Mazedonischer Ex-Premierminister flüchtete nach Ungarn
Das mazedonische Innenministerium hat am Dienstagabend in einer Aussendung bestätigt, dass sich der geflüchtete Ex-Premier Nikola Gruevski in Ungarn befindet. Dies sei vom ungarischen Innenministerium bekräftigt worden, zitierte die ungarische Nachrichtenagentur MTI. Die mazedonische Polizei habe das zuständige Gericht zwecks Erlassung eines internationalen Haftbefehls gegen Gruevski informiert. Dieser war in seiner Heimat wegen Amtsmissbrauchs zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Da er diese letzte Woche nicht antrat, wurde ein Haftbefehl gegen ihn erlassen.
Premier Zoran Zaev sagte am Mittwoch ein offizielles Verfahren eingeleitet, um von Ungarn die Auslieferung des Gruevskis zu ersuchen. Der Ministerpräsident gab gleichzeitig seinen Erwartungen Ausdruck, dass Ungarn "Kriminellen, die Bürgern der Republik Mazedonien Schaden zugefügt" hätten, keinen Schutz bieten werde. Welches Beispiel würde ein EU-Land den Beitrittskandidaten liefern, sollte es Kriminelle in Schutz nehmen und die internationale Praxis nicht einhalten, so Zaev.
Gruevski selbst hatte am Dienstag auf seiner Facebook-Seite erklärt, in Ungarn um politisches Asyl angesucht zu haben. Dabei habe er "Morddrohungen" als Grund für seine Flucht angegeben, berichteten Medien und hinterfragten, wie der Ex-Premier nach Ungarn gelangen konnte, weil seine Reisedokumente bereits 2017 beschlagnahmt worden waren. Möglicherweise sei es der ungarische rechtskonservative Premier Viktor Orban gewesen, der mit serbischer Hilfe die Flucht Gruevskis vor dem Gefängnis organisiert haben könnte, schrieb das Internetportal 168ora.hu unter Berufung auf das mazedonische Programm der Deutschen Welle. Gruevski und Orban pflegen nach Medienberichten äußerst freundschaftliche Beziehungen.
"VIP-Asyl"
Die Grünen-Europaabgeordnete Judith Sargentini spekulierte am Dienstag über eine mögliche bevorzugte Behandlung für Gruevski. Sie habe die ungarischen Behörden einmal gefragt, ob man außerhalb der Flüchtlingslager an der serbischen Grenze Asyl beantragen könne, die Antwort sei Nein gewesen. "Werden Sie Gruevski einsperren, oder ist in Budapest ein VIP-Asyl-Verfahren möglich?", fragte sie auf Twitter. Die Niederländerin Sargentini ist die Autorin jenes Ungarn-Berichts, der dazu führte, dass das EU-Parlament einem Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn wegen Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit zustimmte.
Das mazedonische Innenministerium geht jedenfalls davon aus, dass Gruevski die Grenze illegal übertreten hat, wie Innenminister Oliver Spasovski am Dienstagabend dem TV-Sender Kanal 5 sagte. Gruevski habe kein Flugzeug für seine Flucht genutzt. Er dürfte die Grenze wohl außerhalb der Grenzübergänge illegal passiert haben, so der Innenminister. Das Ministerium geht auch davon aus, dass Gruevski Fluchthelfer hatte.
Mandatsentzug angedacht
Nach der Flucht des früheren Premiers will das mazedonische Parlament einen erneuten Versuch starten, ihm das Abgeordnetenmandat zu entziehen. Wie Parlamentspräsident Talat Xhaferi ankündigte, soll diese Frage am (heutigen) Mittwoch zuerst bei einem Koordinationstreffen der Abgeordnetengruppen besprochen werden. Für den Entzug des Abgeordnetenmandats ist im Parlament eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Ein erster Versuch war in der Vorwoche gescheitert. Die Voraussetzungen seien nach der Flucht aber andere, sagte Xhaferi.
Der ehemalige Chef der nationalkonservativen VMRO-DPMNE war im Mai wegen Amtsmissbrauchs im Zusammenhang mit der Anschaffung eines teuren Dienstwagens verurteilt worden. Gegen Gruevski, der zwischen 2006 und Anfang 2016 Regierungschef war, werden aber auch noch weitere Prozesse geführt. Mazedonische Medien hatten im Frühjahr errechnet, dass der nationalkonservative Politiker bis zu 20 Jahre hinter Gittern verbringen könnte, sollte er in allen diesen Prozessen verurteilt werden.