Politik/Ausland

US-Wahl: Anwalt Rudy Giuliani macht sich für Trump zum Gespött des Internets

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Wer die Pressekonferenz von Rudy Giuliani am Donnerstag Nachmittag sah, dem blieb erneut nur das Staunen. War das der Mann, der das Land vor knapp zwei Jahrzehnten so eindrucksvoll durch die 9/11-Krise begleitete?

In einer Manier, die eigentlich eher Trump als dem Top-Juristen Giuliani zugeschrieben wird, verhedderte sich Giuliani vor der US-Presse und vor den Zuschauern via TV und Internet in Anschuldigungen und Theorien zum möglichen Wahlbetrug durch die Demokratische Partei.

Der frühere New Yorker Bürgermeister warf in einer eineinhalbstündigen Pressekonferenz anwesenden Reportern einen "krankhaften Hass" auf Trump vor, kritisierte Medien für "hysterische" Berichterstattung über den Präsidenten und bezichtigte eine Journalistin wiederholt der "Lügen". Giuliani warf den Medien auch vor, "Zensur" zu betreiben.

Internet-User vergleichten Giuliani nach seinem Auftritt ob seiner wirren Behauptungen gar mit dem früheren libyschen Diktator Muammar Gaddafi, der für groteske Erscheinungen bekannt war.

Zu allem Überfluss schwitzte Giuliani bei seinem Auftritt so sehr, dass ihm eine dunkle Flüssigkeit die Wange herunterrann - Beobachter wollen das als Haar-Färbemittel erkannt haben.

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Das Fazit der Pressekonferenz ging dabei ein wenig unter. Nicht ernst nahmen die liberalen US-Amerikaner offenbar den verschärften juristischen Kampf der Republikaner rund um Donald Trump, die den Glauben an den Wahlsieg offenbar immer noch nicht aufgeben wollen.

Ganze Bundesstaaten kippen

In einer Klage in Pennsylvania wollen seine Anwälte nun das Ergebnis der Wahl in dem Bundesstaat aushebeln lassen. In Wisconsin wird es eine Neuauszählung der Stimmen in zwei Bezirken geben. Trumps Anwalt Rudy Giuliani kündigte bei einer Pressekonferenz am Donnerstag weitere Klagen an, etwa in Georgia.

Ob die Anstrengungen helfen, ist fraglich: Nach einer Neuauszählung schrumpfte Trumps Rückstand in Georgia auf den siegreichen Herausforderer Joe Biden nur von 14.000 auf rund 13.500 Stimmen.

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Die Ergebnisse in einzelnen Bundesstaaten sind der Schlüssel zum Sieg bei einer Präsidentenwahl. Das Staatsoberhaupt wird nicht vom Volk direkt gewählt, sondern von Wahlleuten, die ihre Stimmen gemäß den Ergebnissen in ihrem Bundesstaat abgeben. Der Demokrat Biden hat nach Berechnungen von US-Medien 306 Wahlleute hinter sich, für die Wahl zum Präsidenten benötigt er 270. Trump kommt auf 232 Wahlleute. Pennsylvania ist ein besonders wertvoller Bundesstaat mit 20 Wahlleuten, Georgia bringt 16 Stimmen und Wisconsin 10.

In Pennsylvania fordert die Trump-Seite unter der Regie seines langjährigen persönlichen Anwalts und Vertrauten Giuliani in einer schon zum zweiten Mal überarbeiteten Klage, das Wahlergebnis in dem Bundesstaat komplett nicht zu bestätigen. Stattdessen solle das örtliche Parlament - in dem Republikaner die Mehrheit haben - die Wahlleute ernennen. Das Ziel: Diese ernannten Wahlleute sollen am 14. Dezember nicht für den Wahlsieger Biden, sondern für den unterlegenen Trump stimmen. Trump würde sich auf diese Weise die Unterstützung von 20 Wahlleuten sichern, die ihm laut Wahlergebnis nicht zustehen.

Trump setzt alles auf eine Karte

Trump behauptet schon seit dem Wahltag am 3. November, dass ihm der Sieg durch Betrug genommen worden sei. Giuliani und weitere Anwälte Trumps erneuerten diese Vorwürfe am Donnerstag. "Es gab einen Plan von einem zentralen Ort aus, diese verschiedenen Akte des Wahlbetrugs auszuführen, der sich speziell auf große Städte konzentrierte", behauptete Giuliani. Trump hatte die Pressekonferenz auf Twitter mit den Worten angekündigt, seine Anwälte würden dort einen "sehr klaren und realisierbaren Weg zum Sieg" aufzeigen.

Handfeste Belege für Wahlbetrug im großen Stil wurden dabei wieder nicht geliefert. Trumps Rechtsberaterin Jenna Ellis warf den Medien, die dies immer wieder bemängeln, vor, nicht zu wissen, dass die Beweisführung Zeit in Anspruch nehme. Wie Trump verbreiteten seine Anwälte Gerüchte weiter, dass die bei der Stimmauszählung verwendete Software für Trump abgegebene Stimmen dem Herausforderer Biden zugeschrieben habe. Auch prangert das Trump-Lager angeblich gefälschte Stimmzettel aus der Briefwahl an. Trumps Anwälte behaupteten nun auch ohne Belege, dass die Wahl von Venezuela, Kuba und China beeinflusst worden sei.

