Vor Schengen-Abstimmung: Schlepperrouten vermehrt über Rumänien, Bulgarien
Unmittelbar vor den Beratungen der EU-Innenminister über eine Erweiterung des Schengenraums um Kroatien, Bulgarien und Rumänien hat das Innenministerium aktuelle Zahlen zu Migrationsrouten bekanntgegeben. "Schlepperrouten führen vermehrt über Rumänien und Bulgarien", teilte die Behörde am Mittwochabend unter Verweis auf Analysen des Bundeskriminalamts mit. Österreich will am Donnerstag gegen den Schengen-Beitritt Sofias und Bukarests stimmen.
"Sowohl Rumänien als auch Bulgarien sind Teil der Österreich betreffenden Schlepperrouten", sagte Gerald Tatzgern, der Leiter der Schleppereibekämpfung im Bundeskriminalamt, laut einer Aussendung des Innenministeriums. Dies belegten die Einvernahmen von illegalen Migranten und festgenommenen Schleppern, aber auch das Ergebnis der Auswertung der Geo-Daten von mehr als 400 sichergestellten Mobiltelefonen.
EU-Innenminister entscheiden über Schengenraum-Erweiterung
Die EU-Innenminister entscheiden am Donnerstag in Brüssel über die Erweiterung des Schengenraums um Bulgarien, Rumänien und Kroatien. Während die Aufnahme Kroatiens in den grenzkontrollfreien Schengenraum als sicher gilt, lehnt vor allem Österreich den Beitritt Bulgariens und Rumäniens ab. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) begründet die Ablehnung mit der hohen Zahl von Asylanträgen in Österreich und fordert weitere Maßnahmen von der EU-Kommission.
Mit seiner Veto-Ankündigung steht Österreich in der EU weitgehend alleine da. Nur in Bezug auf Bulgarien haben auch die Niederlande Bedenken angemeldet, für Rumänien und Kroatien zuletzt aber Grünes Licht signalisiert. Bulgarien drohte mit nicht näher definierten "Gegenmaßnahmen" im Falle einer Ablehnung des Beitritts.
Zunächst stimmen die EU-Innenminister am Donnerstagvormittag über die Aufnahme Kroatiens ab, anschließend wird über die Erweiterung um Rumänien und Bulgarien entschieden. Die bestehenden Schengen-Mitglieder müssen einer Aufnahme eines weiteren Landes einstimmig zustimmen. Neben 22 EU-Mitgliedsländern gehören die Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein zum Schengenraum. Normalerweise finden auf diesem Gebiet keine stationären Grenzkontrollen statt. Insbesondere nach der Migrationskrise im Jahr 2015 wurde dieses Prinzip von einer Reihe von Staaten, darunter Österreich, ausgesetzt.
Bulgarien gelte unter den Schleppergruppierungen als Transitland, in dem die Weiterschleppungen über Serbien oder Rumänien organisiert werden, hieß es weiter. Rumänen seien in Österreich auf Platz 4 unter den TOP 10 der Nationalitäten der Schlepper. Rumänien gelte im Vergleich zu Ungarn als eher leicht überwindbare Grenze und werde daher oft als Route von Serbien nach Ungarn gewählt. Insbesondere die Grenzmaßnahmen in Griechenland führten immer wieder zu einer Routenverlagerung zur türkisch-bulgarischen Grenze.
Auch bei den Befragungen würden Bulgarien und Rumänien häufig genannt. 78 Prozent der Afghanen geben demnach Bulgarien als erstes EU-Land an sowie zwei Drittel der Marokkaner. 50 Prozent der Personen aus Bangladesch wiederum erklären, über Rumänien gereist zu sein.
Drei Viertel nicht registriert
Österreich, das erster Zielstaat nach den Balkanrouten ist, fühlt sich durch den Zuwachs in den Migrationszahlen stark belastet. Bis Ende Oktober wurden laut Innenministerium 89.867 Asylanträge gestellt, was eine Steigerung von über 200 Prozent zum Vorjahr darstelle. In Österreich wurden 2022 bereits mehr als 100.000 Migranten aufgegriffen. Ca. 75.000 davon waren laut den Behörden zuvor nicht registriert und wurden somit nicht kontrolliert.
Der Anteil der Migranten, die über Griechenland aus der Region Westbalkan in Österreich einreisen, betrage 20 Prozent. Dabei handle es sich hauptsächlich um Personen aus Pakistan, Somalia und Bangladesch.
Aus der Türkei über Bulgarien kämen 40 Prozent, vor allem Menschen aus Afghanistan, Syrien, Marokko, Ägypten und Somalia. Ebenfalls 40 Prozent reisen visafrei per Flugzeug in die Balkanregion ein, insbesondere Inder, Türken und Bangalen. Auch bei den Flugeinreisen über Belgrad sei die weitere Route über Rumänien von Bedeutung. Diese werden kaum erfasst, aber 61 Prozent aller Treffer der europäischen Fingerabdruck-Datenbank Eurodac der Staaten Indien, Türkei, Bangladesch seien in Rumänien verzeichnet worden.