Russland: Historische Mediensolidarität mit Journalist Golunow
Die führenden russischen Qualitätszeitungen Kommersant, RBK und Wedomosti sind am Montag erstmals mit der gleichen Titelseite erschienen, um gegen das Vorgehen der Moskauer Polizei gegen Investigativreporter Iwan Golunow zu protestieren. Dem Journalisten, der seit Samstag unter Hausarrest steht, werden Drogendelikte vorgeworfen. Viele Kollegen Golunows gehen jedoch von einer Provokation aus.
"Ich bin/wir sind Iwan Golunow", schrieben Kommersant, RBK und Wedomosti jeweils auf der Titelseite und veröffentlichen eine gemeinsame Erklärung der drei Redaktionen. Die Tageszeitungen begrüßten, dass ein Moskauer Bezirksgericht am Samstag keine Untersuchungshaft über den Journalisten verhängt hatte, brachten aber gleichzeitig "große Zweifel" zum Ausdruck, dass die Ermittlungen gesetzeskonform gewesen seien. "Wir schließen nicht aus, dass die Festnahme von Golunow mit seiner beruflichen Tätigkeit (als Investigativreporter, Anm.) zu tun hat", hieß es in der Erklärung. Bereits in den Vormittagsstunden waren die drei Zeitungen in der russischen Hauptstadt gänzlich ausverkauft.
Auch drei Tage nach Bekanntwerden der Festnahme des 36-jährigen Journalisten, bei dem die Polizei Drogen gefunden haben will, dominiert die Causa somit weiterhin die russische Medienlandschaft. Am Freitag hatte der Fall gar eine programmatische Rede von Präsident Wladimir Putin beim Petersburger Wirtschaftsforum in den Hintergrund rücken lassen. Am Samstag war Golunow mit deutlichem Vorsprung vor Putin die meisterwähnte Person im russischen Segment von sozialen Netzwerken.
Das Online-Medium meduza.io, für das der Journalist in den letzten Jahren zahlreiche äußerst brisante Artikel insbesondere auch über Korruption von hochrangigen Bürokraten, Polizisten und Geheimdienstlern verfasst hatte, hatte zuvor aufgefordert, Golunow-Artikel in sozialen Netzwerken zu publizieren.
Russische Journalisten hatten im Rahmen des äußerst eingeschränkten Demonstrationsrechts seit Freitag zudem in Moskau, St. Petersburg und anderen Städten sogenannte Ein-Personen-Demonstrationen veranstaltet. Dutzende stellten sich etwa an, um vor der Moskauer Polizeizentrale ein paar Minuten lang als Einzelperson legal demonstrieren zu können.
Am Samstagabend versammelten sich zudem Hunderte Journalisten vor jenem Moskauer Bezirksgericht, das trotz eines diesbezüglichen Antrags der Anklage und trotz der Praxis beim inkriminierten Delikt keine Untersuchungshaft über Golunow verhängte und ihn überraschend lediglich unter Hausarrest stellte. Die liberale Öffentlichkeit Russlands feierte dies als Zwischenerfolg.
Obwohl den Organisatoren und Teilnehmern Festnahme sowie Verwaltungsarrest drohen dürfte, haben am Montag Kollegen des Journalisten für den russischen Staatsfeiertag am 12. Juni zu einem "Marsch für die Freiheit von Iwan Golunow" im Zentrum Moskaus aufgefordert. Es gilt als wahrscheinlich, dass dabei viele Teilnehmer mit hochgehaltenen Montagsausgaben von Kommersant, RBK oder Wedomosti mitmarschieren werden.