Die Anwälte mussten in verschiedenen Bundesstaaten bereits mehr als zwei Dutzend Niederlagen einstecken. Sie versuchen es aber weiter. Giuliani sagte: "Wir sind eingeschränkt, in dem, was wir tun können. Wir sind nicht das FBI, wir sind nicht die Regierung." Wäre er in der Regierung, wären "wahrscheinlich schon viele Menschen festgenommen worden".

Die Korrespondentin der "New York Times" für das Weiße Haus, Maggie Haberman, schrieb auf Twitter: "Einige Trump-Berater - von denen keiner öffentlich spricht - sagen, diese Pressekonferenz und das, was Giuliani tut, sei gefährlich. Sie warten darauf, dass der Präsident das erkennt, aber das tut er bisher nicht."

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Eingeständnisse

Unterdessen räumen immer mehr ranghohe Republikaner ein, dass Biden am 20. Jänner 2021 als nächster Präsident vereidigt werde. Die Spitze der Partei hält aber nach wie vor zu Trump.

Selbst wenn die Klagen nicht funktionieren sollten, gelingt es Trump bereits, dass eine Mehrheit der republikanischen Wähler die Rechtmäßigkeit von Bidens Erfolg sowie seiner Präsidentschaft anzweifelt. Laut einer Umfrage glaubten 70 Prozent von ihnen inzwischen, dass Biden durch Betrug gewonnen habe, berichtete der Nachrichtensender CNN.

Wo wackeln Ergebnisse?

Im Bundesstaat Wisconsin wird es auf Antrag der Trump-Seite eine Neuauszählung in zwei großen Bezirken geben, wie die Wahlkommission nach kontroversen Beratungen in der Nacht auf Donnerstag entschied. In beiden Bezirken ist Biden haushoch überlegen. Im Dane County liegt er vor Trump mit über 260.185 zu 78.800 Stimmen, im Milwaukee County mit 317.270 zu 134.357 Stimmen. Trumps Wahlkampfteam musste dafür drei Millionen Dollar überweisen. Die Kosten einer Neuauszählung würde der Staat tragen, wenn der Vorsprung weniger als 0,25 Prozent betragen hätte - er liegt aber bei 0,62 Prozent. Der Präsident überschüttet seine Anhänger nach wie vor mit Spendenaufrufen.

In Michigan mit 16 Wählerstimmen ließen Trumps Anwälte eine Klage fallen. Als Grund gaben sie an, es sei ihnen gelungen, die Bestätigung der Ergebnisse in einem wichtigen Bezirk zu verhindern. Allerdings war zunächst zweifelhaft, ob das tatsächlich der Fall ist.

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Im großen Wayne County hatten sich die beiden republikanischen Mitglieder der vierköpfigen Wahlkommission Anfang der Woche zunächst geweigert, die Ergebnisse der Abstimmung zu bestätigen, lenkten aber wenig später ein. Dann beschlossen sie jedoch, ihre Zustimmung wieder zurückzuziehen. Allerdings sagte ein Sprecher der in Michigan für die Durchführung von Wahlen zuständigen Staatssekretärin, es gebe gar keinen rechtlichen Mechanismus dafür, dass Mitglieder einer Wahlkommission ihre Bestätigung von Ergebnissen rückgängig machen.

Abgeschlossen ist inzwischen die manuelle Überprüfung der Stimmen in Georgia. Dort lag Biden vor Beginn der Neuauszählung mit rund 14.000 Stimmen vorn. Nach Angaben der zuständigen Behörde liegt Bidens Vorsprung nun bei rund 13.500 Stimmen. Der für die Durchführung von Wahlen zuständige Staatssekretär Brad Raffensperger sagte bei CNN: "Wir haben keine Anzeichen von weit verbreitetem Betrug gesehen."

Entscheidung im Jänner

In dem Bundesstaat wird sich auch entscheiden, wie viel Spielraum Biden zur Durchsetzung seiner Politik als Präsident haben wird. Anfang Jänner gibt es Stichwahlen zu zwei Senatssitzen, die über die Mehrheit im Senat entscheiden werden. Die Republikaner haben aktuell 50 Sitze in der Kammer, die Demokraten 48. Gewinnen die Demokraten beide Stichwahlen, könnte Vizepräsidentin Kamala Harris bei einem Patt von 50 zu 50 Stimmen auf ihrer Seite eingreifen - und ihnen damit letztlich eine Mehrheit liefern. Der Präsident braucht die Zustimmung des Senats unter anderem für die Ernennung von Ministern.

Angesichts der Bedeutung der beiden Stichwahlen wurden in den vergangenen zwei Wochen bereits mehr als 125 Millionen Dollar (rund 106 Millionen Euro) in den Wahlkampf gesteckt, wie die "New York Times" berichtete. Für die Republikaner will Vizepräsident Mike Pence auf Tour in dem Bundesstaat gehen.