Politik/Ausland

"Rache ist Pflicht des Iran": Khamenei befiehlt direkten Angriff auf Israel

Führende Vertreter des Iran werden noch am heutigen Donnerstag mit Verbündeten der Islamischen Republik im Libanon, Irak und Jemen Vergeltungsmaßnahmen gegen Israel beraten. Das sagten fünf mit dem Vorgang vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Damit soll auf die Tötung des Hamas-Führers Ismail Haniyeh in Teheran und des hochrangigen Hisbollah-Kommandanten Muhsin "Fuad" Shukr in Beirut reagiert werden.

Irans oberster Führer Ayatollah Ali Khamenei will einem Bericht zufolge einen direkten Angriff auf Israel. Khamenei habe einen entsprechenden Befehl erteilt, berichtete die New York Times unter Berufung auf drei über den Befehl informierte iranische Beamte, darunter zwei Mitglieder der iranischen Elitestreitmacht, den Revolutionsgarden.

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Zu Zeitpunkt und Umfang eines möglichen iranischen Vergeltungsangriffs gab es in dem Bericht keine Angaben. 

Khamenei habe die Anordnung auf einer Dringlichkeitssitzung des Obersten Nationalen Sicherheitsrates des Irans Mittwoch früh erteilt. Eine Bestätigung dafür gab es zunächst nicht.

"Es wird eine harte Bestrafung geben"

Die iranische Führung hatte bereits zuvor empört reagiert. Rache sei die Pflicht des Iran, da Haniyeh auf iranischem Boden getötet worden sei, sagte Khamenei. "Es wird eine harte Bestrafung geben." Khamenei sagte weiter, das ganze Land trauere um einen mutigen und heiligen Krieger. 

Präsident Pezeshkian drohte, der Iran werde dafür sorgen, dass "die terroristischen Besatzer ihre feige Tat" bereuten. Der Iran und die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas machten Israel für den Angriff verantwortlich, die Hamas sprach von einer "schweren Eskalation".

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Netanyahu warnt vor Racheaktionen

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu warnte nach den tödlichen Angriffen auf Haniyeh und den Hisbollah-Kommandanten Muhsin "Fuad" Shukr am Dienstagabend in einem Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut vor Rachemaßnahmen. 

"Für jede Aggression gegen Israel, egal von welcher Seite, wird ein hoher Preis gezahlt werden", sagte Netanyahu am Mittwochabend in einer TV-Ansprache. "Bürger Israels, es liegen schwierige Tage vor uns. Seit dem Anschlag in Beirut gibt es Drohungen aus allen Richtungen", erklärte er mit Blick auf die Ankündigungen des Iran und der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah, Vergeltung zu üben.

"Wir sind auf jedes Szenario vorbereitet und werden uns geschlossen und entschlossen gegen jede Bedrohung stellen", sagte Netanyahu. Israel habe in den vergangenen Tagen den Stellvertretern des Irans, darunter der Hamas und der Hisbollah, vernichtende Schläge versetzt.

Angesichts einer möglichen Ausweitung des Krieges in Nahost trat der UNO-Sicherheitsrat in New York zu einer vom Iran beantragten und von China, Russland und Algerien unterstützten Dringlichkeitssitzung zusammen. "Es bedarf dringend diplomatischer Bemühungen, um die Richtung zu ändern und einen Weg zu regionalem Frieden und Stabilität zu finden", sagte die UNO-Beauftragte für politische Angelegenheiten, Rosemary DiCarlo, vor dem Weltsicherheitsrat. "Die Kommunikation mittels Raketen, bewaffneten Drohnen und anderen tödlichen Angriffen muss ein Ende haben."

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Weltsicherheitsrat mahnt zu Deeskalation

Der Weltsicherheitsrat mahnte schließlich dringend zur Deeskalation. Alle Aktionen, "die den gesamten Nahen Osten in den Abgrund treiben könnten", müssten vermieden werden, ließ UNO-Generalsekretär António Guterres in New York mitteilen. Der Iran rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, gegen Israel vorzugehen. Die mutmaßlich von Israel ausgeführte Tat in der iranischen Hauptstadt Teheran verstoße gegen internationales Recht und "deutet auf eine Absicht hin, den Konflikt zu eskalieren und den Krieg auf die gesamte Region auszudehnen", sagte der iranische UNO-Botschafter Amir Saeid Iravani vor dem Weltsicherheitsrat in New York.

Der stellvertretende israelische Botschafter Jonathan Miller sagte, der Iran destabilisiere den gesamten Nahen Osten, indem die Islamische Republik Stellvertreter-Gruppen finanziere - als solche gelten insbesondere die schiitische Hisbollah-Miliz im Libanon und die mit ihr verbündete Hamas im Gazastreifen. "Wir fordern daher, dass dieser Rat den Iran für seine anhaltende Unterstützung des regionalen Terrorismus verurteilt und die Sanktionen gegen Teheran verschärft", sagte Miller.

