Neos-Chefin: "Wir sind das Gegenmodell zur FPÖ"
Von Johanna Hager
In Österreich liegt die Inflationsrate derzeit bei knapp unter 10 Prozent - weit mehr als in anderen EU-Ländern. Die türkis-grüne Regierung habe bis dato nicht adäquat darauf reagiert, sagt Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger in der ORF-Pressestunde.
"Die Mitte bricht ökonomisch und politisch weg, das liegt auch an der Inflation", so die Neos-Chefin. Es gelte, die Lohnnebenkosten zu senken, "um das Aufstiegsversprechen einhalten zu können". Die Entwicklung bereite ihr zunehmend "Sorge. Es verwundert mich aber auch nicht, in einem Land, in dem der Staat 60 Cent von jedem verdienten Euro wegnimmt".
Sparer-Freibetrag wie in Deutschland
Meinl-Reisinger kann "nicht nachvollziehen", warum die Kapitalertragsteuer KESt (25 Prozent) unangetastet bleibt und nicht abgeschafft wird. Alle Länder seien Österreich voraus, was die Möglichkeit von Vermögensaufbau betrifft. Zudem: "Wenn die Sparneigung steigt, dann wird die Inflation wieder sinken", attestiert sie, zumal die Hälfte der Österreicher ein Sparbuch besitze. In Deutschland werde der Sparertrag von 1.000 Euro nicht versteuert (Sparer-Pauschbetrag), so solle es künftig auch in Österreich gehalten werden.
"Die Abschaffung der Kalten Progression ist nichts anderes als ein Verzicht auf eine Steuererhöhung", befindet die pinke Chefin.
Landesenergieversorger seien gefordert
Dem Ruf nach Preisdeckeln wie SPÖ und FPÖ, um die Preissteigerungen einzudämmen, schließt sie sich nicht an. "Was hindert die Bundesregierung daran, die Landeshauptleute durchzurufen, um die Landesenergieversorger zur Verantwortung zu ziehen?" Nicht der Staat müsse die Preise deckeln, sondern die Landesenergieversorger. Die Steigerungen würden schnell weitergegeben werden - die Senkungen allerdings nicht.
In Österreich gebe es eine Marktkonzentration im Lebensmittelhandel (LEH), die Preise im LEH seien allerdings nicht um so vieles höher als in anderen EU-Ländern wie medial berichtet, so Meinl-Reisinger.
Vorbild Irland und Schweiz
Österreich "möge sich ein Beispiel am neutralen Irland oder der neutralen Schweiz nehmen", um in der Ukraine zu helfen. Nicht mit militärischem Gerät, sondern für Ausbildung und humanitäre Hilfe. Es müsse im "größten Interesse Österreichs" liegen, dass wieder eine politische Ordnung hergestellt wird. "Völkerrecht, Verträge und Diplomatie müssen wieder zählen." Beate Meinl-Reisinger weist in diesem Zusammenhang auf die Haltung der FPÖ gegenüber Russland hin. Sie hält den Einfluss Russlands auf die FPÖ für "massiv". Es handle sich um eine "glasklare Propagandahilfe für Russland".
Danach gefragt, ob Neos etwas dem FPÖ-Erfolg etwas entgegenhalten können, sagt sie: "Wir sind das Gegenmodell". Die FPÖ würden gemäß dem Motto agieren "alles scharf gegen Ausländer". Vor allem in der Asylpolitik. Hier plädiert die Neos-Chefin für rasche Verfahren an den EU-Außengrenzen und kritisiert das Verhalten von Ungarn und Serbien in diesem Zusammenhang scharf. Bei den Staatschefs handle es sich um "Best Buddies" von Bundeskanzler Karl Nehammer.
"Sehe nicht viel Optimismus in den Augen meiner Kinder"
Den Aktionen der Klimakleber kann sie nichts abgewinnen, wohl aber deren Ansinnen. "Ich habe drei Kinder und sehe in den Augen meiner Kinder nicht viel Optimismus. Die Klimakleber schaffen Polarisierung und verärgern Menschen. Ich halte es für falsch, aber man muss Leute ins Boot holen für die große Aufgabe."
Österreich werde die Klimaziele verpassen, attestiert die pinke Parteichefin, "und das mit grüner Regierungsbeteiligung". Das "Tempolimit 100 hätte ich befürwortet als die Spritpreise hoch waren". Gegenwärtig hält sie nichts von derlei Ideen.
Verluste bei Landtagswahlen: "Da ist sehr viel schiefgelaufen"
In Salzburg und Kärnten haben die Neos den Einzug in die Landtage nicht mehr geschafft, doch den Neos gehe es gut, so deren Vorsitzende. "Die Arbeit, die wir machen müssen, ist Strukturarbeit. Das ist Hacke!"
Die Kommunisten, die es in Salzburg in den Landtag geschafft haben, hätten "das glitzernde Sakko des Neuen angehabt" und auf das richtige Thema gesetzt - leistbaren Wohnbau.
Derzeit stünden die Neos nach 10 Jahren bei 10 Prozent, so Meinl-Reisinger. Die Neos definierten sich als eine pro-demokratische Partei - "Wir sind nicht populistisch, versprechen den Menschen nicht das Land, wo Milch und Honig fließen". Überall sei das Modell des Liberalen unter Druck - von Europa bis in die USA. "Umso mehr ist es Zeit, aufzustehen und zu zeigen, dass der Glaube an das liberale Modell und eine soziale Marktwirtschaft" Europa weit gebracht habe".
Im Bildungsbereich solle sich Österreich ein Beispiel an Estland und Finnland nehmen. Dort fühlten sich beispielsweise Lehrer zu 70 Prozent gesellschaftlich anerkannt, in Österreich seien es lediglich 17 Prozent. Das heimische Bildungssystem sei "teuer, ungerecht und bringe nicht die Leistungen". Besonders die ÖVP baue im Bildungsbereich nicht nur "rund um Österreich eine Mauer", sondern auch "um alle wissenschaftliche Erkenntnisse", so Meinl-Reisinger.