Politik/Ausland

Italien: „Nun ist die EU an der Reihe“

Nach fünftägiger Irrfahrt im Mittelmeer wartet das Schiff „Diciotti“ der italienischen Küstenwache dringend auf eine Anlegeerlaubnis in einem Hafen – sei es in Italien oder in einem benachbarten Mittelmeerland. Am Montag hieß es, das Schiff würde Kurs auf die sizilianische Hafenstadt Pozzallo nehmen. Bürgermeister Roberto Ammatuna dementierte. Aber: „Wir sind jederzeit in Absprache mit dem Ministerium zur Aufnahme bereit.“

Vergangenen Donnerstag waren 177 Männer, Frauen und Kinder vor der libyschen Küste gerettet worden. Doch wer das Schiff aufnimmt, darüber entbrannte erneut Streit. Am Montag war offen, ob die „Diciotti“ einen italienischen Hafen oder ein anderes EU-Land ansteuert – oder ob es nach Libyen, wo den Menschen Folter und Gefängnis droht, zurückgeschickt wird.

Letzteres hatte Innenminister Matteo Salvini (Lega) am Wochenende angedroht. Lega-Chef Salvini gegenüber RAI 3: „Seit zwei Monaten beteuert die EU, dass man Italien nicht allein lassen darf. Wir warten auf Taten. Inzwischen haben wir mit unseren Aktionen die Ankünfte und die Geschäfte der Schlepper um 80 Prozent reduziert.“

Die Abschottungspolitik stößt aber nicht nur in der Opposition auf Widerstand, sondern ist auch innerhalb der Lega/Fünf Sterne-Koalition umstritten: Der linke Flügel der Grillo-Bewegung ist gegen eine komplette Schließung der Häfen für Flüchtlingsschiffe, vor allem für jene der Küstenwache.

Offenbar nach internem Druck schloss Salvini am Montag ein Anlegen der „Diciotti“ in einem italienischen Hafen nicht mehr aus, „solange die 177 Migranten im Sinne der europäischen Solidarität, die aus 27 Ländern besteht, aufgeteilt werden. Wir haben mehr als 700.000 Menschen auf dem Seeweg willkommen geheißen, nun ist die EU an der Reihe“.

Italiens parteiloser Außenminister Enzo Moavero Milanesi hatte am Sonntag in einem Brief an alle Regierungschefs der EU-Staaten appelliert, Personen aufzunehmen.

Eine Sprecherin der EU-Kommission bestätigte am Montag in Brüssel, dass Italien die Behörde kontaktiert habe. Die EU-Kommission sei daraufhin mit den EU-Staaten in Kontakt getreten. Wie in vorherigen Fällen sei man dazu bereit, Hilfe zu koordinieren. Die EU brauche in Sachen Migration jedoch eine langfristige Lösung und könne nicht auf kurzfristige Lösungen vertrauen.

Kein Kommentar zu Kurz

Zu Kommentaren von Politikern, darunter Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, der am Sonntag gefordert hatte, dass keine Schiffe mehr in Europa anlegen dürften, nahm die EU-Behörde nicht Stellung. FPÖ-Generalsekretär und Delegationsleiter im Europaparlament Harald Vilimsky legte in einer Aussendung noch nach: Er sieht kein Problem in einer Rückführung von geretteten Bootsflüchtlingen nach Libyen. „Diese Menschen sind ja nicht aus Libyen geflohen, sondern im Gegenteil – sie haben sich zunächst freiwillig dorthin begeben, um dann von Libyen aus die Überfahrt nach Europa zu versuchen.“

Streit gibt es zwischen Malta und Salvini. Auf Twitter veröffentlichte Italiens Vize-Premier ein Foto, auf dem ein Schlauchboot mit afrikanischen Flüchtlingen zu sehen ist. Dazu schrieb Salvini: „70 Migranten, ein Schlepper am Steuer eines schnellen Schlauchbootes, unterwegs in maltesischen Gewässern. Jemand muss dafür verantwortlich sein, oder schickt man sie wieder nach Italien?“ Die Antwort aus Valletta kam prompt: „Wir haben unseren Teil getan und soeben 61 Personen gerettet. Jetzt bist du an der Reihe, um einen italienischen Hafen für die 177 Personen zu öffnen“, spielte ein Sprecher aus Malta den Ball zurück.