Raus aus Europa, mit allen Mitteln: Der Plan der Brexiteers
Von Konrad Kramar
Sind es Verschwörungstheorien, oder ist es tatsächlich der jüngste Schachzug der EU-Gegner, um den Brexit am 29.März zu erzwingen – und das in der härtesten, kompromisslosen Version, ohne Austrittsabkommen und ohne Übergangsfrist. Arron Banks und Andy Wigmore, zwei politische Strategen, die 2016 maßgeblich die Kampagne für den britischen EU-Austritt bestimmt haben, waren in den letzten Tagen in Norditalien unterwegs. Dort trafen sie sich mit Vertretern der Lega-Partei von Innenminister Matteo Salvini.
Offene Ohren in Rom
Die rechten, EU-kritischen Hardliner, die ja seit dem Vorjahr in der Regierung in Rom sitzen, sind bekanntlich für alles zu haben, was die EU schwächen könnte. Und nichts käme da mehr gelegen als ein ungeregelter Brexit. Und dafür ist nicht mehr als eine Stimme beim EU-Gipfel in Brüssel in der kommenden Woche notwendig. Dort nämlich müssen die EU-27 über den Antrag abstimmen, den die britische Regierungschefin Theresa May voraussichtlich einbringen wird: Verschiebung des Brexit um mindestens drei Monate, also bis Ende Juni. Doch das Veto eines EU-Landes genügt, um diesen Antrag scheitern zu lassen. Die dann unausweichliche Konsequenz: Großbritannien fliegt ohne Abkommen Ende März aus der EU – und genau das wollen die fanatischen "Brexiteers" erreichen.
Ungarn und Polen als Verbündete
Nicht nur die beiden Brexit-Strategen sind in Sachen Veto unterwegs. Auch ihr Mitstreiter Nigel Farage – er ist ja immer noch Europaparlamentarier – ist in Brüssel, um dort in Sachen Veto Unterstützer zu suchen. Seine Ansprechpartner, die üblichen Verdächtigen, also EU-Skeptiker wie die Orban-Regierung in Ungarn und die rechtskatholische PiS-Regierung in Polen. Eine Gruppe konservativer britischer Parlamentarier ist nach Warschau geflogen, um sich dort mit Vertretern der Regierung zu treffen.
Drei Monate oder zwei Jahre
Wie erfolgreich dieses Zündeln im Hintergrund war, wird sich erste nächste Woche beim EU-Gipfel herausstellen. Dann wird auch klar sein, welche Fristverlängerung Premierministerin Theresa May tatsächlich zu erreichen versucht.
May will ja in der kommenden Woche tatsächlich noch einmal über ihren bereits zweimal gescheiterten Deal abstimmen lassen. Ihre Hoffnung: Die unmittelbare Bedrohung durch einen EU-Austritt ohne Abkommen könnte viele konservative Abgeordnete dazu bringen, sich doch für den Deal ihrer Premierministerin zu entscheidende. Britische Zeitungen berichten außerdem über geheime Absprachen mit Abgeordneten der oppositionellen Labour-Partei. Sollten die für Mays Deal eintreten, würde diese nachher freie Bahn für ein zweites Referendum über den EU-Beitritt geben. Das gemeinsame Ziel, die "Brexiteers" zu stoppen.
Neue Kommission, neues Glück
Was in Brüssel allerdings auch entschieden werden kann, ist eine Verlängerung um deutlich mehr als drei Monate. Seit Mays Deal zum zweiten Mal im Unterhaus durchgefallen ist, kursiert diese Idee in London, aber auch in Brüssel. Bis Ende 2020 will man den Brexit verzögern. Nur so, meinen die Verfechter des Plans, könne man tatsächlich neu verhandeln und wirklich ein neues Ergebnis erzielen. Dann nämlich gibt es nicht nur eine neue EU-Kommission mit dem Nachfolger von Jean-Claude Juncker an der Spitze, sondern auch ein neu gemischtes EU-Parlament.
Das Problem daran: Großbritannien müsste an der EU-Wahl Ende Mai teilnehmen und bliebe vorerst vollwertiges EU-Mitglied. Die Brexiteers aber könnten mit dem Vorwurf von der Regierung in London und von Brüssel verraten worden zu sein, in einen Wahlkampf in Großbritannien ziehen – und mit dem rechnet man schon demnächst. Theresa May, so die Überzeugung, macht es in keinem Fall mehr lang.