Der stellvertretende Hamas-Chef im Gazastreifen, Khalil al-Hayya, erklärte am Mittwoch in Teheran, weder die Hamas noch der Iran wollten einen Krieg in der ganzen Region. Es gebe jedoch ein Verbrechen, das bestraft werden müsse. Haniyeh wurde nach Darstellung der islamistischen Terrororganisation bei einem gezielten Raketenangriff in Teheran getötet. "Eine Rakete traf den Raum, in dem Ismail Haniyeh sich aufhielt, und er wurde direkt getroffen", sagte Hayya.

Der Iran machte auch Israels wichtigsten Verbündeten USA für den Tod von Haniyeh verantwortlich. "Auch die USA sind für diesen brutalen Terrorakt verantwortlich", hieß es in einer Mitteilung des iranischen Außenministeriums. Washington habe die israelische Regierung schon immer unterstützt und deren Verbrechen stets befürwortet. Daher spielten die USA auch in diesem Vorfall eine Rolle.

Die USA betonten hingegen, in den tödlichen Angriff auf Haniyeh weder involviert noch darüber informiert worden zu sein. "Wir hatten davon keine Kenntnis und waren nicht beteiligt", sagte Außenminister Antony Blinken dem Sender Channel News Asia bei einem Besuch in Singapur. Die USA zeigten sich "besorgt" über eine mögliche Eskalation in Nahost. "Wir sind natürlich besorgt über eine Eskalation", sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, vor Journalisten. "Die Berichte der letzten 24, 48 Stunden tragen sicherlich nicht dazu bei, dass die Temperatur sinkt", sagte er.

Washington beobachte die Entwicklungen genau. "Es ist nicht so, dass wir die Bedenken einfach beiseite schieben. Wir beobachten dies sehr, sehr genau", sagte Kirby. Dies sei eine der "vorrangigen Sorgen" von US-Präsident Joe Biden. Angesichts der zunehmenden Spannungen zwischen Israel und der Hisbollah setzten die USA ihre Reisewarnungen für den Libanon auf die höchste Stufe.

Die israelische Regierung wollte sich zum Tod des Hamas-Anführers nicht äußern. "Wir kommentieren diesen speziellen Vorfall nicht", sagte Sprecher David Mencer. Israel fühle sich den Verhandlungen für eine Waffenruhe im Gazastreifen verpflichtet. Es wolle eine Vereinbarung zur Freilassung der von der Hamas festgehaltenen Geiseln.

Die Europäische Union rief nach dem tödlichen Angriff auf Haniyeh alle Konfliktparteien auf, "größtmögliche Zurückhaltung" zu üben und eine weitere Eskalation zu vermeiden. Die EU vertrete grundsätzlich eine Position, "die außergerichtliche Hinrichtungen ablehnt und die Rechtsstaatlichkeit unterstützt, auch im Rahmen der internationalen Strafgerichtsbarkeit", erklärte Peter Stano, Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, am Mittwoch.

Am Dienstag hatte Israel nach eigenen Angaben zudem gezielt den Hisbollah-Kommandanten Shukr in Beirut getötet, der für den jüngsten Beschuss der israelisch besetzten Golanhöhen mit zwölf toten Kindern und Jugendlichen verantwortlich sein soll. Die Hamas und die Hisbollah gehören zur sogenannten "Achse des Widerstandes", die vom Iran geführt wird.

Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock rief die deutschen Bürger im Libanon zur sofortigen Ausreise auf. "Ich appelliere erneut an alle deutschen Staatsangehörigen in Libanon auszureisen, solange das möglich ist", zitierte das Auswärtige Amt Baerbock (Grüne). In der angespannten Lage könne jede Entscheidung Entspannung bedeuten oder Öl ins Feuer gießen. "Ich rufe alle - insbesondere Iran - zu Zurückhaltung & Deeskalation auf: für die Menschen in der Region", zitierte das Außenministerium Baerbock weiter.

Ägypten und Katar, die beide zusammen mit den USA im Gaza-Krieg vermitteln und um eine Waffenruhe bemüht sind, verurteilten die Tötung Haniyehs scharf. Dies sei eine gefährliche Eskalation, teilte Katars Außenministerium mit. Das ägyptische Außenministerium forderte, die Spirale der Eskalation zu stoppen. Die Sicherheitslage im Nahen Osten dürfe nicht außer Kontrolle geraten. Die Tötung Haniyehs zeige, dass es Israel an politischem Willen zur Deeskalation mangle.

Am Donnerstag soll eine Trauerfeier für Haniyeh in Teheran stattfinden. Anschließend soll der Leichnam zum Begräbnis in die katarische Hauptstadt Doha überführt werden, wie die Hamas mitteilte. Die Trauerfeier in Katar solle Freitagmittag mit einem Gebet beginnen. Haniyehs Leichnam solle dann auf einem Friedhof in der Stadt Lusail nördlich von Doha bestattet werden. Erwartet würden dazu "arabische und islamische Anführer". Haniyeh lebte mit Teilen seiner Familie seit Jahren im Golfemirat Katar. Die Hamas unterhält in Doha auch ein politisches Büro.

In aller Kürze

  • Am Mittwoch wurde der Hamas-Anführer Ismail Haniyeh in Teheran von Israel getötet.
  • Der Iran hat Rache geschworen.
  • Irans oberster Führer Ayatollah Ali Khamenei soll nun einen direkten Angriff auf Israel befohlen haben. 
  • Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu warnte den Iran vor Rachemaßnahmen.