habe eher versucht, den 50. Geburtstag auf die Seite zu schieben, als ihn bewusst zu begehen.

Warum?

Weil einfach der Tag danach genau gleich ist wie der Tag davor. Das ist keine Zäsur für mich. Man hinterfragt sich ohnehin jeden Tag, da brauche ich keinen 50. Geburtstag dazu. Ich versuche auch, jeden Tag meine Energie und meinen Antrieb nach vorne zu halten, um sozusagen ein Faktor in der Bundesregierung zu sein, der Vortrieb leistet.

Sie sind kein Freund der NGOs. Ihr Sohn ist Anfang 20 – also in einem Alter, wo man sich für Hilfsorganisationen engagiert. Wie würden Sie reagieren, wenn er diese Absicht äußert?

Das ist zwar seine Entscheidung. Aber das würde mich sehr überraschen, denn da müsste über Nacht irgendetwas passiert sein, was mir bisher entgangen ist.

Sie haben vor kurzem geheiratet. Würden Sie Italiens Innenminister Matteo Salvini wie Heinz-Christian Strache als Freund bezeichnen und ihn zur Hochzeit einladen?

Freundschaft ist ein sehr großes Wort und ein Begriff, mit dem ich nicht leichtfertig umgehe. Natürlich gibt es politische Freundschaften, aber nicht immer ist eine solche gleichbedeutend mit einer persönlichen Freundschaft. Ich würde Matteo Salvini nicht einladen, weil ich eine Hochzeit sowieso als etwas Privates ansehe.

Wladimir Putin würden Sie also auch nicht einladen…

Nein. Ich habe selber in sehr, sehr kleinem Kreis geheiratet. Eine Hochzeit ist etwas Privates für mich und keine politische Veranstaltung.

Wie viele Freunde hat ein Herbert Kickl?

Sie werden es nicht glauben: Es gibt welche. Ich habe sehr, sehr gute Freunde. Ich frage sie nicht, welcher Partei sie angehören und sie reden mir auch nicht immer nach dem Mund. Mit manchen gehe ich gerne in die Berge.

Die Freunde sind also Ihre akzeptierten Kritiker…

Jeder darf mich kritisieren. Man darf sich nur nicht wundern, wenn ich meine Argumente vorbringe und dann schauen wir einmal, wer Recht hat.

Sie sind seit zehn Monaten im Amt. Zehn Monate lang hat der KURIER kein Interview bekommen. Eigentlich ein Beweis dafür, dass das Mail aus Ihrem Ressort, wo man kritische Medien mit weniger Informationen versorgen soll, auch von Ihnen ausgeht.

Ich würde sagen, das Beste kommt immer zum Schluss.

Danke für die Rosen, aber gibt es auch eine ernsthafte und ehrliche Antwort?

Ich könnte wahrscheinlich fast rund um die Uhr Interviews geben, aber ich sehe das nicht als meine Hauptaufgabe. Es ist jetzt ein guter Zeitpunkt, aber ich muss nicht in Dauerinterviewschleifen hängen. Ich will nicht alles und jedes kommentieren.