Jetzt startet die Corona-Aufarbeitung: Wie sie aussehen wird
Die von der Bundesregierung angekündigte Aufarbeitung der Coronapandemie, der sogenannte Versöhnungsprozess, startet und soll konkret aus zwei Teilen bestehen. Eine sozialwissenschaftliche Analyse der Akademie der Wissenschaften zu Themen wie Wissenschaftsskepsis und Polarisierung und vertiefenden Interviews mit Fokusgruppen aus allen Bundesländern.
Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) sowie Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) gaben heute, Donnerstag, gemeinsam mit Alexander Bogner von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Details bekannt, wie dieser Prozess ablaufen soll. Der Kanzler selbst war nicht dabei und wird auch seine angekündigte Versöhnungsrede nicht halten.
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Wie der Prozess aussehen wird:
Ausnahmezustand
Die letzten drei Jahre seien mit dem Wort "Ausnahmezustand" zu beschreiben, sagt Edtsadtler. Die "Jahrhundertpandemie" habe zu Maßnahmen und Entscheidungen geführt, die zwar Menschenleben gerettet haben, aber auch zu Polarisierung führten, sagt die Verfassungsministerin am Donnerstag vor Journalisten.
Nun wolle man den Aufarbeitungsprozess starten, mit Wissenschaftlern und mit Stimmen aus der Bevölkerung und sich für zukünftige Krisen wappnen. Ziel sei, eine gewisse Grundsolidarität in der Gesellschaft zu erhalten, erklärt Gesundheitsminister Rauch.
Er betont bei der Pressekonferenz neuerlich, dass der Virus bleiben werde, aber, "Österreich ist derzeit dabei, die Maßnahmen zu beenden". Jetzt sei der Zeitpunkt gekommen - wie im Rest der Europas - Erkenntnisse umzusetzen. Sie sollen Eingang im neuen Pandemiegesetz finden. Wie auch die Bewertung des Rechnungshofs zum Pandemiemanagement, sagt Rauch. Bis Jahresende soll dieses neue Gesetz in Begutachtung gehen.
Die Aufarbeitung wird aus zwei Teilen bestehen:
Der erste Teil habe bereits begonnen: Der Forschungsprozess, der im ersten Schritt die Maßnahmen der Regierung analysieren soll. Unabhängig durchgeführt werde das durch die Akademie der Wissenschaft (AWÖ), erklärt Wissenschaftsminister Polaschek.
Der zweite Teil soll ein Dialog mit der Bevölkerung sein. Dabei wird es Fokusgruppen in allen Bundesländern geben. Das Konzept werde vom ÖAW aber erst erarbeitet.
Wonach wird gesucht?
Soziologe Bogner betont, dass durch die wissenschaftlichen Studien des AWÖ Verständigung gefordert werden solle. Konkret sollen vier zentrale Themen untersucht werden:
1. Polarisierung: Wie beeinflusst Mediennutzung die Polarisierung in der Gesellschaft?
2. Konflikt: Am Beispiel Impfen und Homeschooling soll untersucht werden, welche Kommunikationsmethode die Regierung verpasst habe, um der Polarisierung hätte vorgreifen können.
3. Politikberatung und Kommunikation: Untersucht werden soll das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik.
4. Wissenschaftsskepsis: Die Ausarbeitung von Empfehlungen im Umgang mit Wissenschaftsskepsis.
Ziel ist es, Gräben zuzuschütten und die Standpunkte der "Anderen" zu verstehen, sagt Edtstadler und sieht dabei auch Gesellschaft und Medien gefordert.
Der Prozess werde 545.000 Euro kosten, erklärt der Polaschek. Ende des Sommers werden erste Zwischenergebnisse erwartet, einen Endbericht kündigt Bogner für Ende des Jahres an.
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Lernprogramm
Nehammer hatte bei der Vorstellung der Idee im Februar Corona als "eine Art Trauma" für die Gesellschaft bezeichnet, das tiefe Gräben hinterlassen habe und das man nun bewältigen müsse. Eine "Zeit für ein neues Miteinander" sah damals auch Rauch gekommen.
Den NEOS missfällt das. Pandemiesprecher Gerald Loacker erinnerte daran, dass die Regierung in der Hochphase der Pandemie permanent den Schulterschluss mit den anderen Parteien eingemahnt habe. Jetzt bei der Aufarbeitung schließt die Koalition die Opposition von vornherein aus: "So lassen sich eher keine Gräben zuschütten, so lässt sich auch kein Vertrauen wieder aufbauen", meinte Loacker in einer Aussendung.
FPÖ-Chef Herbert Kickl reagierte ungerührt. Eine echte Aufarbeitung könne es nur durch den Rücktritt der Regierung und anschließende Neuwahlen geben, meinte er in einer Aussendung. In diesem Zusammenhang erneuerte der FPÖ-Obmann die Forderung nach einem parlamentarischen Corona-Untersuchungsausschuss: "Ich bin zuversichtlich, dass wir nach der nächsten Nationalratswahl so stark sein werden, dass wir diesen Ausschuss im Alleingang einsetzen können."